Der BAH kritisiert den am 4. Juli 2022 bekannt gewordenen Referenten-Entwurf des GKV-Stabilisierungsgesetzes: Die im Spargesetz vorgesehenen Einsparungen im Arzneimittelbereich gefährden die Arzneimittelversorgung und fügen dem Pharmastandort Deutschland weiteren Schaden zu. Schon jetzt erbringen die Hersteller beträchtliche jährliche Abschläge zugunsten der GKV, die im Jahr 2021 mit knapp 6,5 Milliarden Euro einen neuen Höchststand erreicht haben.
Wegen des Preismoratoriums erstattet die GKV den Arzneimittel-Herstellern nicht mehr als den Preisstand vom 1. August 2009 - trotz seit Jahren ansteigender Kosten für Energie, Rohstoffe und Logistik. Der aktuelle Entwurf sieht vor, dieses Preismoratorium erneut um 4 Jahre zu verlängern und die notwendige Preisanpassung für viele Arzneimittel bis zum Jahr 2026 zu blockieren. Erschwerend kommt hinzu, dass der seit 2018 bestehende nachträgliche Inflationsausgleich die enorm gestiegenen Produktionskosten nur im Ansatz ausgleichen kann, da Preisanpassungen nur im Rahmen der allgemeinen Inflationsrate möglich sind. Der Preisanstieg für Energie-, Logistik- und Rohstoffkosten fiel hingegen deutlich höher aus. Dr. Cranz, Hauptgeschäftsführer des BAH, ergänzt:
Wenn für Unternehmen ein Zeitpunkt erreicht ist, an dem eine kostendeckende Produktion schlicht nicht mehr möglich ist, wird die Verfügbarkeit von Arzneimitteln infrage gestellt.
Für Patientinnen und Patienten bestehe dann das Risiko, dass wertvolle Therapie- und Versorgungsoptionen verloren gehen. Darüber hinaus verhindert das Preismoratorium die Weiterentwicklung von bekannten Substanzen durch die Arzneimittel-Hersteller, etwa in neue oder altersgerechte Darreichungsformen. Für Cranz steht somit das Preismoratorium in krassem Widerspruch zu dem Wunsch der Politik, den Arzneimittel-Standort Deutschland attraktiver zu machen.
Die neu eingeführte Solidaritätsabgabe von einer Milliarde Euro, die 2023 und 2024 jeweils zusätzlich geleistet werden sollen, läuft den seinerzeit von den Regierungsparteien im Koalitionsvertrag formulierten Zielen einer Standort-Stärkung ebenfalls zuwider. Cranz ist sich sicher, dass die Solidaritätsabgabe sich als eine weitere, wenig zielführende Maßnahme erweisen werde.
Dabei sind die anteiligen Ausgaben für Arzneimittel seit über zehn Jahren annähernd konstant bei unter 17 Prozent der GKV-Gesamtausgaben von insgesamt 284,3 Milliarden Euro. Der Anteil der Aufwendungen für Arzneimittel bleibt nunmehr seit über zehn Jahren annähernd konstant. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass Arzneimittel-Hersteller, Apotheken und Patienten jedes Jahr bereits einen erheblichen Entlastungsbeitrag von 19,5 Prozent zugunsten der GKV leisten.
Fazit
Die Effizienzreserven sind bereits jetzt ausgereizt, weshalb weitere Einsparungen substanzielle Risiken nach sich ziehen werden. Damit läuft der aktuelle GKV-Finanzierungsentwurf diametral den erklärten Zielen der Koalitionspartner entgegen, die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln zu verbessern und den Pharmastandort Deutschland zukunftsfest zu machen. Hierfür wären viel eher finanzielle, regulatorische und bürokratische Entlastungen für die Hersteller zielführend.
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