Hinterfragt: Herausforderungen, Wettbewerb, Transformation, Erfolg

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Der Wirtschaftsstandort Deutschland steht vor der gewaltigen Aufgabe, gegenwärtige Krisen sowie die Anforderungen der Transformation zu bewältigen. Keinesfalls nacheinander, sondern im Gleichschritt. Beide Themen haben auch für die Versicherungswirtschaft ein existenzielles Ausmaß. Nicht nur für große Player oder Produktanbieter. Auch Maklerunternehmen müssen sich den Aufgaben stellen, wollen sie erfolgreich bleiben. In diesem Umfeld finden durch geplante und ungeplante Nachfolgeregelungen große Veränderungen statt.

Darüber, wie der Wandel gelingen kann, sprechen wir mit Dr. Peter Schmidt von Consulting & Coaching.

Herr Dr. Schmidt, wie empfinden Sie als langjähriger Branchenkenner mit Ihren Erfahrungen aus unterschiedlichsten Blinkwinkeln das aktuelle Stimmungsbild?

Wie in jeder komplizierten Situation im Leben gibt es bei vielfältigen Transformationsprozessen Herausforderungen, Chancen und Risiken, von denen auch die Vermittler von Versicherungen und Finanzdienstleistungsprodukten nicht verschont bleiben. Dazu zählen die Folgen der demografischen Entwicklungen genauso wie die seit Jahren anhaltende Finanzkrise, die mit den Auswirkungen der Inflation auf Kunden, Produktanbieter und Vermittler eine neue Dimension erreicht hat.

Veränderungsprozesse erzeugen Angst und Befürchtungen, besonders bei Vermittlern mit kleineren Umsatzgrößen und fortgeschrittenem Lebensalter. Hier häuft sich dann der Veränderungsdruck durch die Komplexität aus notwendiger Digitalisierung, Optimierung des Workflows, verändertem Kundenverhalten und zahlreichen anderen Faktoren. Bei jüngeren Vermittlern verspüre ich eher eine deutliche Aufbruchstimmung, da meist eine grundlegend modernere Basis für die Geschäftsprozesse gelegt wurde. Hier gilt: Digitalisierung, moderner Workflow und Kundengewinnung über soziale Medien – alles kein Problem.

Wer aus der Vergangenheit lernt, rüstet sich für die Zukunft. Mit Blick auf die Maklerschaft: Was waren die größten Versäumnisse der Vergangenheit?

Leider hat es die Branche nicht geschafft, eine einheitliche Basis für grundlegende Prozesse zu schaffen. Zum Beispiel das „Problem“ Datentransfer zwischen Produktgeber, Dienstleister und unabhängigem Vermittler. Seit Jahren quält sich die Branche mit mangelhaften Standards wie GDV-Datentransfer und BiPro herum. Obwohl vieles besser wurde, fehlt nach wie vor ein durchgängig normierter Prozess.

Doch zurück zur Frage. Neben den Schwächen bei digitalen Prozessen vor allem zwischen Produktgebern und Vermittlern sehe ich aufseiten der Versicherungsmakler selbst weitere Ansätze. Der Weg vom guten Verkäufer und Kümmerer um die Kunden hin zum Unternehmer ist vielfach nicht gelungen, was durchaus eine Quittung der Vergangenheit für die Integration vieler Seiteneinsteiger in die Maklerschaft ist.

Selbst die aktuellen Sachkundeprüfungen wären aus meiner Sicht um den Bereich „Unternehmerische Fähigkeiten“ stärker zu ergänzen. Im Alltag sehe ich als spezialisierter Unternehmensberater bei meinen Maklermandaten einen deutlichen Entwicklungsbedarf rund um Strategieentwicklung, Personalführung, Zeitmanagement oder Workflow-Optimierung, um nur einiges zu nennen.

Aktuell brechen durch die wirtschaftliche Entwicklung gewachsene Bestands(firmen)kunden weg, das Recruiting für neue Mitarbeitende ist kaum leistbar und gleichzeitig soll das Unternehmen strategisch aufgestellt werden. Wie können sich Makler in dieser facettenreichen Phase behaupten?

Natürlich entsteht durch die wirtschaftlichen Entwicklungen auch ein Schwund von Bestands- und Firmenkunden, denn Branchen verändern sich teilweise radikal. Dazu kommen die Auswirkungen der inflationären und geopolitischen Entwicklungen. Ein Maklerunternehmen, das sich zu stark auf bestimmte Branchen oder Kundenzielgruppen konzentriert, kann darunter enorm leiden, wenn nicht schnell diversifiziert werden kann.

Diese Erfahrungen wurden schon während der Coronazeit gemacht. Maklerunternehmen, deren Schwerpunkte auf Einzelhandel, Gastronomie oder Hotellerie lagen, stellten fest, wie nachteilig eine Spezialisierung sein kann. Dies gilt generell für sehr intensive Spezialisierungen – dazu einige Beispiele:

Ein PKV-Spezialmakler muss wissen, dass eine neue Gesetzgebung das Geschäftsmodell in enorme Schwierigkeiten bringen kann. Ein Spezialmakler für bAV muss sich auf einen möglichen Worst Case für Provisionseinschränkungen oder ein gesetzlich verordnetes bAV-Modell ohne Vermittler einstellen.

Der Spezialmakler für die Versicherung von Stahl -und Kohlekraftwerken muss jetzt neue Kundenzielgruppen suchen. Deshalb empfehle ich eine Diversifizierung der Zielgruppen und die Basis für den Umsatz zu erweitern. Letzteres können auch erweiterte Services gegen Servicepauschalen oder die Öffnung gegenüber dem Segment online verkaufter Produkte sein.

Wettbewerbsfähigkeit ist für jedes Maklerunternehmen die Grundlage für einen langfristigen Erfolg: Was ist zu tun, um optimal aufgestellt zu sein?

Neben den genannten technischen Basics sind eine Vision und Ziele gefragt, um sich für potenzielle Kunden vom Markt zu unterscheiden. Für eine nachhaltige, zukunftssichere Positionierung zählen neben dem digitalisierten Workflow ein zu der/den Zielgruppe(n) passendes Beratungs- und Vermittlungskonzept, moderne Kommunikationsformen und klare Vorstellungen, wie langfristige Kundenbindungen zu gestalten sind. Das gelingt dann am besten, wenn Kunden möglichst in allen wesentlichen Bereichen selbst oder in Verbindung mit Kollegen über Kooperationen beraten werden.

Lassen Sie uns den demografischen Wandel in die Waagschale werfen. Dieser trifft Maklerbetriebe, ungeachtet des Alters, mit voller Wucht. Welche Aspekte wirken sich maßgeblich auf die Pläne der Unternehmensnachfolge aus?

Mit der Unternehmensnachfolge sind Maklerbetriebe nicht allein, wie Statistiken der IHKen für Klein- und mittelständische Unternehmen regelmäßig zeigen. Nur jeder Zehnte hat ein Konzept dafür. Beginnen sollte man zunächst mit der Notfallplanung, da der Verlust der Grundfähigkeiten, eine schwere Erkrankung oder der plötzliche Tod keine Frage des Alters sind. Zudem muss sich jeder Unternehmer fragen, wann der planmäßige Ruhestand beginnt und wie der „Lohn“ für das Lebenswerk aussehen soll.

Antworten darauf fallen meist unterschiedlich aus. Zum einen liegt das an unterschiedlichen Vorstellungen zum Zeitpunkt des Ruhestandes und zum anderen an den finanziellen Erwartungen in Verbindung mit der Veräußerung des Lebenswerkes. Sind diese definiert, ist es Zeit, sich über die diversen Nachfolgeformen umfassend zu informieren und beraten zu lassen.

Bei Nachfolgeregelungen treffen oft unterschiedlichste Vorstellungen der Käufer- und Verkäuferseite aufeinander. Worauf soll/muss in fordernden Zeiten das Hauptaugenmerk liegen?

Die Ratschläge für beide Seiten können unterschiedlich sein. Verkäufern rate ich, sich rechtzeitig über den Zeitpunkt der Nachfolge Gedanken zu machen und eine Wertermittlung mit Stärken und Schwächen des Bestandes oder der Maklerfirma erstellen zu lassen. Daran kann bis zur Übergabe gearbeitet werden. Käufer sollten sich vor allem mit der Finanzierung unter den aktuell schwierigeren Rahmenbedingungen und mit einem Konzept sowie den Ressourcen für die Betreuung des neuen Bestandes beschäftigen.

Wie sehen derzeit die größten Hürden aus?

Im Grunde sind die Herausforderungen die gleichen wie vor zwei oder drei Jahren – bis auf die geänderten Darlehenskonditionen durch deutlich gestiegene Zinsen. Das führt zu einer kritischeren Sicht der Käufer auf das Kaufobjekt mit seinen quantitativen und qualitativen Faktoren.

Für Verkäufer wird es schwieriger, einen guten Preis zu erzielen. Beiden Seiten ist nur zu empfehlen, sich im Verkaufsprozess von einem unabhängigen Spezialisten beraten zu lassen. Eine fachkompetente Moderation erleichtert die Übergabe, spart Zeit und hilft, Fehler zu vermeiden.

Umfangreiche Anforderungen und/oder kritische Umstände bergen nicht nur Risiken. Welche Chancen sehen Sie?

Bleiben wir zunächst beim Verkäufer: Der rechtzeitige Start für die Vorbereitung einer Nachfolge kann die Qualität der Beratung, der Arbeitsprozesse und der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen auf ein neues Niveau führen. All das wirkt sich direkt auf den Preis aus.

Für Käufer gibt es neben den beschriebenen Hürden aus dem Kauf eines unbekannten Bestandes sowie der Refinanzierung eines möglichen Darlehens die Chance, über anorganisches Wachstum die Marktposition, die Zukunftsfähigkeit und die Effektivität des eigenen Unternehmens zu steigern. Daraus ergeben sich weitere Möglichkeiten für eine neue, produktivere Arbeitsteilung im Unternehmen des Käufers.

Mit Blick auf den geballten Erfahrungsschatz aus Ihren vielen Projekten: Welche Vorgehensweise empfehlen Sie für eine erfolgreiche Umsetzung?

Meine Empfehlungen kurz und knapp: 1. Einen Notfallplan erstellen, sollte er fehlen. 2. Den Bestand oder das Unternehmen bewerten lassen, um Stärken und Schwächen zu ermitteln, an denen bis zur Übergabe gearbeitet werden kann. 3. Die individuell passende Nachfolgeform auswählen und verfolgen. 4. Käufer auswählen. 5. Einen soliden Kaufvertrag vorbereiten und zum Abschluss bringen.

Apropos Zukunft: Nachhaltigkeit ist einer der Faktoren schlechthin, den Sie persönlich sehr unterstützen. Welches (Wachstums-)Potenzial bietet Nachhaltigkeit für die Kundenberatung?

Wie in der gesamten Volkswirtschaft werden es nicht nachhaltig arbeitende Unternehmen immer schwerer haben. Ein Maklerunternehmen, das den Großteil seiner Einkünfte beispielsweise nur aus Abschlusscourtagen bezieht, unterliegt mehreren – auch existenzgefährdenden – Risiken.

Ähnlich verhält es sich auf Kundenseite. Jeder sieht, wie viele Kunden im Supermarkt nach Ökoprodukten greifen oder wie die Einstellung vor allem junger Kunden zu Ernährungs- und Lebensweisen im Wandel ist. Wer weiter wie vor zehn oder 20 Jahren berät, wird dauerhaft Nachteile für seine Kunden und damit für sich nicht vermeiden können.

Und was gibt es Neues in Verbindung mit Ihrem Engagement?

Zunächst habe ich von jeher eine positive Einstellung zu Klimaschutz, Natur und nachhaltiger Geschäftsentwicklung. „Push und weg“ war nie meine Sache. Deshalb habe ich vor circa drei Jahren mein Geschäftsmodell stärker auf Nachhaltigkeit eingestellt und ein Konzept für die Beratung von Maklern auf dem Weg zur Nachhaltigkeit und dem „Green Office“ entwickelt.

Das auch mit der Vergabe eines Nachhaltigkeitssiegels verbunden werden kann. Zusätzlich entstand im Jahr 2022 das Engagement im IKV e. V. – wir fördern Umweltprojekte wie den Schutz der Moore und bereiten aktuell ein neues Projekt zum Schutz und Wiederaufbau von Seegraswiesen in der Ost- und Nordsee vor.

Die Versicherung der Zukunft: Welche Erwartungen haben Verbraucher und Verbraucherinnen?

Persönlich sehe ich Unterschiede bei den Vorstellungen der Politik, den Möglichkeiten aus den technischen Entwicklungen und den Kundenwünschen selbst. Die Politik steuert einen Kurs gegen unabhängige Vermittler. Das ist nicht gut.

Es ist das Engagement aller Makler nötig, um zu zeigen: Bester Verbraucherschutz sind unabhängige Vermittler. Und DEN Kunden mit DEN Erwartungen gibt es nicht mehr. Vielmehr ist der allgemeine Trend im Konsum- und Kundenverhalten mit teils digitalen Abschlüssen und persönlicher Beratung hybrid. Gelingt es Maklerinnen und Maklern, vollumfänglich für den Kunden da zu sein und die Rolle als Ratgeber, Vermittler und servicestarker Kümmerer auszugestalten, kommen wir der Verbrauchererwartung schon nahe.

Ich bezeichne das gerne als digitalen, persönlichen Weg: Digital alles anbieten, was für den Makler technisch möglich ist: Kunden-App, Online-Beratung, Online-Abschlüsse, Kundenportal oder Online-Versicherungsordner. Aber verknüpft mit hochwertiger persönlicher Kundenberatung bei komplexen und individuellen Beratungsanlässen.

Und wie kann die Branche diese Erwartungshaltung grundsätzlich und in puncto Vertrauensbildung erfüllen?

Glücklicherweise starten wir nicht bei null. Auch wenn bestimmte Umfragen ergeben, die Branche würde auf der Stelle treten. Natürlich kann ein ganzer Forderungskatalog aufgemacht werden, was noch besser sein könnte. Deshalb bleibe ich bei den Maklern selbst: Fragen Sie häufiger nach Kundenbewertungen zu Ihrer Beratungs- und Vermittlungsleistung.

Machen Sie es wie Online-Portale, die unmittelbar nach der erbrachten Leistung eine Bewertung abfragen und diese veröffentlichen. Daraus kann ein eigenes Kundenbindungsprogramm entstehen, wenn Kunden für eine Bewertung oder Empfehlung eine Aufmerksamkeit als Belohnung erhalten.

Das spricht sich herum, festigt das Image des Maklers und trägt von der Basis aus zum immer besseren Ansehen unserer Branche bei. Unsere wichtigsten Pfunde im Wettbewerb sind neben den kaufmännischen Tugenden, die Kundenerwartungen zu erfragen, Zuhören, kompetente Empfehlungen und zuverlässiger, moderner Service. Daraus entsteht Vertrauen.

Herr Dr. Schmidt, vielen Dank für das Gespräch!