Das weltweite Insolvenzgeschehen normalisiert sich langsam wieder. Nach zwei Jahren mit stark sinkenden Fallzahlen, dürfte sukzessive wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht werden.
Der weltweit führende Kreditversicherer Allianz Trade erwartet in seiner aktuellen Studie weltweit einen Zuwachs der Insolvenzen um +10 Prozent im Jahr 2022 und um weitere +14 Prozent im Jahr 2023 – unter der Voraussetzung, dass keine neue Welle an staatlichen Unterstützungsmaßnahmen folgt. Die Insolvenzentwicklung sei in den vergangenen Jahren durch die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen von der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung weitestgehend entkoppelt gewesen und damit auf einem künstlich niedrigen Niveau, Maxime Lemerle, Experte für Insolvenzprognosen bei Allianz Trade.
Jetzt dürften sich die Anzahl der Insolvenzen wieder dem Vorkrisenniveau annähern. Allerdings bringen der Krieg in der Ukraine und neue Lockdowns in China den Joker der Staatshilfen zurück. Lemerle erklärt:
Die Rückkehr umfangreicher staatlicher Unterstützung für Unternehmen könnte die vollständige Normalisierung von Unternehmensinsolvenzen erneut verzögern.
Deutschland, Frankreich und Italien haben bereits erste Unterstützungsmaßnahmen verlängert, beispielsweise bei Kreditprogrammen oder Kurzarbeitergeld. Je länger die Krise andauert, desto wahrscheinlicher wird auch eine neue Welle an Staatshilfen, die sich auf das Insolvenzgeschehen auswirken wird.
Robust durch die Krise: Anteil der gefährdeten Unternehmen in Deutschland gesunken
Trotz der vielen Herausforderungen sind laut Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die Finanzen vieler deutscher Unternehmen aktuell sehr robust und damit auch deren Widerstandsfähigkeit. Bogaerts führt aus, dass der Anteil der gefährdeten Unternehmen in Deutschland sich 2021 von 7 Prozent auf 6 Prozent reduziert habe und staatliche Unterstützungsmaßnahmen weiter laufen.
Deshalb gehen man davon aus, dass die Insolvenzen in Deutschland in diesem Jahr mit 4 Prozent nur moderat auf rund 14.600 Fälle zunehmen. Einen deutlicheren Anstieg erwarte man erst im kommenden Jahr mit 10 Prozent auf dann 16.130 betroffene Unternehmen. Dennoch dürften die Fallzahlen auch Ende 2023 noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau liegen, so der CEO.
Allerdings wird es in den kommenden zwei Jahren nach Einschätzung der Experten von Allianz Trade zu größeren Insolvenzen kommen. Eine Folge von strukturellen Veränderungen und anhaltender Schocks wie der Krieg in der Ukraine oder die Lockdowns in China, unterbrochene Lieferketten, Lieferengpässe, gestiegene Arbeitskosten sowie Preise, insbesondere bei Energie und Rohstoffen. Das hat sich bereits im vergangenen Jahr gezeigt.
Wenn es kracht, dann richtig: Verschuldung der insolventen Unternehmen & Schäden steigen
Bogaerts warnt davor, dass Unternehmen sich nicht in falschen Sicherheit wiegen sollen: Insolvenzen in Deutschland seien 2021 zwar zum zwölften Mal in Folge gesunken – aber die Verschuldung der insolventen Unternehmen und die Schäden, die dadurch entstanden sind, seien auf ein Rekordniveau gestiegen. Das heiße: Es gab weniger Insolvenzen, dafür aber besonders große.
Die Gesamtverschuldung aller insolventen Unternehmen gegenüber ihren Gläubigern ist 2021 das dritte Jahr in Folge um 10,5 Prozent auf insgesamt 48,1 Milliarden Euro gestiegen. Damit hat sie einen neuen Höchststand seit dem Allzeithoch von 73 Milliarden Euro im Jahr 2009 erreicht. Schon zuvor war die Gesamtverschuldung rasant gestiegen: um 25,7 Prozent im Jahr 2019 und um 65,3 Prozent im Jahr 2020. Bogaerts erläuert, dass die durchschnittliche Verschuldung der insolventen Unternehmen – und damit auch die entstandenen Schäden pro Insolvenz – im Jahr 2021 auf ein Rekordniveau von 3,4 Millionen Euro gestiegen seien - rund 55 Prozent mehr als noch 2009 mit damals 2,2 Millionen Euro.
Internationale Entwicklung sehr heterogen – Normalisierung auf Vor-Pandemie-Niveau
Jedes dritte Land dürfte allerdings 2022 das Vorkrisenniveau bei den Insolvenzen erreichen, 2023 dürfte es jedes zweite Land sein. Auch in Westeuropa dürften sich die Fallzahlen 2023 insgesamt wieder dem Stand von vor der Pandemie annähern, auch wenn es große regionale Unterschiede gibt.
Allianz Trade erwartet 2022 einen weiteren Anstieg der Insolvenzen in Italien und Spanien (je +8 Prozent), wenn auch weniger stark als noch 2021, als die Fallzahlen mit +19 Prozent beziehungsweise +30 Prozent bereits deutlich in die Höhe schnellten.
Den größten Zuwachs bei den Insolvenzen erwartet der Kreditversicherer in Westeuropa in Österreich (+63 Prozent), Irland (+40 Prozent), Belgien (+39 Prozent), Großbritannien (+37 Prozent), den Niederlanden (+24 Prozent), Griechenland (+23 Prozent), der Schweiz (+20 Prozent), Schweden (+19 Prozent) sowie in Dänemark (+15 Prozent) und Frankreich (+15 Prozent).
Weltweit fallen vor allem die erwartete Entwicklung in Hongkong (+0 Prozent) und China (+1 Prozent) sowie Indien (+49 Prozent) auf. Lemerle erklärt dazu, dass in einigen Ländern die Zahl der Insolvenzen stark ansteige. Allerdings seien in den meisten Fällen dort zuvor die Insolvenzen auch sehr stark gesunken. Der deutliche Anstieg sei häufig eine Normalisierung auf das Vor-Pandemie-Niveau wie beispielsweise in Österreich und der Schweiz oder auch in Belgien und Großbritannien, schließt Lemerle.
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