Lohnt sich die Klage für Besitzer von Dieselfahrzeugen?

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Im Herbst 2015 löste das Bekanntwerden des Dieselskandals eine ganze Reihe von rechtlichen Konsequenzen für Autofabrikanten einerseits sowie Fahrzeughalter andererseits aus. Nach widerstreitenden Aussagen der Hersteller, hohen Strafzahlungen für die Autoindustrie und angedrohten Fahrverboten für Dieselbesitzer urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Entscheidung vom 21. März dieses Jahres, dass Käufer grundsätzlich Anspruch auf Schadensersatz haben.

Ein Beitrag von Alexander Heinrich, TILP Rechtsanwälte

Der Anspruch auf Schadenersatz gilt, wenn im erworbenen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung – oft ein sogenanntes Thermofenster – verbaut ist. Im jüngsten Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) zum Abgasskandal beugt sich dieser nun der europäischen Rechtsprechung und schafft damit mehr Klarheit für Verbraucher.

Neue Chancen für Dieselfahrer

Mit dem Urteil vom 26. Juni 2023 (AZ. VIa ZR 335/21) musste der BGH seine bisherige industrieschützende Haltung aufgeben und unternimmt damit einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Verbraucherrechte im Abgasskandal. Gemäß den Vorgaben des EuGH überführt der BGH Schadensersatzansprüche betroffener Fahrzeughalter in nationales Recht und ebnet den Weg für die juristische Abwicklung.

Im Urteil geht es im Wesentlichen darum, den Käufer des manipulierten Wagens über den Weg des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte er weder den Kaufvertrag beim Händler noch den Finanzierungsvertrag bei der entsprechenden Autobank unterzeichnet. Zuvor wies die Berufungsinstanz die Klage ab; nun hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sachen zur erneuten Verhandlung an das zuständige Oberlandesgericht (OLG) zurück.

Meilenstein mit Einschränkungen

Grundsätzlich legitimiert das neue Urteil nun Ansprüche der Geschädigten im Dieselskandal, bezüglich der Höhe des zu gewährenden Schadensersatzes macht der BGH allerdings weiterhin Einschränkungen. Gemäß dem aktuellen Urteil kann geschädigten Käufern nur dann großer Schadensersatz, also Schaden gegen Rückgabe des Fahrzeugs, gewährt werden, sofern ein vorsätzliches sittenwidriges Handeln des Herstellers vorliegt. Dazu zählt beispielsweise grob illoyales Verhalten dem Vertragspartner gegenüber oder arglistige Täuschung.

Dies nachzuweisen ist jedoch Sache der Klägerpartei und gelang mit Ausnahme des „Schummelmotors“ EA189 von Volkswagen selten. Stattdessen begründet der BGH den Schadensersatzanspruch der Fahrzeughalter vorrangig in dem enttäuschten Vertrauen, ein Fahrzeug erworben zu haben, für das die in der Übereinstimmungsbescheinigung festgehaltene EG-Typgenehmigung nicht gilt, woraus sich lediglich ein Recht auf kleinen Schadensersatz ergibt. Dies meint den Ersatz der Wertminderung bei Erwerb.

Den Nachweis, dass eine unerlaubte Abschalteinrichtung verbaut wurde, muss ebenfalls der Käufer erbringen, der sich in bestimmten Fällen zudem den Nutzungsersatz für die von ihm gefahrenen Kilometer und den aktuellen Restwert anrechnen lassen muss. Dahingegen muss der Hersteller die Zulässigkeit einer verbauten Abschalteinrichtung in Ausnahmefällen beweisen können. Im Einzelfall ist die konkrete Schadensberechnung nicht trivial.

Lohnt sich die Klage?

Aufgrund der genannten Einschränkungen bezüglich der Berechnung der Schadenssumme empfiehlt es sich, vor Einreichen einer Klage die Sachlage des jeweiligen Einzelfalls überprüfen zu lassen. Eine Berechnung der Schadenssumme wird in der Regel kostenfrei angeboten, so auch von der TILP Rechtsanwaltsgesellschaft. Dabei liegen die wirtschaftlichen Erfolgschancen einer Klage auf Schadensersatz höher, je niedriger die bisherige Laufleistung des betroffenen Wagens und je neuer das Datum der Erstzulassung.

Darüber hinaus ist dem einzelnen Käufer – laut Urteil des BGH und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgend – ohne Vorlage eines Sachverständigengutachtens ein Schadensersatz in Höhe von mindestens fünf Prozent und maximal 15 Prozent des gezahlten Kaufpreises zu gewähren. Dies ist darin begründet, dass der Beweis des Vorhandenseins eines Schadens nicht zu finanziellen Lasten der Geschädigten erfolgen darf. Über die genaue Höhe entscheidet dabei der Tatrichter.