Angesichts des rückläufigen Gesamtgeschäfts in der Krankenvollversicherung (PKV) stehen die privaten Krankenversicherer in einem scharfen Wettbewerb um Neukunden und um Bestandskunden.
Wer die Customer Journey der neuabschlusswilligen und wechselbereiten Bundesbürger genau kennt und berücksichtigt, hat klare Vorteile.
Homepage, Hotline oder Direktvertrieb?
Aktuell gilt hier: Zwei von drei Neuabschlüssen und Anbieterwechseln in der PKV fanden in den vergangenen 36 Monaten über Berater statt. 2017 lag dieser Wert noch bei 94 Prozent. Deutlich aufholen konnte der Direktvertrieb – allen voran die Anbieter-Hotlines und die Anbieter-Homepages (28 Prozent der Neuabschlüsse/Wechsel; 2017: 5 Prozent).
Insgesamt zugenommen hat auch die generelle Bedeutung des Internets – sowohl als Informationsquelle als auch als Abschlusskanal in der PKV. Dennoch bleiben die Berater die führenden Abschlusstreiber. Dies zeigt die aktuelle Ausgabe der Studie "Customer Journey zur privaten Krankenversicherung (PKV)" des Marktforschungs- und Beratungsinstituts HEUTE UND MORGEN.
Fokus der Studie: Customer Journey und Entwicklungen seit 2017
Repräsentativ befragt wurden 300 Bundesbürger zwischen 18 und 65 Jahren, die in den letzten 36 Monaten eine private Krankenvollversicherung entweder neu abgeschlossen oder gewechselt haben – oder sich zumindest ausführlich dazu informiert haben.
Eingehend untersucht wurden typische Stationen, Verlaufsmuster, Erfolgstreiber und Hürden der Customer Journey – vom ersten Impuls über die Informations- und Entscheidungsphase bis hin zum Neuabschluss oder Anbieterwechsel. Darüber hinaus wurden auch die Entwicklungen und Veränderungen zwischen 2017 und 2021 analysiert.
Direktvertrieb gewinnt in der PKV deutlich an Bedeutung
Der bis vor wenigen Jahren noch unbedeutende Direktvertrieb hat im PKV-Geschäft – auch Corona bedingt – deutlich aufgeholt. Insbesondere die Anbieter-Hotlines (16 Prozent aller Abschlüsse in den vergangenen 36 Monaten; Untersuchung 2017: 1 Prozent) und die Anbieter-Homepages (12 Prozent; 2017: 4 Prozent) konnten deutlich an Bedeutung gewinnen. Reduziert hat sich zugleich die bisher oft eher abschlusshemmende Wirkung des Internets.
Dr. Michaela Brocke, Geschäftsführerin beim Marktforschungs- und Beratungsinstitut HEUTE UND MORGEN, sagt:
In diesen Entwicklungen spiegeln sich einerseits deutliche Effekte der Pandemie und des Social Distancing. Zugleich werden eine steigende Informationsautonomie und die wachsende Bereitschaft sichtbar, auch komplexere Versicherungsprodukte jenseits klassischer Beraterwege abzuschließen.
Nicht selten bestehe gar kein persönlicher Draht zu Beratern mehr beziehungsweise werde dieser nicht mehr gesucht und gewollt, so Brocke weiter.
Berater und eine hohe Beratungsqualität bleiben zentrale Erfolgstreiber in der PKV
Die deutlich gestiegene Bedeutung des Direktvertriebs in der PKV sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass – auch trotz Corona – zwei von drei Abschlüssen und Wechseln (67 Prozent) weiterhin über Vermittler, Makler und Bankberater erfolgen (persönlich und telefonisch; über zuvor bereits bekannte oder vorher unbekannte Berater). Die führende Rolle unter den Beratern spielen dabei nach wie vor die Ausschließlichkeitsvermittler.
Zugleich zeigt sich: Die persönliche (inklusive telefonische) Beratung beim Versicherungsvertreter oder Makler erzielt weiterhin die mit Abstand beste Bewertung aller auf der Customer Journey genutzten Informationsquellen (Zufriedenheit: 73 Prozent). In Beratungsdetails wird diese sogar noch besser als
2017 bewertet (insbesondere in puncto faire und objektive Beratung).
Die Zufriedenheit mit anderen Informationsquellen liegt teils deutlich darunter: Foren und Blogs im Internet (59 Prozent), Internet allgemein (53 Prozent), Vergleichsseiten (51 Prozent), Anbieter-Homepages (36 Prozent).
Generell werden Internetquellen – an erster Stelle Foren und Blogs – vergleichsweise positiver bewertet und häufiger als hilfreich wahrgenommen als noch 2017. Die Anbieter-Homepages haben, trotz zwischenzeitlicher Verbesserungen, nach wie vor noch deutlich Luft nach oben.
Ablaufdetails der Customer Journey in der PKV
Auslösend für die erstmalige Beschäftigung mit einer privaten Krankenvollversicherung sind bei den Abschluss-Willigen (Erstabschluss) insbesondere Veränderungen der Lebenssituation und des persönlichen Bedarfs sowie wahrgenommene Kostenvorteile gegenüber der GKV. Eine
zunehmende Rolle als Impulsgeber spielen dabei auch Empfehlungen von Freunden, Bekannten und Verwandten.
Bei den wechselwilligen Bestandskunden führen hingegen insbesondere Preiserhöhungen des bisherigen Anbieters zur erneuten Beschäftigung mit der privaten Krankenvollversicherung und einem möglichen Anbieterwechsel.
Soziales Umfeld und Vermittler als Impulsgeber
Darüber hinaus spielt die generelle Suche nach günstigeren beziehungsweise in puncto Preis-Leistung optimaleren Angeboten eine Rolle. Auch hier nimmt die Bedeutung von Einflüssen aus dem sozialen Umfeld zu. Neben stärkerem Empfehlungsmarketing und stärkerer medialer werblicher Präsenz können die Produktgeber auch ihre Vermittler noch stärker als Impulsgeber nutzen.
Besonders hellhörig sollten die Anbieter nicht zuletzt bei Anfragen ihrer Bestandskunden zu alternativen Angeboten werden, und wirksame Bindungsmaßnahmen einleiten: Drei Viertel (72 Prozent) der PKV-Wechselwilligen holen auf der Customer Journey (auch) Angebote von ihrem bisherigen Versicherer ein (2017 waren dies erst 48 Prozent).
Erst im Internet informieren, dann persönlich
Die am häufigsten genutzte Informationsquelle bei der Beschäftigung mit dem Abschluss oder Wechsel einer PKV ist bei abschuss- und wechselwilligen Kunden weiterhin das Internet (77 Prozent).
An zweiter Stelle folgt die professionelle persönliche Beratung (39 Prozent; primär pandemiebedingt deutlich seltener als 2017: 53 Prozent). Auf Platz drei folgt bereits die informelle Information über Freunde, Bekannte, Verwandte (32 Prozent). 17 Prozent geben aktuell zudem an, sich auch über Soziale Medien und Netzwerke zur PKV informiert zu haben.
In puncto Serviceleistungen der Krankenversicherer hat die ärztliche Online-Sprechstunde im Vergleich zu 2017 – wohl auch durch die Erfahrungen der Pandemie verstärkt – am deutlichsten an Attraktivität gewonnen (aktuell: 71 Prozent; 2017: 43 Prozent).
Entscheidung und Abschluss: Oft preisgetrieben, zugleich meist beratungsbasiert
Geht es auf der Customer Journey – die sich bei den aktiv abschlussbereiten und wechselwilligen Kunden meist über einen Zeitraum von etwa drei Wochen erstreckt – in Richtung Entscheidung und Abschluss, dann gilt: Die finale Entscheidung für oder gegen einen Abschluss beziehungsweise Wechsel einer PKV erfolgt häufig stark preisgetrieben (absolute Kosten und Preis-Leistungs-Verhältnis).
Im Beratungsgespräch sollten daher – sofern vom potenziellen Kunden nicht selbst angesprochen – die Prämienhöhe und Preisargumente aktiv mitthematisiert und nicht „umschifft“ werden. Generelle Versicherer-Images spielen – sofern es sich um bekannte und subjektiv grundsätzlich vertrauenswürdige Versicherer handelt – hingegen eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.
Relevanter sind die Präsenz und das Ranking auf Vergleichsportalen; allen voran bei Check24. Letztlich abgeschlossen wurde eine private Krankenvollversicherung in der Untersuchungsstichprobe am häufigsten bei Allianz, Debeka und Axa, wobei vor allem Allianz im Vergleich zur 2017er-Untersuchung zulegen konnte. Auf den weiteren Plätzen folgen HanseMerkur, Barmenia, HUK-Coburg, DKV und Signal Iduna.
Hohe Beratungsqualität ist der "Dealmaker" in der PKV
Für die Serviceversicherer bleibt übergreifend wichtig, die Kunden so gezielt, einfach und zeitnah wie möglich zum persönlichen oder telefonischen Beratungsgespräch zu leiten. Eine hohe Beratungsqualität – im Sinne von verständlich, umfassend, kundenindividuell bedarfsorientiert, fair und objektiv – bleibt der zentrale Abschlusstreiber und „Dealmaker“ in der PKV.
Eine ausschließlich digitale beziehungsweise internetbasierte Customer Journey führt am Ende deutlich seltener zum Erfolg als eine (zumindest auch) gesprächsbasierte Customer Journey. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der aktuell steigenden Bedeutung des Direktvertriebs und des Internets, die freilich auch in der Post-Corona-Pandemie-Zeit anhalten könnte.
Birgit Menzen, Studienleiterin bei HEUTE UND MORGEN, sagt:
Auch die Möglichkeiten des Online-Abschlusses einer PKV über die Anbieter-Homepages sollten daher gezielt optimiert und ausgebaut werden.
Anbieter-Homepages insgesamt weiter entwickeln
Für eine gelingende Customer Journey hat sich die Rolle und die wahrgenommene Qualität der Anbieter-Homepages gegenüber 2017 insgesamt erhöht. Daher gilt es, hier am Ball zu bleiben:
In puncto wahrgenommener Unterstützungsqualität bei der Informationssuche zur PKV, bei den Möglichkeiten zum Einholen bedarfsspezifischer statt nur standardisierter Angebote und auch in puncto Einfachheit des Online-Abschlusses zeigten viele Anbieter-Homepages noch deutlich Luft
nach oben, so Birgit Menzen abschließend.
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