Für viele Sparer hat die jüngste Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) bereits spürbare Auswirkungen. Mindestens 54 Kreditinstitute haben im Juni ihre Tagesgeldzinsen gesenkt; darunter befinden sich auch 19 Geldhäuser, die schon zuvor kaum Zinsen zahlten.
Im Marktdurchschnitt setzte sich der Trend moderat sinkender Tagesgeldzinsen fort. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse des Vergleichsportals Verivox.
Zinssenkungen bei 7 Prozent aller Banken
Mindestens 54 Banken und Sparkassen haben im Juni ihre Tagesgeldzinsen gesenkt. Dem gegenüber stehen nur drei Institute, die ihre Tagesgeldzinsen im Untersuchungszeitraum erhöht haben. Ausgewertet wurden die angebotenen Tagesgeldzinssätze am 1. Juni und am 1. Juli 2024. Bei insgesamt 767 Kreditinstituten ließen sich für beide Stichtage die Tagesgeldzinsen ermitteln. 7 Prozent dieser Geldhäuser haben im Auswertungszeitraum ihre Zinsen gesenkt.
Von den Kreditinstituten mit Zinssenkungen haben 22 ihre Tagesgeldzinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt – also in derselben Höhe wie die EZB ihre Leitzinsen. Bei 30 Geldhäusern fielen die Zinssenkungen niedriger aus (zwischen 0,05 und 0,23 Prozentpunkte), zwei haben ihre Tagesgeldzinsen noch stärker als um einen Viertelprozentpunkt gesenkt.
Mehrere Anbieter mit hohen Zinsen haben schnell reagiert
Auffällig ist, dass sich unter den Banken mit Zinssenkungen überproportional viele bundesweit aktive Banken befinden. 14 von insgesamt 86 überregionalen Banken in der Auswertung haben im Juni ihre Zinsen gesenkt. Das entspricht einem Anteil von 16 Prozent. Fast alle Zinssenkungen in diesem Segment entfallen auf Kreditinstitute, die überdurchschnittlich hohe Zinsen zahlen. Elf der 14 Banken bieten ihren Sparern auch nach der Zinssenkung immer noch zwischen 2,25 und 3,75 Prozent Zinsen aufs Tagesgeld.
„Bei den Banken, die im Marktvergleich besonders hohe Zinsen zahlen, sind die Margen teilweise so knapp kalkuliert, dass die Kreditinstitute auf die veränderten Marktbedingungen durch die Leitzinssenkung zügig reagieren und ihre Zinsen senken mussten“, erklärt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH.
Zinssenkungen auch bei Banken mit Niedrigzinsen
Im Verhältnis zur Größe ihrer Marktsegmente gab es bei den regionalen Kreditinstituten seltener Zinssenkungen: Von 314 ausgewerteten Sparkassen haben 17 im Juni ihre Tagesgeldzinsen gesenkt, was einem Anteil von gut 5 Prozent entspricht. Von den 367 regionalen Genossenschaftsbanken in der Auswertung haben gut 6 Prozent (23 Banken) ihre Zinsen gesenkt.
Dafür befinden sind unter den Banken mit Zinssenkungen im regionalen Sektor auch eine ganze Reihe Geldinstitute, bei denen Sparer schon zuvor kaum Tagesgeldzinsen erhalten haben. So haben je neun Sparkassen und neun Genossenschaftsbanken, die ihren Kunden bereits Anfang Juni lediglich Niedrigzinsen unter 1 Prozent geboten hatten, ihre Tagesgeldzinsen nun nochmals reduziert.
„Aus Sicht der Sparer ist es ärgerlich, wenn ausgerechnet Banken, die ohnehin wenig Zinsen zahlen, ihre Konditionen nun bei erster Gelegenheit noch tiefer in den Keller drücken“, sagt Oliver Maier. „Bei den betreffenden Geldhäusern haben Tagesgeldanleger von den historisch hohen Zinsen der letzten Monate kaum profitiert, zählen nun aber zu den ersten, die Zinssenkungen hinnehmen müssen. Das passt nicht gut zusammen.“
Durchschnittszinsen sinken moderat
Durch die Zinssenkungen sind auch die durchschnittlichen Tagesgeldzinsen im Juni weiter gefallen. Bundesweit verfügbare Tagesgeldangebote bringen im Schnitt aktuell 1,70 Prozent Zinsen, was einer moderaten Senkung um 0,02 Prozentpunkte entspricht. Bei den Sparkassen sind die Durchschnittszinsen im Juni konstant geblieben, im genossenschaftlichen Sektor sanken sie ebenfalls um 0,02 Prozentpunkte. Ebenso wie bei den Sparkassen erhalten Tagesgeldanleger hier aktuell noch 0,63 Prozent Zinsen.
Oliver Maier erklärt, warum die Tagesgeldzinsen in der Breite des Marktes bislang nicht stärker sinken: „Vor allem unter den überregionalen Banken wird der Wettbewerb um Kundinnen und Kunden sehr intensiv geführt. Wer keine Spargelder an die Konkurrenz verlieren will, muss bei Konditionsanpassungen Augenmaß walten lassen. Bei vielen Sparkassen und Volksbanken hingegen sind die Tagesgeldzinsen ohnehin schon so niedrig, dass ihre Gewinnspannen auch nach der Leitzinssenkung noch groß genug sind. Sie haben keinen Druck, die niedrigeren Zinsen unmittelbar an ihre Kunden durchzureichen.“
Methodik
Für die Analyse hat Verivox die Tagesgeldzinsen von insgesamt 767 Banken und Sparkassen für eine Anlagesumme von 10.000 Euro ausgewertet. Berücksichtigt wurden alle Kreditinstitute, die ihre Konditionen frei zugänglich online veröffentlichen, so dass sowohl am 1. Juni als auch am 1. Juli 2024 die jeweils geltenden Tagesgeldzinsen erhoben werden konnten. Nicht alle Banken weisen ihre Konditionen transparent auf ihrer Internetseite aus. Tatsächlich könnte es also weitere Geldhäuser mit Zinssenkungen geben.
Im regionalen Sektor wird zwischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken unterschieden. In beiden Institutsgruppen gibt es einzelne Häuser, die ihre Sparprodukte deutschlandweit anbieten und deshalb den bundesweit verfügbaren Angeboten zugeordnet wurden. Zur Gruppe der Genossenschaftsbanken zählen die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die PSD- und Sparda-Banken.
Hintergrundinformationen
Themen:
LESEN SIE AUCH
Inflation frisst Sparzinsen auf – Festgeld-Realzins wieder negativ
Festgeld bringt Sparerinnen und Sparern im Durchschnitt nicht mehr genug Rendite, um die Inflation auszugleichen. Laut einer aktuellen Verivox-Auswertung liegt der Realzins erstmals seit einem Jahr wieder im negativen Bereich. Dennoch gibt es Möglichkeiten, sich gegen den schleichenden Wertverlust zu schützen.
Festgeldzinsen erreichen Tiefststand – Atempause beim Tagesgeld
Die Festgeldzinsen sind auf den tiefsten Stand seit mehr als einem Jahr gesunken. Bundesweit verfügbare Angebote mit zwei Jahren Laufzeit bringen im Schnitt 2,68 Prozent Zinsen. - der niedrigste Stand seit Mai 2023. Anders beim Tagesgeld – hier hatten sich die Banken eine Atempause verordnet und die Zinsen weitestgehend konstant gehalten.
Festgeldzinsen: Talsohle vorerst erreicht – kurze Laufzeiten bringen im Schnitt noch 3 Prozent
Seit ihrem Höhepunkt sind die Festgeldzinsen spürbar gesunken. Doch nun scheint die Talsohle vorerst erreicht, wie eine aktuelle Verivox-Auswertung zeigt.
Tagesgeld: Jede fünfte Bank zahlt lediglich Null- oder Niedrigzinsen
Obwohl die Leitzinsen seit fast sechs Monaten auf einem Rekordhoch stehen, zahlt gut ein Fünftel aller Banken und Sparkassen nach wie vor entweder gar keine oder allenfalls Niedrigzinsen aufs Tagesgeld.
Festgeldzinsen unter 3 Prozent, Tagesgeld stagniert
Trotz sinkender Zinsen ist der Zeitpunkt für Festgeldanlagen aktuell noch günstig. Doch das Zeitfenster schließt sich, wie eine aktuelle Auswertung des Vergleichsportals Verivox zeigt.
Zinsen für Festgeld und Tagesgeld sinken
Viele Banken und Sparkassen haben nach der letzten Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank ihre Zinsen für Festgeld und Tagesgeld reduziert.
Finanzentscheidungen in Partnerschaften: Wer hat das Sagen?
Männer und Frauen bewerten ihre Finanzverantwortung unterschiedlich – eine Verivox-Umfrage zeigt große Wahrnehmungsunterschiede.
Fondskongress 2025 in Mannheim: Neue Trends und alte Herausforderungen
Der Fondskongress 2025 hat einmal mehr bewiesen, dass die Investmentbranche im stetigen Wandel ist. Zwei Tage lang trafen sich führende Experten, Finanzberater und Asset Manager im Congress Center Rosengarten in Mannheim, um über die Zukunft der Finanzwelt zu diskutieren.
Finanzplanung auf dem Tiefpunkt: Nur 26 Prozent der Deutschen planen ihre Finanzen aktiv
Die finanzielle Absicherung wird in Zeiten unsicherer Rentensysteme und wachsender Altersarmut immer wichtiger. Dennoch haben nur 26,3 Prozent der Menschen in Deutschland einen Finanzplan für 2025, wie eine aktuelle Umfrage der LV 1871 zeigt.
Die beliebtesten Geldanlagen 2024/2025
Immobilien, Tagesgeld, Gold und Fonds sind die Favoriten der Deutschen für das kommende Jahr. Sicherheit bleibt der wichtigste Faktor bei der Geldanlage.
Revolut startet kostenfreie ETF-Sparpläne in Deutschland
Das Fintech Revolut bietet seinen Kunden in Deutschland ab sofort die Möglichkeit, kostenfreie ETF-Sparpläne zu nutzen. Damit erweitert das Unternehmen sein Angebot im Bereich Kapitalmarktanlagen.
Wie Edelmetalle als Krisenversicherung für Selbstständige dienen können
Wie Edelmetalle Selbstständigen dabei helfen können, ihr Kapital zu sichern und in Krisenzeiten stabil zu bleiben, erklärt Heyla Kaya im Gastbeitrag.