Versicherer und Banken legen Streit wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Millionenstrafen bei. Mitarbeiter und Kunden werden trotzdem durch internationalen Haftbefehl überrascht.
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt und Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik.
Einigung von Versicherern und Banken mit der Justiz verhindert keine Verfolgung von Mitarbeitern
Obwohl einige Banken und auch Versicherer ihren Streit mit der US-Justiz beigelegt haben, indem sie sich mit einer Strafzahlung schuldig bekannt haben, wird gegen die betroffenen einzelnen Mitarbeiter weiter ermittelt.
Kein Mitarbeiter (ob nun aus Deutschland, Schweiz, Luxemburg oder Liechtenstein) oder Kunde weiß, ob er nicht schon international zur Fahndung ausgeschrieben ist und am nächsten ausländischen Flughafen verhaftet wird zur anschließenden Auslieferung an die US-Justiz. So erging es jüngst dem hochrangigen Mitarbeiter einer Schweizer Privatbank, als er im Urlaub nichts ahnend bei einer Routineüberprüfung am Flughafen Mallorca verhaftet wurde.
Angeklagte werden zu Hinweisgebern und liefern Verkaufspräsentationen zur Hinterziehung
Um die eigene Strafe zu mindern oder vielleicht noch nachträglich eine staatliche Belohnung zu kassieren, packen angeklagte Vertriebsmitarbeiter und Kunden gerne restlos aus – und liefern damit Banken und Versicherer den Steuerbehörden aus.
Damit ist der Zugriff auf die Daten von weiteren Vertriebsmitarbeitern sowie deren Kunden meist gesichert – inklusive der Lieferung von Datenträgern an Strafverfolgungs- und Steuerbehörden verschiedener Länder. Banken und Versicherer bemühen sich dann um Kooperation und verhandeln eigene Strafzahlungen indes nur für sich selbst.
Mitarbeiter werden noch nach Jahren zum Bauernopfer des Vertriebssystems
Man hat wohl nur an das Unternehmen gedacht – die Einzelnen aber werden geopfert, womöglich ein Versehen. Das Unternehmen darf dann nicht mehr behaupten, dass die Vorwürfe nicht zuträfen, sonst wäre dies ein Verstoß gegen das Abkommen mit dem Staat über die Strafzahlung, und diese insoweit abschließende Regelung wäre auch hinfällig.
Die Unternehmen haben kooperieren müssen und alles offengelegt – also insbesondere den US-Behörden das Material geliefert, mit dem nun gegen ihre eigenen Mitarbeiter und Kunden weiter ermittelt wird.
Womöglich wissen viele (auch ehemalige und im Ruhestand sich befindliche) Mitarbeiter gar nicht, dass ihr Arbeitgeber bereits – und welches – Beweismaterial und andere Ermittlungsansätze – wie die Identität der betroffenen Kunden, zu deren Verhör etwa zu den genauen Abläufen und den konkreten Steuerhinterziehungs-Beratern – an die US-Strafverfolgung gegeben hat.
Diese kann dann wie hier auch noch mehr als fünf Jahre nach der Erledigung des Streits mit der Bank oder dem Versicherer unerwartet zuschlagen, etwa am Flughafen beim Mallorca-Urlaub, mit Auslieferung an die USA.
Verhaftete werden ihre Strafe erhöhen oder die Untersuchungshaft verlängern, wenn sie nicht kooperieren und bei den Ermittlungen auch gegen andere helfen. In dem Fall werden sie dann wohl endgültig entlassen, denn umgekehrt darf ein Arbeitgeber natürlich auf Loyalität seiner Mitarbeiter und Wahrung seiner Geschäftsgeheimnisse bestehen.
Deferred Prosecution Agreement (DPA) – der Kuhhandel oder Deal zur Anklagevermeidung
Ein DPA mit dem Staat kostete manches renommierte Finanzhaus bis zu mehr als dreistellige Millionenbeträge als frei vereinbarte Strafzahlung. Derartige DPA-Vereinbarungen werden zur Abschreckung auch ganz öffentlich ins Internet gestellt.
Die Strafe ist dabei nur aufgeschoben, wenn sich das Unternehmen an die Auflagen hält. Die (auch ehemaligen) Mitarbeiter bleiben meist uninformiert, ob sie persönlich von weiterer Strafverfolgung betroffen sein könnten – wenn sie sich nicht selbst um die Details bemühen. Und dies ernst nehmen, indem sie etwa ihr Heimatland künftig nicht mehr ahnungslos ins Ausland verlassen, wo bereits der internationale Haftbefehl sie erwartet.
Als haftungsträchtig haben sich insbesondere Lebensversicherungsmäntel (Insurance Wrapper) erwiesen, welche internationalen Kunden und Beratern auch durch „Fachpublikationen“ aus dem Ausland als Königsweg zum Vermögensschutz (Asset Protection) nahegebracht wurden. Dies als angeblich gangbare Alternative, nachdem zuvor bereits die Banken mit ihren eingesetzten Produkten ins Visier nicht nur der US-Strafjustiz gekommen waren.
Falsch versprochene Steuerfreiheit führt Banken und Versicherer aufs Glatteis
Manches ausländische Finanzhaus lernte betreffend die Schweiz das Lugano-Übereinkommen (LugÜ) erst kennen, als der Kunde an seinem Wohnort auf Schadensersatz klagte. Ähnlich ergeht es Versicherern und Banken mit Sitz in der EU, wenn ein deutsches Gericht zuständig ist, etwa nach der „Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen-Verordnung Nr. 1215/2021“ (EugVVO); vgl. BGH-Urteil vom 11.07.2012, Az. IV ZR 164/11.
Schließlich könnten Finanzhäuser nebst Beratern für Abgaben, Strafen und Verteidigerkosten ihrer Kunden aus Prospekthaftung einzustehen haben – sowie bei Rückabwicklung haften. Der Beweis, dass der eigene Kunde entgegen den Versprechen in Vertriebsunterlagen gleichwohl Abgaben hinterziehen wollte, wird selten gelingen – um dann der eigenen Schadensersatzhaftung als Bank, Versicherer oder Berater zu entgehen; vgl. BGH-Urteil vom 15.04.2010, Az. IX ZR 189/09.
Denn natürlich wurden die Produkte jedenfalls für den Laien glaubhaft als völlig legaler Weg zur Steuerersparnis beworben.
Falsch versprochene Rechtswahl führt Kunden in die Irre
Mancher Kunde glaubt auch an einen wirksamen Schutz vor Pfändung seiner Lebensversicherung aus der Schweiz oder Liechtenstein – und ein wirksames Versicherungsgeheimnis, damit sein Versteck geschützt bleibt.
Befindet sich das versicherte Risiko im Inland, also etwa der Wohnsitz des Versicherungsnehmers (VN), wird ein deutsches Gericht bei deutschem Gerichtsstand nach der ROMI-Verordnung auch deutsches Versicherungsvertragsrecht (VVG) anwenden. Selbst eine Reise mit dem Vermittler für den Vertragsabschluss zum Finanzhaus ins Ausland wäre meist für die Katz gewesen.
Prekär ist für Vertriebsmitarbeiter und ihre Kunden das blinde Vertrauen in rechtliche und steuerliche Gefälligkeitsgutachten aus dem Ausland, welche gar nicht erst berücksichtigen, wie Anlagemodelle aus deutscher oder internationaler rechtlicher Sicht zu beurteilen sind.
Eine vom Vertrieb unabhängige Zweitmeinung schützt vor Überraschungen und einer vielleicht später nötigen Flucht vor der Strafjustiz ins Ausland – auch manches deutschen Steuerberaters; vgl. BGH-Urteil vom 28.07.2021, Az. 1 StR 519/20 (Cum-Ex). Vielleicht besser gleich in ein Land, das nicht ausliefert.
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