Prämiensparverträge: BGH fällt Urteil zugunsten der Verbraucher

Der u.a. für das Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit seinem Urteil vom 6. Oktober 2021 über die Revisionen des Musterklägers, eines Verbraucherschutzverbands, und der Musterbeklagten, einer Sparkasse, gegen das Musterfeststellungsurteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 22. April 2020 über die Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen entschieden.

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Im Rahmen einer Musterfeststellungsklage urteilte das Gericht über vorgenommene Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen aus den Jahren 1994 bis 2006.

Die beklagte Sparkasse schloss seit 1994 mit Kund*innen sogenannte Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50 Prozent der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. In den Vertragsunterlagen wird unter anderem aufgeführt:

"Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit .. % p.a. verzinst."

In den in den Sparvertrag einbezogenen "Bedingungen für den Sparverkehr" heißt es zudem weiter:

"Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist."

Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung der Spareinlagen für zu niedrig. Er verfolgt mit seiner Musterfeststellungsklage sieben Feststellungsziele:

  • Mit diesen macht er die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel, die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und eines monatlichen Zinsanpassungsintervalls sowie die Verpflichtung der Beklagten geltend, die Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode vorzunehmen.
  • Darüber hinaus möchte er festgestellt wissen, dass die Ansprüche der Verbraucher*innen auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens ab der wirksamen Beendigung der Sparverträge fällig werden.
  • Ferner soll mit der Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschriften im Sparbuch keine den Verjährungslauf in Gang setzende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen begründenden Umstände verbunden sein.
  • Die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschriften im Sparbuch soll nicht dazu führen, dass das Umstandsmoment für eine Verwirkung der Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen gegeben ist.

Das Oberlandesgericht Dresden hat der Musterfeststellungsklage teilweise stattgegeben. Der Musterkläger verfolgt seine Feststellungsziele mit der Revision weiter, soweit das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

BGH-Urteil macht Vorgaben zur Zinsberechnung

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschied, dass die angegriffene Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB in Bezug auf die Ausgestaltung der Variabilität der Verzinsung der Spareinlagen unwirksam ist und dass die in den Prämiensparverträgen insoweit entstandene Regelungslücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu schließen ist.

Auf die Revision des Musterklägers hat er das Musterfeststellungsurteil des Oberlandesgerichts aufgehoben, soweit dieses keinen für die Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenzzinssatz bestimmt hat. Insoweit wurde die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dieser Sachverhalt wird nun durch ein Sachverständigengutachten zu klären sein.

Darüber urteilt der BGH, dass die Zinsanpassungen von der Musterbeklagten monatlich und unter Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz (Verhältnismethode) vorzunehmen sind. Er hat zudem entschieden, dass Ansprüche der Verbraucher*innen auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens mit Beendigung der Sparverträge fällig werden.

Die vom Musterkläger verfolgten Feststellungsziele zu Teilaspekten der Verjährung und Verwirkung hat er jeweils als unzulässig zurückgewiesen.

Mit dem Urteilspruch vom 06. Oktober 2021 werden nun Vorgaben zur Zinsberechnung gemacht, da der Abstand von einem Referenzzinssatz relativ und nicht absolut berechnet werden muss. Diese Ansicht weicht von dem ab, was bislang branchenüblich war.

Das OLG hatte der Klage lediglich in Teilen stattgegeben. Beide Parteien hatten daraufhin gegen das OLG-Urteil die zugelassene Revision eingelegt.

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