Das vergangene Jahr war für die Immobilienbranche eine regelrechte Berg- und Talfahrt. Zum Jahresende stiegen die Mieten weiter an, ein Ende der Inflation ist nicht in Sicht und auch beim Thema Immobilienkauf ist die Lage alles andere als günstig.
Ein Beitrag von Maximilian Wolf, Immobilienexperte und Geschäftsführer der Bricks & Mortar Immobilien GmbH
Zwar sind Prognosen zum Immobilienmarkt nicht einfach, einige Entwicklungen zeichnen sich jedoch bereits ab. Aller Voraussicht nach wird die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Politik der Zinsanhebungen beibehalten und so mittelbar zu einer Teuerung von Immobilienfinanzierungen beitragen.
Die historisch niedrigen Zinssätze des letzten Jahrzehnts gehören der Vergangenheit an, stattdessen werden die europäischen Währungshüter als Maßnahme gegen die Inflation den Leitzins weiter anheben. Hier war zuletzt eine Anhebung um 0,5 Prozent auf jetzt 2,5 Prozent zu beobachten.
Daher kann auch für 2023 davon ausgegangen werden, dass es zu weiteren schrittweisen Anhebungen im Bereich von 0,25 bis 0,5 Prozent kommen wird. Immobilienkäufer werden daher zur Finanzierung deutlich mehr Eigenkapital benötigen und haben mit Tilgungszinsen von bis zu 5 Prozent zu rechnen. Da jedoch gleichzeitig auch die Inflation auf hohem Niveau stabil bleibt, ist diese Teuerung eher relativ: Haushalte mit einem Eigenkapital in mittlerer sechsstelliger Höhe und einem hohen Einkommen werden auch weiterhin Immobilien nachfragen und den Markt entsprechend stabil halten.
Die Immobilienbranche wird immer mehr zum Käufermarkt
Zudem wird der Immobilienmarkt durch das hohe Preisniveau gleichzeitig wieder zu einem Käufermarkt: Die wohlhabenden Interessenten verhalten sich kritischer bei der Auswahl ihrer Immobilie und überlegen sich genau, worin sie ihr Geld anlegen wollen – dadurch wird ihr Einfluss auf die Preisbildung am Markt wieder deutlich größer.
Weiteren Druck auf die Preise wird im neuen Jahr das Thema Energieeffizienz bringen: Bei weiter steigenden Energiekosten prüfen die potenziellen Käufer sehr genau, welche Heizungsart in einer Immobilie verwendet wird. Bei älteren Heizungsanlagen werden viele sich lieber für ein anderes Objekt entscheiden, da hohe Nebenkosten neben den steigenden Tilgungszinsen schlicht nicht mehr finanzierbar sein werden.
Gerade in Großstädten wie München kann diese Entwicklung ernste Folgen haben, da hier fast nur noch hochpreisige Immobilien am Markt sind. Daher wird davon ausgegangen, dass insbesondere das erste Quartal 2023 für Vermittler und Bauherren schwieriger werden könnte.
Entscheidend wird die Entwicklung der allgemeinen Wirtschaftslage
Ausschlaggebend für die Lage der Immobilienbranche wird jedoch ab dem zweiten Quartal 2023 die Lage im Handel und bei den Preisen für Dienstleistungen und Handwerk. Die Handwerksbetriebe konnten sich zuletzt über volle Auftragsbücher freuen und konnten wegen der hohen Nachfrage entsprechende Lohnforderungen geltend machen. Die derzeit schwierige Lage am Immobilienmarkt ist bei ihnen daher noch gar nicht angekommen – die bereits erteilten Aufträge erstrecken sich für 2023 noch bis weit in die erste Jahreshälfte.
Dies wird sich jedoch bald ändern, denn Notare, Makler und Projektentwickler sind weiter vorn in der Wertschöpfungskette und spüren bereits deutlich die Auswirkungen. Über kurz oder lang wird daher auch das Handwerk einen spürbaren Rückgang der Aufträge erleben. Dadurch könnten auch die Häuser- und Baukosten ab der zweiten Jahreshälfte niedriger werden und sich der Immobilienmarkt wieder konsolidieren.
Ein Abklingen der Inflation könnte wieder bessere Tage bringen
Ein weiterer Kernpunkt ist das Thema Inflation. Die Zinserhöhungen der EZB führten zuletzt zwar zu deutlich steigenden Finanzierungskosten. Auf der anderen Seite ist jedoch zu erwarten, dass die Erhöhungen des Leitzinses die Inflation auf niedrigem Niveau stabilisieren werden. Diese allgemeine Senkung der Teuerungsrate wird sich daher auch bei den Immobilienpreisen niederschlagen.
Trotz gestiegener Tilgungskosten sind daher ab der zweiten Jahreshälfte vermehrt positive Nachrichten zu erwarten. Nicht zuletzt werden die Menschen auch in schwierigen Zeiten immer das Bedürfnis nach qualitativ hochwertigem Wohnraum haben. Grundsätzlich verfügen viele Käufer weiterhin über genügend Eigenkapital und sind auf der Suche nach einer sicheren Anlagemöglichkeit für die Altersvorsorge – für das Jahr 2023 gibt es daher deutliche Hinweise, dass sich die Lage am Immobilienmarkt wieder aufhellen könnte.
Über den Autor
Maximilian Wolf ist Immobilienexperte und Geschäftsführer der Bricks & Mortar Immobilien GmbH. Als Geschäftsführer besitzt er mehrere Unternehmen und Beteiligungen. Darunter zählen unter anderem auch Gesellschaften für Immobilieninvestments, die OPM Beteiligungs GmbH sowie die OPM Invest 1 GmbH. In den letzten drei Jahren baute er Deutschlands größte Unternehmensberatung für die Immobilienbranche auf.
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