Beratungspflicht bezüglich Betriebsschließung wegen Corona?

In den Jahren der Corona-Pandemie hatten sich Gerichte deutschlandweit mit Klagen von Versicherungsnehmern auseinanderzusetzen, welche Leistungen aus ihrer Betriebsschließungsversicherung begehrten.

(PDF)
Microbilology and health risk concept with closeup of abstract realistic blue and light yellow virus cell on dark backlit background. 3D renderingMicrobilology and health risk concept with closeup of abstract realistic blue and light yellow virus cell on dark backlit background. 3D renderingWho is Danny – stock.adobe.com

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Jens Reichow, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

Viele Klagen scheiterten – insbesondere nachdem der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 26.1.2022 (Az.: IV ZR 144/21) den in vielen Versicherungsbedingungen enthaltenen Katalog der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger als abschließend betrachtet hat. Ungeklärt war jedoch die Frage, ob nicht auch eine Haftung des Versicherers in Bezug auf die Ausgestaltung des Versicherungsschutzes in Betracht käme. Mit dieser Frage hatte sich nunmehr das OLG Braunschweig mit Urteil vom 14.3.2023 (Az.: 9 U 28/22) auseinanderzusetzen.

OLG Braunschweig urteilt zur Frage der Beratungspflicht

Anlass für die Entscheidung des OLG Braunschweig war die Klage einer Versicherungsnehmerin, die vor Ausbruch der Corona-Pandemie ihren Versicherungsschutz beim Versicherer umgestellt hatte und dabei die neuen Versicherungsbedingungen des Versicherers akzeptiert hatte. Dabei kam es zu einer Änderung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger hin zu einem abgeschlossenen Katalog.

Nachdem der Versicherer nach Auftreten des Coronavirus Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung mit Verweis auf den geschlossenen Katalog der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger verweigert hatte, machte die Versicherungsnehmerin hilfsweise Schadensersatzansprüche nach § 6 VVG geltend und argumentierte, dass der Versicherer verpflichtet gewesen wäre, sie auf die Änderung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger hinzuweisen.

Das Landgericht wies die Klage der Versicherungsnehmerin ab. Sie legt daraufhin Berufung vor dem Oberlandesgericht ein. Das Oberlandesgericht Braunschweig wies die Berufung der Versicherungsnehmerin jedoch ebenfalls als unbegründet zurück, weil keine Beratungspflicht des Versicherers bestanden habe.

Keine Beratungspflicht bei Änderungen der allgemeinen Versicherungsbedingungen

Das OLG Braunschweig führte aus, dass für eine Beratungspflicht des Versicherers ein deutlich erkennbarer Anlass vorgelegen haben müsste. Diesbezüglich merkt das Oberlandesgericht jedoch an, dass der Grund des Abschlusses des neuen Vertrags in der Erhöhung der Versicherungssumme lag. Im Zuge dessen habe die Versicherungsnehmerin gegenüber dem Versicherer nicht angeführt, dass sie sich einen Schutz über die im Katalog aufgelisteten Erreger und Krankheiten hinaus wünsche. Demzufolge habe es keinen Anlass des Versicherers gegeben, die Versicherungsnehmerin über die Einführung des neuen Katalogs zu beraten.

Das Oberlandesgericht Braunschweig führt ferner an, dass schon generell keine Beratungspflicht des Versicherers nach § 6 Abs. 4 VVG über sämtliche Neuerungen bei der Änderung der allgemeinen Versicherungsbedingungen bestünde. Vielmehr müsse der Versicherungsnehmerin zugemutet werden, die geänderten allgemeinen Versicherungsbedingungen mit den vorherigen zu vergleichen.

Würde sie infolgedessen Fragen an den Versicherer stellen, könne dies zu einer Beratungspflicht des Versicherers führen. Dies sei aber nicht erfolgt. Der Versicherer habe dementsprechend auch keine Verletzung seiner Beratungspflicht begangen.

Fazit zum Urteil des OLG Braunschweig

Das Urteil des OLG Braunschweig überzeugt insoweit, als dass es nochmals betont, dass seitens des Versicherers eben nur eine anlassbezogene Beratungspflicht besteht. Danach besteht eben keine Pflicht des Versicherers, von sich aus auf jegliche möglichen Aspekte hinzuweisen. Dies gilt gerade für die Änderungen von Versicherungsbedingungen. Dazu ist auch anzumerken, dass die Versicherungsnehmerin durch die Umstellung der Versicherungsbedingungen nicht grundsätzlich schlechter gestellt worden ist.

Es wäre nämlich auch der Fall denkbar gewesen, dass sich der gesetzliche Katalog der unter das Infektionsschutzgesetz fallenden Krankheiten und Krankheitserreger nach Umstellung des Versicherungsvertrages hätte reduzieren können.

Infolge der Umstellung von einer dynamischen Verweisung hin zu einem geschlossenen Katalog der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger wäre die Versicherungsnehmerin dann sogar im Vorteil gewesen. Mit der Umstellung des Versicherungsvertrages war daher also nicht grundsätzlich eine Schlechterstellung verbunden.

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Anzugtraeger-Richterhammer-247116037-AS-memyjoAnzugtraeger-Richterhammer-247116037-AS-memyjomemyjo – stock.adobe.comAnzugtraeger-Richterhammer-247116037-AS-memyjomemyjo – stock.adobe.com
Assekuranz

Richtungsweisendes Urteil des LG München I in Sachen Betriebsschließungsversicherung

Die zuständige auf Versicherungsrecht spezialisierte 12. Zivilkammer des LG München I hat jetzt in einem richtungsweisenden Urteil im zu entscheidenden Fall die Leistungspflicht der Versicherung festgestellt. Hier finden Sie die Pressemitteilung.
Unschluessiger-Handwerker-91949180-AS-dbunnUnschluessiger-Handwerker-91949180-AS-dbunndbunn – adobe.stock.comUnschluessiger-Handwerker-91949180-AS-dbunndbunn – adobe.stock.com
Management

Corona-Pandemie: FAQs zur Betriebsschließungsversicherung

Wenn ein Betrieb wegen der Corona-Pandemie schließen muss, zahlt dann die Betriebsschließungsversicherung? Diese allgemeine Frage ist nicht einheitlich für alle unterschiedlichen Versicherungsverträge zu beantworten. Die zu beurteilenden Sachverhalte und die unterschiedlichen Versicherungsbedingungen können leider zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
Stuehle-auf-Tische-277436411-AS-maxdigiStuehle-auf-Tische-277436411-AS-maxdigimaxdigi – stock.adobe.comStuehle-auf-Tische-277436411-AS-maxdigimaxdigi – stock.adobe.com

LG München I bestätigt erneut Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen

Das Landgericht München I (12. Zivilkammer) musste sich wiederum mit der Frage befassen, ob eine den Versicherungsschutz einschränkende Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen unwirksam ist und einer Versicherungsnehmerin damit der geltend gemachte Leistungsanspruch gegen die Versicherung zusteht (LG München I v. 22.10.2020 – 12 O 5868/20).
Frau-schließt-Geschaeft-374862409-AS-alvaroFrau-schließt-Geschaeft-374862409-AS-alvaroalvaro – stock.adobe.comFrau-schließt-Geschaeft-374862409-AS-alvaroalvaro – stock.adobe.com
Produkte

CoVid-19 und die Regulierungspflicht in der BSV: ein Fallbeispiel zu genaueren Betrachtung, Teil 2

Auch im zweiten Teil zeigt Rechtsanwalt Boris-Jonas Glameyer am Beispiel der Helvetia Schweizerische Versicherungsgesellschaft AG auf, weshalb der Versicherer im Zuge der behördlich angeordneten Betriebsschließung wegen Covid-19 dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet ist.
Produkte

CoVid-19 und die Regulierungspflicht in der BSV: ein Fallbeispiel zu genaueren Betrachtung, Teil 1

Im Zuge der Corona-Pandemie sind eine Vielzahl von Betrieben ganz unterschiedlicher Branchen aufgrund von Allgemeinverfügungen oder Verordnungen zur Verhinderung der Weiterverbreitung des Coronavirus (Covid-19) geschlossen worden.
Maske-an-Tuerklinke-342368855-AS-MiaStendalMaske-an-Tuerklinke-342368855-AS-MiaStendalYakobchuk Olena – stock.adobe.comMaske-an-Tuerklinke-342368855-AS-MiaStendalYakobchuk Olena – stock.adobe.com
Urteile

LG Mannheim bestätigt Versicherungsschutz in der Betriebsschließungsversicherung

In einem einstweiligen Verfügungsverfahren äußerte sich das Landgericht Mannheim zu der Betriebsschließungsversicherung. So stellte das Gericht unter anderem klar, dass eine individuelle Schließungsverfügung für die einzelnen Hotels nicht erforderlich war.

Mehr zum Thema

Close up confused man having problem with phone, receive bad newsClose up confused man having problem with phone, receive bad newsfizkes – stock.adobe.comClose up confused man having problem with phone, receive bad newsfizkes – stock.adobe.com

Rückholanrufe ohne Kundeneinwilligung sind wettbewerbswidrig

Das Landgericht Hannover entschied, dass Anrufe und Mails an ehemalige Kunden, mit dem Ziel, diese zurückzugewinnen, wettbewerbswidrig sind, wenn keine ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Auch ein wettbewerbswidriges Verhalten des den Kunden neu betreuenden Maklers ändert daran nichts.

german lawyer with a robe and a bookgerman lawyer with a robe and a bookcameris – stock.adobe.comgerman lawyer with a robe and a bookcameris – stock.adobe.com

Keine Haftung des Versicherungsmaklers für fehlende Risikolebensversicherung

Das Oberlandesgericht Dresden stärkt die Rechte von Versicherungsmakler(innen) und hat entschieden, dass diese ohne besondere Umstände nicht verpflichtet sind, Kunden zum Abschluss einer Risikolebensversicherung zu raten. Der Fall betraf eine Klägerin, die ihren Versicherungsmakler verklagte, weil ihr verstorbener Ehemann keine ausreichende Absicherung im Todesfall hatte. Sie forderte einen Schadensersatz von 500.000 Euro.

Business problemBusiness problemstokkete – stock.adobe.comBusiness problemstokkete – stock.adobe.com

Großinsolvenzen steigen um mehr als ein Drittel, Schäden sind nahezu verdoppelt

Die Insolvenzen in Deutschland steigen an und der Trend dürfte sich durch die Rezession im Jahresverlauf fortsetzen. Bis Ende 2024 rechnet Allianz Trade für die Bundesrepublik mit einer Zunahme der Pleiten um 21 Prozent. Damit dürften die Fallzahlen Ende des Jahres etwa 15 Prozent über dem Niveau von 2019 und damit vor der Pandemie liegen. Erst in 2025 wird ein Abflachen der Zahlen erwartet.

Einbrecher-127452165-AS-Christian-DelbertEinbrecher-127452165-AS-Christian-DelbertChristian Delbert – stock.adobe.comEinbrecher-127452165-AS-Christian-DelbertChristian Delbert – stock.adobe.com

BGH stärkt Rechte der Versicherungsnehmer bei Einbruchdiebstählen

Der Bundesgerichtshof stärkt mit einem Urteil die Rechte der Versicherungsnehmer bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Hausratversicherung aufgrund von Einbruchdiebstählen.

Pharmaceutical sales representative presenting new product to doctors in holding tablet. Presenting new pharmaceutical product, drugs, medication.Pharmaceutical sales representative presenting new product to doctors in holding tablet. Presenting new pharmaceutical product, drugs, medication.Halfpoint – stock.adobe.comPharmaceutical sales representative presenting new product to doctors in holding tablet. Presenting new pharmaceutical product, drugs, medication.Halfpoint – stock.adobe.com

Die Zukunft ist digital: moderne Arztpraxen absichern

Die Fakten für einen modernen Praxisbetrieb und das unternehmerische Risiko unterscheiden sich nicht sehr von anderen hochtechnisierten (Dienstleistungs)unternehmen, die auch sensible Kundendaten verarbeiten und verwalten. Versicherungsmaklerbüros sollten diesen Status quo in ihrer Kundenberatung berücksichtigen.

Wolfgang-Riecke-2024-SHB-VersicherungWolfgang-Riecke-2024-SHB-VersicherungSHB Allgemeine Versicherung VVaGWolfgang-Riecke-2024-SHB-VersicherungSHB Allgemeine Versicherung VVaG

Elementar wichtig: Prävention in der Wohngebäudeversicherung

Die SHB-Versicherung hatte schon beim Relaunch ihrer Wohngebäudeversicherung ankündigt, Schadenprävention noch stärker zu unterstützen. Vorstand Wolfgang Rieke erklärt dazu, dass der Versicherer aus Königswinter dafür mit dem Heidelberger Start-up Enzo kooperiert.