Trotz Fachkräftemangel: Potenzial der bAV noch nicht ausgeschöpft

Das Potential der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) für die Gewinnung und Bindung von neuen Mitarbeitenden ist so hoch wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr: 37 Prozent haben sich wegen der bAV für ihren derzeitigen Arbeitgeber entschieden. Für 50 Prozent ist sie ein wichtiger Grund, bei ihrem jetzigen Unternehmen zu bleiben.

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Trotz eines hart umkämpften Arbeitsmarkts verstehen erst 30 Prozent der Unternehmen die bAV als wichtiges Differenzierungsmerkmal im „War for Talents“, zeigt die neue Studie „Future of Pensions“ der Unternehmensberatung WTW.

Die Bedeutung der bAV habe in den vergangenen Jahren zugenommen, weil die Generationen, die nun in den Arbeitsmarkt drängen, wissen, dass sie sich um ihre Altersvorsorge selbst kümmern müssen, so Johannes Heiniz, Senior Director Retirement bei WTW. Während die früheren Generationen gut durch die gesetzliche Rente versorgt seien, werde sie für kommende Generationen kaum mehr ausreichend sein. Umso mehr erstaune es, dass Unternehmen – gerade angesichts des Fachkräftemangels – nicht noch stärker auf die bAV setzen, um neue Talente für sich gewinnen und zu binden.

bAV als Faktor für Arbeitgeberattraktivität

Laut der Studie „Future of Pensions“ bieten 60 Prozent der befragten Unternehmen eine branchenübliche bAV-Versorgung an. Zehn Prozent möchten lediglich die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllen. Bislang messen erst 30 Prozent der bAV eine größere Bedeutung zu und setzen sie aktiv als Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb um Talente ein – obwohl die große Mehrheit über Schwierigkeiten bei der Mitarbeitergewinnung und -bindung klagt.

Dabei zeigen Umfragen wie der „Global Benefits Attitudes Survey“ von WTW deutlich, dass die bAV aus Sicht der Beschäftigten ein entscheidender Faktor für die Arbeitgeberattraktivität ist.

Rund die Hälfte der Mitarbeitenden (47 Prozent) sparen hauptsächlich mithilfe der bAV für den Ruhestand. Einer der Gründe ist die Tatsache, dass bAV-Beiträge steuerbegünstigt sind. Daher bieten fast drei Viertel (knapp 70 Prozent) der befragten Unternehmen gemischt finanzierte bAV-Systeme an, in welche Beiträge nicht nur vom Unternehmen sondern auch von den Mitarbeitenden selbst (über Entgeltumwandlung) einfließen.

Die hohe Attraktivität der bAV liege auch darin begründet, dass Mitarbeitende ihrem Arbeitgeber in der Regel vertrauen, ein qualitativ hochwertiges Vorsorgeangebot zu unterbreiten und dabei uneigennützig zu handeln, während bei der privaten Altersvorsorge die Anbieter dieses Grundvertrauen nicht immer genießen, erläutert Heiniz.

Kapitalmarktorientierung der bAV für Inflationsschutz

Etwa drei Viertel der Unternehmen gaben an, in ihrem modernsten Pensionsplan ein kapitalmarktorientiertes Zinsmodell anzuwenden. Vor dem Hintergrund, dass 60 Prozent der Arbeitgeber nicht mehr bereit sind, das Zinsrisiko zu übernehmen, erstaunt dies nicht. Durch die Verwendung kapitalmarktorientierter Zinsmodelle werden Zinsrisiken – aber auch Renditechancen – auf Mitarbeitende übertragen.

Das passt auch zu den Vorstellungen der Mitarbeitenden: 82 Prozent der Unternehmen schätzen den Stellenwert einer Kapitalmarktbindung aus Sicht der Mitarbeitenden als mindestens wichtig ein. Angesichts der aktuellen Inflation ist das ein wesentlicher Aspekt: 74 Prozent sagen, dass ein Pensionsplan Schutz gegen Inflation bieten sollte (Quelle: WTW Global Benefits Attitudes Survey). Heiniz betont:

Der Schlüssel zum Erfolg für eine zukunftsfähige und werthaltige bAV liegt in der direkten Kopplung der bAV an die Kapitalmärkte und in intelligenter Plangestaltung.

Abkehr von hohen Garantien

Bislang wurde bei kapitalmarktorientierten bAV-Systemen in aller Regel mindestens die Höhe der eingezahlten Beiträge garantiert. Allerdings gilt: Je umfangreicher die Garantien, desto konservativer sind die Assetportfolien zu konzeptionieren. Im Niedrigzinsumfeld führte dies zu sehr geringen erwarteten Renditen.

Versicherer haben deshalb seit einiger Zeit begonnen, Garantien auf unter 100 Prozent der Beiträge abzusenken, um weiterhin attraktive Renditen erwirtschaften zu können. Auch in modernen fondsbasierten Pensionsplänen finden sich immer häufiger Garantieniveaus unterhalb von 100 Prozent.

Die Möglichkeit, ein Garantieniveau unterhalb der Beitragssummen zu verankern, erweiterte das Gestaltungsspektrum betrieblicher Altersversorgung signifikant, erklärt Heiniz. Sie eröffne die Chance, neue Wachstumspfade für die bAV einzuschlagen, sei es auf Basis von neueren Lebensversicherungstarifen, in fondsbasierten Zusagen oder in der reinen Beitragszusage.

Entscheidend hierbei sei, dass Sicherheit nicht ausschließlich auf Garantien basieren müsse, erklärt der bAV-Experte. Moderne Pensionspläne nutzen gezielt die Vorteile der bAV als kollektive Vorsorgeform. Durch intelligente Puffer- und Renditeverteilungskonzepte werde Absicherung auf Einzelpersonenebene auch abseits ‚harter‘ Garantien gewährleistet.

Wie sehen Mitarbeitende diesen Trend? Während im Jahr 2017 noch 78 Prozent der Arbeitnehmenden angegeben haben, dass ihnen Sicherheit wichtiger als Rendite sei, sind es jetzt 69 Prozent, wie der Global Benefits Attitudes Survey von WTW offen legt.

Die Studienergebnisse zeigen, dass die Differenzen zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen bezüglich des Rendite-Risiko-Verhältnisses kleiner werden, berichtet Heiniz. Arbeitgeber sollten trotzdem sehr sensibel mit diesem Thema umgehen und jegliche Änderungen durch Kommunikationsmaßnahmen eng begleiten.

Auch zentral: Flexibilität bei der Leistungserbringung

Ein weiterer wichtiger Stellhebel für die attraktive Gestaltung der bAV ist Flexibilität bezüglich der Auszahlungsoptionen. Zwei Drittel (66 Prozent) der Unternehmen gaben an, einen weitgehenden Auszahlungsmix bestehend aus Rente und Kapital oder Raten in ihrem modernsten Pensionsplan anzubieten.

Damit sind Unternehmen auf dem richtigen Weg: Rund die Hälfte der Mitarbeitenden wünscht sich mehr Flexibilität bei den Auszahlungsmöglichkeiten. Hier sind insbesondere intelligente Verrentungsmodelle gefragt, die bei einigen Unternehmen auch schon in die Tat umgesetzt sind.

Handlungsbedarf bei der bAV-Kommunikation

Aber was nützt das beste bAV-Angebot, wenn die Mitarbeitenden es nicht wahrnehmen oder aufgrund der oftmals hohen Komplexität nicht verstehen? Die Mehrheit der Unternehmen (71 Prozent) setzt bei der Kommunikation ihres bAV-Angebots auf klassische Kanäle wie E-Mail oder Print. Mit Blick auf die Zukunft gaben 34 Prozent der Unternehmen an, künftig auch auf Apps setzen zu wollen.

Dem gegenüber steht die Sicht der Mitarbeitenden: Nur 25 Prozent der befragten Mitarbeitenden fühlen sich durch das Angebot ihres Unternehmens bei der Vorbereitung ihrer Rentenphase unterstützt – hier herrscht Handlungsbedarf. Hingegen fühlen sich unter den Mitarbeitenden, die regelmäßig Apps zur Verfolgung ihrer Altersversorgung nutzen, 84 Prozent gut unterstützt.

Unternehmen seien gut beraten, wenn sie auf eine onlinebasierte Kommunikation setzen, zum Beispiel via Apps. So sei das Potential der bAV sichtbarer für die Mitarbeitenden und sie werden über ihre Vorsorgeguthaben nicht nur einmal im Jahr per Kontoauszug informiert. Hinzu komme der zunehmende Bedarf nach ‚Financial Education‘, um insbesondere die hinter modernen, kapitalmarktbasierten Pensionsplänen stehenden Kapitalanlagekonzepte zu verstehen, rät Heiniz.

Über die Studie

Die Studie „Future of Pensions“ der Unternehmensberatung WTW skizziert die Einstellung von Unternehmen in Deutschland in Bezug auf die betriebliche Altersversorgung (bAV). Hierfür wurden im Juni 2022 via Online-Fragebogen rund 90 Unternehmensvertreter vorwiegend größerer Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitenden aus allen Branchen befragt. Den Studienergebnissen wurde die Sicht der Mitarbeitenden auf die bAV gegenübergestellt, so wie sie im Global Benefits Attitudes Survey von WTW mit rund 1.500 befragten Mitarbeitenden in Deutschland erhoben wurde.

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