Drei von fünf Erwerbstätigen in Deutschland berichten bereits über Folgen eines Mangels an Personal und Fachkräften in ihren Unternehmen. Häufigstes Resultat: steigende Arbeitsbelastung, stockende Arbeitsabläufe und -prozesse und als Folge eine wachsende Bereitschaft zum Jobwechsel. Fast jeder zweite Arbeitnehmer fühlt sich im Unternehmen nicht gefördert und kann keine Aufstiegschancen erkennen. Mit einer gezielten Personalstrategie können Unternehmen Mitarbeiterbindung intensivieren sowie Gewinnung neuer Talente vorantreiben.
„Der Fachkräftemangel ist inzwischen im Herzen der deutschen Wirtschaft angekommen und wird sich in den kommenden Jahren durch das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge noch verstärken. Das stellt Unternehmen vor gewaltige Herausforderungen in puncto Leistungsfähigkeit, Prozesssicherheit und Kundenservice.“ erläutert Jens Warkentin, Vorsitzender des Vorstands der HDI Deutschland AG.
Gute Personalarbeit entscheidend für Unternehmen
Korrelationsanalysen innerhalb der HDI Berufe-Studie 2023 beweisen interessante Zusammenhänge. So sagen Beschäftigte, die sich von ihrem Arbeitgeber gefördert fühlen, weit häufiger als Beschäftigte, die sich nicht gefördert fühlen, dass ihnen „der Beruf viel bedeutet“ (58 Prozent zu nur 37 Prozent) und sie ihn „als sinnstiftend empfinden“ (57 Prozent zu 38 Prozent). Ebenfalls nehmen sie den digitalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft viel häufiger als hilfreich an (63 Prozent zu 42 Prozent) und trauen auch dem mobilen Arbeiten deutlich öfter bessere Ergebnisse zu (48 Prozent zu 37 Prozent).
„Die aktuelle HDI Berufe-Studie zeigt, welche strategische Bedeutung Personalarbeit für den Geschäftserfolg hat", erläutert Caroline Schlienkamp, Personalvorständin der HDI Group und Vorstandsmitglied der Talanx AG. Erst wenn die Menschen spüren, dass ihr Unternehmen auf sie setze, sie fördere und weiterentwickele, entstehen starke Bindungen. Sie rät: Die Ergebnisse sollten Arbeitgeber als Chance begreifen: Unternehmen mit einer nachhaltigen und gezielten People-&-Culture-Strategie erarbeiten sich Vorteile im Wettbewerb um die besten Talente.
Kündigung bei schlechten Vorgesetzten
Exakt jeder zweite Angestellte in Deutschland würde wegen schlechten Vorgesetzten kündigen, bei den unter 40-Jährigen sogar 56 Prozent (45 Prozent bei Älteren). Frauen sind dabei entschlossener als Männer (53 Prozent zu 48 Prozent) und in Westdeutschland sind mehr zur Kündigung bereit als im Osten (51 Prozent zu 47 Prozent). Interessant ist dabei: Die Gehaltshöhe hat auf die Kündigungsbereitschaft nahezu keine Auswirkung.
Nachlassende Berufsbindung
Zum ersten Mal sagen weniger als die Hälfte aller Erwerbstätigen in Deutschland, dass ihnen „der Beruf viel bedeutet“ (47 Prozent). Das ist der niedrigste Wert seit Start der jährlichen HDI Berufe-Studie 2019. Allein gegenüber 2022 (58 Prozent) ist das ein Rückgang um rund ein Fünftel. Weniger als die Hälfte stimmen inzwischen auch der Aussage zu, dass „sie sich ein Leben ohne Beruf nicht vorstellen können.“
Interessant dabei: Die Berufsbindung der 30- bis 44-Jährigen (entspricht ungefähr der „Generation Y“) ist inzwischen die niedrigste aller Generationen. Nur rund jeder Dritte (37 Prozent) will hier beispielsweise noch der Aussage zustimmen, „dass einen Beruf auszuüben mir mehr bedeutet, als damit Geld zu verdienen“. Das ist der niedrigste Wert im Alters-Vergleich. Selbst in der Generation der 15- bis 29-Jährigen (annähernd die „Generation Z“) liegt die Zustimmung mit 41 Prozent noch signifikant höher.
Höhere Entlohnungen und 4-Tage-Woche im Fokus
Die größte Sorge der Erwerbstätigen beim Personalmangel in Deutschland ist, dass die Gesundheit der Beschäftigten und das Arbeitsklima Schaden nehmen (35 Prozent). Als zweitgrößte Sorge gilt aber schon, dass es zu einem Wissensverlust („Brain drain“) kommt, weil Mitarbeiter nicht oder nur verzögert ersetzt werden und so ihre Kenntnisse nicht weitergeben können (29 Prozent).
Als beste Maßnahme für Unternehmen, sich im Wettbewerb, um Personal durchzusetzen, nennen die Beschäftigten eine höhere Entlohnung (46 Prozent). Es folgt die Einführung der 4-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich (30 Prozent) und jeder Vierte nennt auch mehr Benefits neben dem Gehalt wie etwa Betriebsrenten oder Bonussysteme (25 Prozent).
Etwa jeder dritte Beschäftigte (37 Prozent) gibt aktuell an, heute in dem Beruf zu arbeiten, den er sich immer gewünscht und daher angestrebt habe. Auffällig ist der große Unterschied zwischen Selbständigen (46 Prozent im Traumberuf) und Angestellten (36 Prozent). Auch zwischen Beschäftigten in Teilzeit (29 Prozent) und in Vollzeit (39 Prozent) ist die Differenz groß. Zudem steigt das Empfinden der Arbeit als Traumberuf signifikant mit wachsendem Einkommen. Mit steigendem Lebensalter nimmt es dagegen ab.
Unter Lehrern und Ausbildern erreicht die Traumberuf-Quote mit 59 Prozent den höchsten Wert aller Berufsgruppen. Auch unter Medizinern und IT-Kräften arbeiten mit jeweils 44 Prozent überdurchschnittlich viele in ihrem „Traumberuf“. Bei Beschäftigten im Sicherheits- und Reinigungsgewerbe ist das hingegen nur zu 20 Prozent der Fall. Sie bilden damit das Schlusslicht unter allen Berufsgruppen.
Starkes Interesse am Arbeiten im Rentenalter
Höhere Entlohnung (26 Prozent) und die 4-Tage-Woche (25 Prozent) sind auch die am häufigsten genannten Bedingungen, unter denen Beschäftigte über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus arbeiten würden. Nur ein Viertel aller Arbeitnehmer schließt das grundsätzlich für sich aus.
Am häufigsten innerhalb der Berufsgruppen können sich mit 82 Prozent die Beschäftigten im IT-Bereich das Weiterarbeiten vorstellen. Regional stehen die Beschäftigen der drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg bundesweit an der Spitze – mit jeweils teils deutlich über 70 Prozent – die bereit wären über das Rentenalter hinaus zu arbeiten. Der Freistaat Sachsen bildet dagegen mit 54 Prozent das Schlusslicht.
Regionale Besonderheiten
Innerhalb der Bundesländer sticht Berlin mit auffälligen Ergebnissen hervor: Beispielsweise befürchtet hier etwa jeder Dritte, durch die Digitalisierung und / oder Künstliche Intelligenz den Job zu verlieren. Dies liegt um die Hälfte höher als der Schnitt unter allen Beschäftigten in Deutschland.
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