Geopolitik, Pandemie, Inflation, Zinswende – angesichts der mannigfaltigen Herausforderungen für die Versicherungsbranche sieht BaFin-Exekutivdirektor Dr. Frank Grund düstere Wolken am Horizont. „Versicherer müssen ihr Geschäft sturmfest machen“, mahnte Grund daher in seiner Eröffnungsrede zur diesjährigen Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht: „Wir brauchen in den Unternehmen ausreichende Puffer bei Kapital und Liquidität.“
Nachdem die Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht aufgrund der Corona-Pandemie zuletzt digital durchgeführt werden musste, fand die mittlerweile 11. Auflage wieder im World Conference Center Bonn statt. Rund 500 Teilnehmer nahmen die Gelegenheit wahr, sich fachlich auszutauschen.
„Der Versicherungsbranche geht es derzeit noch gut“, betonte Grund zwar eingangs seiner Rede. Allerdings bewege sich die Branche in einem Umfeld, das wahrlich nicht ermutigend sei. Für die Aufsicht stehe fest: Auch wenn 2022 noch ganz ordentlich ausfallen dürfte, werde 2023 ein schwieriges Jahr.
Die Unternehmen müssen daher bereits jetzt umsichtig agieren.
Was dies im Einzelnen bedeutet, erläuterte der oberste Versicherungsaufseher am Beispiel der Schaden- und Unfallversicherer. Diese müssten aufgrund der steigenden Inflation bestehende Rückstellungen gegebenenfalls bereits in diesem Jahr erhöhen. „Aus Sicht der BaFin ist es nicht akzeptabel, lediglich darauf zu wetten, dass sich die hohen Inflationsraten normalisieren und in der Zwischenzeit bestehende Puffer in den Reserven restlos aufzubrauchen“, stellte Grund klar.
Und natürlich müssten die Versicherer die Schadenentwicklung auch im Hinblick auf künftige Schadenerwartungen bei ihrer Tarifierung berücksichtigen. Nach Einschätzung von Grund werde die gestiegene Inflation daher im Jahr 2023 „zwingend höhere Beiträge in der Schaden- und Unfallversicherung nach sich ziehen“.
Brandaktuelle und facettenreiche Themenschwerpunkte
Auch die weiteren Themen aus der Aufsichtspraxis zeigten, dass die Schwerpunkte der diesjährigen Konferenz brandaktuell und sehr facettenreich waren. Neben den Auswirkungen von Inflation und Zinsen für Versicherer und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, waren unter anderem auch die Vertriebsvergütung und die allgemeine Kostenbelastung im Spannungsfeld von Beratungsaufwand und Verbraucherschutz sowie die Regulierung von Nachhaltigkeitsrisiken Thema.
In ihrem Vortrag betonte Petra Hielkema, Vorsitzende der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (European Insurance and Occupational Pensions Authority – EIOPA), die zentrale Rolle von Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds beim Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft – und mahnte gleichzeitig Geduld an.
Es sei klar, dass wir nicht morgen in einer grünen Welt und einer vollständig grünen Finanzwelt aufwachen werden, so Hielkema. Bei grünen Finanzen gehe es darum, „grün zu werden, nicht grün zu sein“. Um dorthin zu gelangen, bedürfe es großer Anstrengungen und viel Zeit.
Themen:
LESEN SIE AUCH
NÜRNBERGER verkauft Pensionsfonds an Metzler
Die Metzler Pension Management GmbH übernimmt voraussichtlich zum 1. Januar 2025 den gesamten Bestand der NÜRNBERGER Pensionsfonds AG (NPF): Dieser umfasste Ende 2023 über 700 Unternehmen, circa 3.600 individuelle Versorgungsverhältnisse und eine Kapitalanlagesumme von mehr als 290 Mio. Euro.
Rentenpaket II - eine Belastung für die jüngere Generation
Eine stärkere Kapitaldeckung künftiger Rentenansprüche ist sinnvoll, doch ob und wann das Generationenkapital diese Leistung als schuldenfinanzierter Finanzzuschuss erbringen kann, bleibt abzuwarten. Umso wichtiger ist es, mit der nächsten Reform die zweite und dritte Säule der Altersvorsorge zu stärken.
Das sind die wachstumsstärksten Schaden-/Unfallversicherer
Die jüngsten wirtschaftlichen Herausforderungen spiegeln sich auch in den Beitrags- und Prämienzuwächsen der Branche wider. Zwar verbesserten sich beitragsseitig die zehn größten Unternehmen im Jahr 2022, dieses Wachstum fiel aber in unterschiedlichem Maße aus. Vor allem stechen hier die Allianz- und Talanx-Gruppe hervor.
Nachhaltigkeit, Wirkung und Werte: Von der Notwendigkeit einer Berufsethik in der Assekuranz
Die Versicherungsbranche stellt sich ihren Herausforderungen: Nachwuchs zu finden, Inflation, Nachhaltigkeit, ESG und vieles mehr. Ein Werte-Kompass des Vereins Ehrbarer Versicherungskaufleute (VEVK) e.V. hilft dabei gut und zielsicher Kurs zu halten.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Recyclingbranche unter Feuer: Warum Entsorger kaum noch Versicherungsschutz finden
Brände in Recyclinganlagen nehmen wieder zu – und mit ihnen die Prämien. Für Vermittler stellt sich die Frage: Wer bietet überhaupt noch tragfähigen Versicherungsschutz für diese Hochrisiko-Branche? Die Hübener Versicherung bleibt eine der letzten Adressen mit Branchenspezialisierung.
Insolvenzverfahren bei ELEMENT Insurance AG: Wie über 300.000 Verträgen abgewickelt werden sollen
Die ELEMENT Insurance AG muss nach Überschuldung und Rückversicherer-Aus abgewickelt werden. Über 300.000 Verträge wurden bereits beendet, die Schadenbearbeitung läuft weiter. Insolvenzverwalter Friedemann Schade setzt auf digitale Tools und konstruktive Lösungen – auch im Streit mit einem ehemaligen Dienstleister.
PKV bleibt 2025 stabil – doch Prävention bleibt politische Baustelle
Die private Krankenversicherung (PKV) zeigt sich zum Wahljahr 2025 widerstandsfähig und finanziell solide. Das geht aus der aktuellen SFCR-Studie von Zielke Research hervor: Die durchschnittliche Solvency-II-Quote liegt bei beachtlichen 515,55 Prozent. Kein einziges der untersuchten Unternehmen unterschreitet die gesetzlichen Kapitalanforderungen – ein Signal für Stabilität und Verlässlichkeit in unsicheren Zeiten.
Wüstenrot & Württembergische trotzt Krisenjahr – starker Auftakt 2025 nährt Gewinnhoffnungen
Trotz massiver Unwetterschäden und steigender Kfz-Kosten hat die W&W-Gruppe 2024 mit einem Gewinn abgeschlossen – und startet 2025 mit starkem Neugeschäft optimistisch ins neue Jahr. Vorstandschef Junker sieht die Gruppe auf stabilem Kurs.