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Viele Banken und Versicherungen bemühen sich schon seit langem, schutzbedürftige Kunden zu unterstützen, aber nicht nur hat die aktuelle Krise die Arbeit mit schutzbedürftigen Kunden wichtiger denn je gemacht, sondern plötzlich fällt auch eine ganz neue Gruppe von Kunden in diese Kategorie. Wie neueste digitale Technik unterstützen kann, diese zu identifizieren und zu unterstützen.
Ein Beitrag von Jochen Razum, Sales Director von Smart Communications in der DACH-Region
Die allgemeine Entwicklung bringt auch Menschen in Not, die bisher nicht gefährdet waren und so gibt es heute mehr schutzbedürftige Kunden als je zuvor. Sie rechtzeitig zu erkennen, kann ein Rettungsanker sein.
Was versteht man unter schutzbedürftigen Kunden?
Den typischen schutzbedürftigen Kunden gibt es nicht. Eine Vielzahl von Faktoren und Umständen kann einen Kunden „schutzbedürftig" machen und diese können sich im Laufe der Zeit ändern. Es kann sich um eine Behinderung oder Krankheit handeln, um Lebensereignisse wie den Verlust des Arbeitsplatzes, einen Trauerfall oder das Scheitern einer Beziehung. Diese Umstände können dauerhaft, vorübergehend oder schwankend sein und variieren je nach Lebensphase.
Derzeit wird die Schutzbedürftigkeit vieler Kunden nicht erkannt, was zum Teil daran liegt, dass die Kunden selbst oft nicht wissen, dass sie schutzbedürftig sind – mit verheerenden Folgen für die Kundenerfahrung.
Schutzbedürftige Kunden identifizieren
Der erste Schritt bei der Betreuung schutzbedürftiger Kunden besteht darin, diese zu identifizieren. Gut geschultes Personal, das in der Lage ist, Schwachstellen zu erkennen, ist in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung. Mitarbeiter, die im Umgang mit Kunden erfahren sind, können Worte und Verhaltensweisen erkennen, die auf eine potenzielle Gefährdung hindeuten, und dann geschickt Gespräche führen, um die weiteren Bedürfnisse des Kunden herauszufinden.
Angesichts der Vielzahl von Interaktionen, die eine Bank mit ihren Kunden hat, ist die Analyse der Interaktionsdaten jedoch eine enorme Aufgabe, die Menschen allein kaum bewältigen können. Technologie erleichtert diese Aufgabe.
Technologie: Schlüsselinstrument für mehr Einfühlungsvermögen
Eine Studie von Smart Communications, MoneyLIVE, Insurance Innovators und Pegasystems untersucht, wie Unternehmen Technologie einsetzen können, um Kunden in Not besser zu unterstützen. Befragt wurden 154 Experten aus den Bereichen Kundenerfahrung, Technologie, Strategie, Risiko und Compliance in Finanzinstituten weltweit. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass digitale Technologien in Zukunft eine wichtige Rolle dabei spielen werden, wie Finanzinstitute gefährdete Menschen schützen.
Nach Angaben der Befragten sind 75 Prozent der schutzbedürftigen Kunden ihrem Finanzdienstleister nicht als solche bekannt. Mindestens die Hälfte aller Fälle von plötzlicher oder vorübergehender Schutzbedürftigkeit werden zu spät erkannt, um das Risiko einer negativen Kundenerfahrung zu vermeiden, sagen 65 Prozent.
Die Befragten erkennen in allen Bereichen des Finanzdienstleistungssektors die Notwendigkeit, mit den Risiken möglicher Gefährdungen besser umzugehen.
Deshalb erwarten 96 Prozent der Befragten, dass ihr Unternehmen in den nächsten zwei Jahren mehr in Technologielösungen zur Betreuung schutzbedürftiger Kunden investieren wird. Die Hauptmotive für Investitionen in die Betreuung schutzbedürftiger Kunden sind das Reputationsrisiko (90 Prozent), die Kundenbindung (88 Prozent) und der soziale Nutzen (83 Prozent).
Mehr Freiraum für Empathie
Die überwältigende Mehrheit (95 Prozent) der befragten Experten ist davon überzeugt, dass Automatisierung ein wirksames Mittel ist, damit sich die Mitarbeiter auf die Vermittlung von Empathie und Zuwendung konzentrieren können. Die Datenanalyse wird für Unternehmen immer wichtiger, wenn es um den strategischen Umgang mit Schutzbedarf geht.
74 Prozent der Befragten stimmten zu, dass „virtuelle Agenten“ mit Advanced Analytics das Potenzial haben, schnellere und angemessenere Lösungen für schutzbedürftige Kunden zu finden als menschliche Mitarbeiter allein. Durch den Einsatz virtueller Agenten auf der Grundlage von Advanced Analytics können schutzbedürftigen Kunden proaktiv Empfehlungen und/oder Warnhinweise gegeben werden. Mehr als die Hälfte der Befragten ist der Ansicht, dass ein erheblicher Teil der finanziell gefährdeten Kunden die Vertraulichkeit und Bequemlichkeit eines kompetenten und einfach zu bedienenden virtuellen Agenten einem menschlichen Mitarbeiter vorziehen würde.
Digitale Kanäle werden zunehmend auf die Bedürfnisse verschiedener Arten von schutzbedürftigen Kunden zugeschnitten sein. 93 Prozent der Befragten sehen in der Echtzeit-Anpassung von Nachrichten in Self-Service-Kanälen ein wirksames Mittel, um individuell und sensibel auf die Schutzbedürfnisse der Kunden eingehen zu können. 79 Prozent erwarten, dass die Mehrheit der Finanzdienstleister bei der Betreuung schutzbedürftiger Kunden Papierformulare durch nutzerfreundliche digitale Formulare ersetzen wird.
Kundenbedürfnisse besser identifizieren
Eine bessere Identifizierung der Kundenbedürfnisse und ein höheres Maß an Personalisierung und Proaktivität werden jedoch nicht nur für schutzbedürftige Kunden, sondern für alle Kunden zu einem exzellenten Service und einer höheren Kundenzufriedenheit führen. Davon sind 87 Prozent der Befragten überzeugt.
Aber es braucht auch ein spezielles Team für Risikokunden, das eingreift, wenn die Technologie darauf hinweist, dass ein Kunde genauer betrachtet werden sollte. Und diese Leute müssen gut geschult sein, damit sie genau wissen, worauf sie achten müssen und wie sie den Kunden helfen können. All das hat nicht nur Vorteile für die Kunden-, sondern auch für die Mitarbeiterbindung: Mehr für die Kunden tun zu können, ist auch gut für die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter.
Vor Technologien, die Unternehmen helfen, die Bedürfnisse ihrer Kunden besser zu verstehen und die Customer Journey individuell zu gestalten, sollte man nicht zurückschrecken. Denn sie öffnen die Tür zu einer neuen Ära des Kundendienstes, in der jeder Kunde, insbesondere diejenigen, die es am nötigsten haben, die Unterstützung erhalten, die sie verdienen.
Zum Autor
Jochen Razum ist seit Juli 2022 Sales Director von Smart Communications in der DACH-Region. In dieser Funktion lenkt er die Vertriebsaktivitäten des Unternehmens in der Region und ist dafür verantwortlich, das Umsatzwachstum voranzutreiben. Jochen Razum ist seit über drei Jahrzehnten in der IT-Branche tätig. Zusätzlich verfügt er über eine langjährige Erfahrung mit Kunden aus der Versicherungs- und Finanzbranche. Er begleitete strategische Projekte für Unternehmen wie Siemens, Commerzbank, Swisscom, Deutsche Bahn, EON, Deutsche Telekom und Lufthansa begleitet und etablierte mehrere Software- und Beratungsunternehmen erfolgreich in der DACH-Region.
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