Zu den vom Bundeskabinett beschlossenen Maßnahmen zur Einhaltung der Sozialgarantie erklären die Verwaltungsratsvorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes Uwe Klemens und Dr. Volker Hansen:
Die mit dem Gesetzentwurf zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege vorgelegten Maßnahmen zur Einhaltung der „Sozialgarantie 2021“ sind sozial unausgewogen und zudem ein massiver Eingriff in die Autonomie der Selbstverwaltung. Die Bereitstellung von nur fünf Milliarden Euro aus Bundesmittel ist unzureichend, die einseitige Belastung der Beitragszahlenden ist nicht gerechtfertigt.
Für das Jahr 2021 wird eine Finanzierungslücke von 16,6 Milliarden Euro erwartet.
Ursächlich sind die Auswirkungen der Pandemie auf Einnahmen und Ausgaben der GKV sowie die zahlreichen Ausgaben steigernden Reformgesetze der letzten Jahre. Damit der Gesamtsozialversicherungsbeitrag in der aktuellen Krise nicht über 40 Prozent steigen wird, hatte die Bundesregierung für das Jahr 2021 eine „Sozialgarantie“ ausgesprochen. Konkret wurde zugesichert, dass die Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen der „Sozialgarantie 2021“ bei maximal 40 Prozent stabilisiert werden, indem darüber hinaus gehende Finanzbedarfe aus dem Bundeshaushalt gedeckt würden.
Der Gesetzentwurf sieht nun vor, dass die Mittel zur Einhaltung der Sozialgarantie nur zu einem kleineren Teil aus Steuern gezahlt werden. Nach dem Entwurf der Regierung sollen jetzt nur fünf der benötigten 16,6 Milliarden Euro vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Die Hauptlast sollen die Versicherten und Arbeitgeber schultern. Drei Milliarden Euro sollen sie durch höhere Zusatzbeiträge ab Januar 2021 aufbringen; acht Milliarden Euro sollen den aus Beiträgen gebildeten Rücklagen der einzelnen Krankenkassen entnommen werden. In Summe sollen Versicherte und Arbeitgeber also mit elf Milliarden Euro die Hauptlast der Pandemiefolgen tragen. Angesichts der Herausforderungen, die die Corona-Krise auch in wirtschaftlicher Hinsicht an die gesamte Gesellschaft stellt, ist diese einseitige Belastung nicht akzeptabel.
Die vorgesehene Abführung von acht Milliarden Euro aus dem Vermögen der einzelnen Krankenkassen stellt zudem einen massiven Eingriff in die Finanzautonomie der selbstverwalteten gesetzlichen Krankenversicherung dar. Zudem wird ein fatales Signal an die Krankenkassen gesendet, die Rücklagen in rechtlich zulässiger und wirtschaftlich vorausschauender Weise gebildet haben. Die Erkenntnis, dass die Erträge wirtschaftlichen und sparsamen Handelns sowie einer im Sinne der Versichertengemeinschaft vorausschauenden, langfristigen Finanzplanung mit einem Federstrich konfisziert werden können, setzt letztlich starke Fehlanreize für zukünftiges Kassenhandeln.
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind dringend aufgefordert, den vorgelegten Entwurf in wesentlichen Punkten nachzubessern, um eine nachhaltige finanzielle und strukturelle Schwächung der gesetzlichen Krankenversicherung mit diesem massiven Eingriff in die Finanzautonomie der Selbstverwaltung zu verhindern.
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