Richtungsweisendes Urteil des LG München I in Sachen Betriebsschließungsversicherung
Die zuständige auf Versicherungsrecht spezialisierte 12. Zivilkammer des LG München I hat jetzt in einem richtungsweisenden Urteil im zu entscheidenden Fall die Leistungspflicht der Versicherung festgestellt. Hier finden Sie die Pressemitteilung.
Dem zu entscheidenden Fall lagen Versicherungsbedingungen zugrunde wie sie in vergleichbar Formulierung von vielen Versicherern verwendet worden sind. Neben der Frage, ob die durch eine Allgemeinverfügung angeordnete Betriebsschließung eine Betriebsschließung im Sinne der Versicherungsbedingungen ist, ging es vor allem um die spannende Frage, ob eine Betriebsschließung wegen Covid 19 versichert ist, obwohl Covid 19 nicht in der Aufzählung meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger in den Versicherungsbedingungen enthalten gewesen ist.
Die Versicherung vertrat den Standpunkt, dass die Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger in den Versicherungsbedingungen abschließend sei. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die erfolgte Betriebsschließung wegen Covid 19 versichert gewesen ist obwohl Covid 19 in den Versicherungsbedingungen nicht explizit aufgeführt ist.
In den Versicherungsbedingungen befand sich unter Hinweis auf die §§ 6 und 7 IfSG eine Aufzählung verschiedener Krankheiten und Krankheitserreger. Trotz ausdrücklichen Verweises auf die gesetzlichen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes in den Versicherungsbedingungen entsprach die nachfolgend abgedruckte Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger gerade nicht der Auflistung des zitierten Gesetzes.
Das Landgericht München hat deshalb zu Recht festgestellt, dass eine solche Klausel, die sich zum einen für den Versicherungsnehmer erkennbar auf den Inhalt des Gesetzestextes bezieht, um dann auf der anderen Seite diesen aber nicht vollständig wiederzugeben intransparent und damit unwirksam ist. Dem ist zuzustimmen!
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwartet und kann erwarten, dass eine Versicherungsklausel die sich auf den Gesetzestext des Infektionsschutzgesetzes bezieht auch alle von diesem Gesetz umfassten Krankheiten und Krankheitserreger umfasst. Um den tatsächlichen Umfang des Versicherungsschutzes zu erfassen, müsste der Versicherungsnehmer sonst letztlich die Auflistung in den Versicherungsbedingungen Wort für Wort mit dem geltenden Gesetzestext abgleichen. Dies ist dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht zumutbar. Eine Klausel, deren Tragweite jedoch nur durch den wörtlichen Vergleich mit der gesetzlichen Vorschrift erkennbar ist, die sie selbst als Grundlage des Umfanges des Versicherungsschutzes zitiert, ist intransparent.
Richtungsweisend ist das Urteil des Landgerichts München I aus Sicht der Kanzlei Michaelis deshalb, da viele Bedingungswerke der verschiedenen Versicherungsgesellschaften genau diese Problematik enthalten, nämlich den vollständigen Gesetzestext für den Versicherungsumfang zitieren, dann aber in den Versicherungsbedingungen die im Gesetz enthaltenen Krankheiten nur teilweise wiedergeben mit der Behauptung, die wiedergegebenen Krankheiten und Krankheitserreger stellten eine abschließende Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger dar. Solche Versicherungsbedingungen halten einer AGB-rechtlichen Prüfung nicht stand und dürften unwirksam sein. Damit hat das Urteil über den hier entschiedenen Einzelfall hinaus ganz erhebliche Tragweite für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle nicht nur der hier verklagten Versicherungsgesellschaft sondern auch anderer Versicherungsgesellschaften.
Denn nicht nur die entsprechende Klausel in den hier zur Entscheidung vorliegenden Versicherungsbedingungen sondern auch die entsprechenden Klauseln vieler anderer Versicherungsgesellschaften dürften unter diesem Gesichtspunkt unwirksam sein. Dies haben wir bereits im letzten Monat in dem Artikel vom 14. September 2020 anhand eines konkreten Fallbeispiele detailliert aufgezeigt.
Spätestens jetzt sollten betroffene Versicherungsnehmer, deren Versicherung sich nach wie vor weigert den versicherten Betriebsschließung-Schaden zu regulieren, sich an einen mit der Materie vertrauten spezialisierten Rechtsanwalt wenden, um Ihre Ansprüche gegen die Versicherung genauestens prüfen zu lassen.
Dabei ist auch zu beachten, dass viele der von den verschiedenen Versicherungsgesellschaften angebotenen „15%-Vergleiche“ unwirksam sein dürften, so dass auch diejenigen Versicherungsnehmer, die sich bereits von ihrer Versicherungsgesellschaft zum Abschluss eines solchen „Kulanzangebotes“ haben drängen lassen, in vielen Fällen nach wie vor Anspruch gegen ihre Versicherungsgesellschaft auf Regulierung des vollständigen versicherten Schadens haben dürften. Auch diese Versicherungsnehmer sollten sich dringend an einen entsprechenden Anwalt wenden, um Ihre Ansprüche prüfen zu lassen. Nach Ansicht der Kanzlei Michaelis geht es um zu viel Geld um leichtfertig und ohne Grund darauf zu verzichten. Vielleicht ein guter Tipp für guten Kunden.
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