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Im Jahr 2022 erwies sich das Marktumfeld für die deutsche Schaden- und Unfallversicherungsbranche als herausfordernd. Besonders die hohe Inflationsrate und die damit verbundene Zinswende sowie deren Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung sorgten für Unsicherheiten. Diese spiegelten sich in den Beitragszuwächsen der Versicherungsunternehmen wider.
Ein Beitrag von Adrian Hamm, Junior-Analyst der Assekurata GmbH
Auf Marktebene wuchsen die Beiträge 2022 um 4 Prozent. Dabei überstiegen die Gesamtbeitragseinnahmen mit 80,40 Milliarden Euro erstmals die Marke von 80 Milliarden Euro. Der Branchendurchschnitt lag in den Jahren 2010 bis 2021 bei 3 Prozent.
Demgegenüber fällt das durchschnittliche Vertragswachstum im Jahr 2022 mit 0,62 Prozent deutlich geringer aus und liegt zudem unter dem langjährigen Durchschnitt (2010-2021) von 1,3 Prozent. Offensichtlich haben die gesamtwirtschaftlichen Parameter maßgeblich das Vertragswachstum gedämpft.
Bei genauerer Betrachtung fällt allerdings auf, dass es große Unterschiede zwischen den einzelnen Versicherern gibt. Einige erzielten deutlich marktüberdurchschnittliche Zuwächse, während andere stagnierten oder sogar negative Wachstumsraten verzeichneten. In der folgenden Untersuchung beziehen wir uns auf die Beitragseinnahmen aus direktem Geschäft. Sofern eine Gruppe mehrere Schaden-/Unfallversicherer umfasst, nutzen wir die Gruppenbetrachtung, um die Relevanz der Anbieter besser zu visualisieren.
Beitragsseitig sind die zehn größten Schaden-/Unfallversicherungsunternehmen/-gruppen im Jahr 2022 alle gewachsen, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Hierbei stechen vor allem die Allianz- und Talanx-Gruppe hervor, die absolut jeweils um rund 500 Millionen Euro wuchsen.
Obwohl die Allianz-Gruppe absolut nach Beiträgen den zweithöchsten Zuwachs erzielte, lag ihr prozentuelles Wachstum mit 3,61 Prozent unter dem Marktdurchschnitt von 4 Prozent. Von den zehn größten Schaden-/Unfallversicherern konnte 2022 ohnehin nur die Talanx-Gruppe mit 10,81 Prozent ein deutlich überdurchschnittliches Wachstum erzielen.
Es zeigt sich auch, dass die zehn Versicherer, die im Jahr 2022 prozentual am stärksten zulegten, alle eine Steigerung von mindestens 8 Prozent aufweisen, was den Branchendurchschnitt um das Doppelte übertrifft.
Besonders auffällig ist die HanseMerkur-Gruppe mit einem Zuwachs von 36,48 Prozent. Laut Angabe der Gesellschaft stammt ein Großteil dieser Entwicklung aus der Reiserücktrittsversicherung. Auch die Agrorisk-Gruppe und die Barmenia Allgemeine verzeichneten deutlich zweistellige Wachstumsraten. Dem Geschäftsbericht der Agrorisk-Gruppe ist zu entnehmen, dass sowohl ein erfolgreiches Neugeschäft als auch erhöhte Versicherungssummen mit entsprechenden Prämiensteigerungen maßgeblich für diese Entwicklung sind.
Die Barmenia Allgemeine wiederum wuchs besonders stark im Bereich der Feuer- und Sachversicherung sowie vor allem in der Tierversicherung.
Bei den deutlich überdurchschnittlich wachsenden Versicherern handelt es sich, abgesehen von der Talanx-Gruppe, eher um kleinere Gesellschaften. Daher sind die absoluten Zuwächse begrenzt.
In ähnlicher Weise verhält es sich bei der Liste der zehn Schaden-/Unfallversicherer, die 2022 prozentual das geringste Prämienwachstum verzeichneten. Hier befindet sich lediglich die DEVK unter den 15 größten Schaden-/Unfallversicherern nach absoluten Beitragseinnahmen aus direktem Geschäft.
Des Weiteren fällt auf, dass nur die Ideal Versicherung einen Beitragsrückgang verzeichnet. Dies ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass das Unternehmen sein Rechtsschutzgeschäft eingestellt hat, welches die dritthöchste Beitragseinnahme im Portfolio ausmachte.
Da im Wesentlichen nur kleine Versicherer überdurchschnittlich wachsen beziehungsweise schrumpfen, verändern sich die relativen Größenverhältnisse im Schaden-/Unfallversicherungsmarkt nicht signifikant. Über Vertragswachstum Marktanteile zu gewinnen, ist herausfordernd. Notwendige Beitragsanpassungen erschweren dies.
In unserem Marktausblick 2023 gaben die Unternehmen entsprechend an, dass die Inflationsentwicklung das Wachstum vor allen Dingen auf zwei Ebenen beeinflusst. Einerseits führt die sinkende Zahlungsbereitschaft der Kunden zu geringerem Neugeschäftswachstum und möglicherweise erhöhten Stornoraten. Andererseits können die Unternehmen sowohl die Beiträge als auch die Versicherungssummen anpassen, was zumindest das Prämienwachstum fördert. Spannend wird sein, zu beobachten, welche Schaden-/Unfallversicherer dem Wachstumsdruck gegebenenfalls zu Lasten der Prämien nachgeben werden.
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