Momentan werden Bankanleihen trotz guter Fundamentaldaten der Branche und einem Umfeld, das auf steigende Renditen hoffen lässt, mit Abschlägen und Neuemissionsprämien gehandelt. Jetzt könnte also möglicherweise für Anleger der geeignete Zeitpunkt zum Einstieg sein.
Ein Kommentar von Richard Woolnough, Fondsmanager des M&G (Lux) Optimal Income Fund
Der Bankensektor hat Anlass, die Zukunft positiv zu betrachten. Die gegenwärtigen höheren Zinssätze sollten sich positiv auf das Bankwesen auswirken. Mit Zunahme der Spanne zwischen Kredit- und Einlagenzinsen vergrößern sich auch die Gewinne der Kreditinstitute.
Bei anhaltender Beliebtheit des digitalen Banking bei den Kunden können die Banken zudem die Zahl ihrer physischen Filialen künftig weiter reduzieren. Dadurch dürften die Fixkosten der Banken deutlich sinken und ihre Rentabilität steigen.
Positiv könnte sich weiter auf die Bankanleihen auswirken, dass sie nicht von der quantitativen Straffung (Quantitative Tightening, QT) der Geldpolitik betroffen sein dürften. Im Rahmen ihrer Programme zur quantitativen Lockerung (Quantitative Easing, QE) kauften die Zentralbanken große Mengen an Unternehmensanleihen, insbesondere in Europa.
Mit Aufgabe der Politik der QE versuchen die Zentralbanken, ihre Finanzanlagen wieder auf dem Markt zu veräußern, um ihre Bilanzen zu verkürzen. Durch die QT könnten diese Anleihen unter Verkaufsdruck geraten. Bankanleihen waren jedoch nicht in den QE-Programmen enthalten und dürften daher von QT-Maßnahmen nicht direkt betroffen sein.
Gute Basisdaten
Allgemein sind die Banken in den USA und Europa in einem grundlegend besseren Zustand als 2008.
US-Banken sind äußerst liquide und gut kapitalisiert. Die Einlagen machen nunmehr über 90 Prozent der Verbindlichkeiten aus, verglichen mit etwa 75 Prozent vor der Finanzkrise. Die Gesamtaktiva bestehen zu rund 35 Prozent aus hochliquiden Positionen, also Bargeld, Staatsanleihen und öffentliche Anleihen. Vor 2008 lag der Anteil nur bei 15 Prozent bis 20 Prozent.
Ähnlich verhält es sich in Europa, wo die Qualität der Aktiva und die Standards für die Kreditvergabe in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen haben. Nach Angaben der Europäischen Zentralbank sind die Quoten notleidender Kredite von 8 Prozent im Jahr 2015 auf heute weniger als 2 Prozent gesunken.
Die CET1-Quoten (Common Equity Tier 1) liegen heute zwischen 12 Prozent und 14 Prozent. Dies liegt deutlich über den Mindestanforderungen von Basel III in Höhe von 7 Prozent und deutet darauf hin, dass die europäischen Banken über einen beträchtlichen Puffer verfügen, um finanziellem Stress standzuhalten und ihre Solvenz zu erhalten.
So aufgestellt, sollten die Bankinstitute auch einem rezessiven Umfeld standhalten können. Die Ausgangslage ist besser als im Jahr 2008: Die Wirtschaft insgesamt ist weit weniger fremdfinanziert und die Bilanzen der Unternehmen und privaten Haushalte sind in ordentlicher Verfassung. Die Zahlungsausfälle bei Unternehmen dürften das Niveau, das die Märkte derzeit schon einpreisen, gar nicht erreichen.
Finanzielle Anreize
Die Investoren in Unternehmensanleihen werden aktuell für die Übernahme der Kreditrisiken gut bezahlt. Dies gilt insbesondere für den Bankensektor. So bieten europäische Finanzwerte über alle Laufzeiten hinweg einen nicht unerheblichen Spread gegenüber Industriewerten.
In den Jahren 2020 und 2021 nutzten die Unternehmen das sehr niedrige Zinsumfeld, um einen bedeutenden Teil ihrer Schulden zu refinanzieren. Infolgedessen verfügten die Unternehmen über reichlich Liquidität. Als die Kreditkosten 2022 anstiegen, mussten sie daher nicht in größerem Umfang neue Schulden aufnehmen. Die Folge war ein deutlicher Rückgang bei den Anleiheemissionen in den meisten Branchen.
Banken haben dagegen 2022 weiterhin in großem Umfang Schuldtitel emittiert. Sie sind im Allgemeinen auf einen regelmäßigen Kapitalfluss angewiesen, sowohl für ihren operativen Bedarf als auch zur Erfüllung verschiedener bilanzieller Anforderungen. Der Markt musste daher eine relativ große Menge an Anleiheemissionen im Bankensektor aufnehmen, was zu einer attraktiven Neuemissionsprämie führte.
Überlegte Auswahl der Anleihe bedeutsam
Mit Blick auf die Kapitalstruktur scheinen nachrangige Bankanleihen im Vergleich zu vorrangigen generell sehr attraktiv. Nachrangig bedeutet, dass die Anleihegläubiger im Falle eines Ausfalls erst nach der vollständigen Befriedigung der Gläubiger vorrangiger Anleihen ausbezahlt werden. Die Investoren in nachrangige Anleihen werden für das größere Risiko, das sie tragen, allerdings in der Regel durch höhere Zuflüsse an Einkünften entschädigt.
Es gibt aber zwischen den nachrangigen Anleihen beachtenswerte Unterschiede. So hat die Spread-Differenz zwischen der nachrangigen Kategorie der Lower-Tier-2-Anleihen (LT2) und der der vorrangigen Anleihen inzwischen die Höchststände zu Zeiten der COVID-Krise erreicht, was einen günstigen relativen Wert vermuten lässt.
Eine andere Kategorie von nachrangigen Schuldtiteln - Additional-Tier-1-Anleihen (AT1) - erscheint auf relativer Basis dagegen nicht besonders vorteilhaft, da die Spread-Differenzen gegenüber vorrangigen Anleihen noch weit von ihren COVID-Werten entfernt sind.
Werte größerer nationaler Banken mit soliden Bilanzen und einer dominanten Marktposition könnten sich als robuster erweisen. Weitere wichtige Eigenschaften sind starke Kapitalpuffer, diversifizierte Finanzierungsquellen und eine gute Erfolgsbilanz beim Risikomanagement während des gesamten Konjunkturzyklus. In Anbetracht der gestiegenen Lebenshaltungskosten könnten generell Banken, die weniger stark bei Verbrauchern mit geringem Einkommen engagiert sind, vorzuziehen sein.
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