Nachdem der Bundesgesetzgeber zur Auffassung gelangt war, dass Verbraucher – trotz seiner vorherigen intensiven legislativen Bemühungen – nicht ausreichend vor unternehmerischen Belästigungen und aufgedrängten Verträgen geschützt seien, wurde das besagte Gesetz für faire Verbraucherverträge am 10. August 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet.
Handlungsempfehlung zur Vertragslaufzeit und -beendigung der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte
Erklärte Zielsetzung des federführenden Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz ist es, die Position des Verbrauchers nachhaltig gegenüber Unternehmern zu stärken. Neben dem Schutz vor Belästigungen soll vor allem eine gerechte Balance im Verhandlungs- und Vertragsgefüge erreicht werden. Hierzu werden vor allem Eingriffe im AGB-Recht vorgenommen, welche unternehmerische Gestaltungsfreiheiten weiter begrenzen! Darauf möchten wir Sie hinweisen.
I. Gesetzliche Regelungen teilweise schon seit Oktober 2021 in Kraft
Bereits seit Oktober letzten Jahres gilt, dass sog. Abtretungsansprüche nunmehr in Verbraucherverträgen unwirksam sind. Zuvor hatten viele unternehmerische Vertrags- und Bedingungswerke standardmäßig vorgesehen, dass der Verbraucher seine Rechte aus den eingegangenen Verträgen nicht an Dritte abtreten darf. So vermieden es Unternehmer, einerseits einem potenziell unbegrenzten Gläubigerkreis ausgesetzt zu sein und andererseits mit institutionellen „Rechtseintreibern“ konfrontiert zu sein, welche im Eigen- und Kundeninteressen Rechte einklagen könnten.
Ferner ist zum gleichen Zeitpunkt auch der neue § 7a UWG eingeführt worden. Dieser stellt klar, dass ein Unternehmer für den Fall der Telefonwerbung, die vorherige Einwilligung des Verbrauchers benötigt und dokumentieren muss. Diese Dokumentation muss der Unternehmer fünf Jahre aufbewahren und gegebenenfalls nachweisen können. Verstöße gegen diese Vorschrift können mit empfindlichen Bußgeldern bis zu 50.000 Euro bei fehlender Dokumentation und bis zu 300.000 Euro bei gänzlicher fehlender Einwilligung geahndet werden. Im Ergebnis hat die Einführung des § 7a UWG aber kaum praktische Konsequenzen, denn Einwilligungs- und Dokumentationspflichten haben sich bereits zuvor auch schon aus dem Datenschutzrecht ergeben.
II. Gesetz für faire Verbraucherverträge wird nun so gut wie vollständig wirksam
Nun werden mit Wirkung zum 1. März 2022 weitere Änderungen im AGB-Recht wirksam; und zwar wird § 309 BGB (sogenannte Klauselverbote) inhaltlich angepasst. Nach § 309 Nr. 9 BGB werden zahlreiche vertragliche Gestaltungen bei Verträgen mit wiederkehrenden Dienst- oder Werkleistungen künftig unwirksam sein. Zuvorderst ist zu beachten, dass bei solchen Verträgen, die nicht auf unbestimmte Zeit geschlossen sind, nur noch Vertragslaufzeiten von längstens zwei Jahren gestattet sind.
Daneben sind auch sog. Verlängerungsklauseln betroffen. Diese Klauseln, die sich bisher in der Praxis großer Beliebtheit erfreuten, begründen eine automatische Vertragsverlängerung für den Fall, dass der Verbraucher nicht innerhalb einer vordefinierten Frist kündigt. Hierzu gab es bislang keine einheitliche Rechtsprechung, als Faustregel galt aber zumeist, dass eine stillschweigende Verlängerung nicht länger sein durfte als die Ursprungslaufzeit. Nun verschärft sich die Situation: Stillschweigende Verlängerungen sind nur noch möglich, wenn der Vertrag auf unbestimmte Zeit verlängert wird, während dem Verbraucher gleichzeitig das Recht eingeräumt wird, den Vertrag jederzeit mit einer Frist zu kündigen, die nicht länger als ein Monat ist.
Im Falle einer stillschweigenden Verlängerung wünscht der Gesetzgeber, dass das Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit verlängert wird und dem Verbraucher das Recht eingeräumt wird, dass verlängerte Vertragsverhältnis jederzeit mit einer Frist von höchstens einem Monat zu kündigen.
Diese Regelung betrifft auch den Versicherungsmaklervertrag und seine allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es betrifft aber insbesondere diejenigen Versicherungsmakler, die mit einer zusätzlichen Servicevereinbarung ihre ergänzenden Dienstleistungen zusätzlich anbieten.
In den Vertragsverhältnissen mit einem Verbraucher empfiehlt es sich daher grundsätzlich, die Vertragslaufzeit unbefristet zu gestalten und dem Verbraucher das jederzeitige Kündigungsrecht von einem Monat einzuräumen.
III. Kündigungs-Button bei Online-Vertragsabschlüssen
Als letzter Teilbereich der neuen gesetzlichen Regeln wird § 312k BGB mit Wirkung zum 1. Juli 2022 in Kraft treten. Dieser gibt Unternehmern – von einigen Ausnahmen abgesehen – im digitalen Geschäftsverkehr auf, einen sogenannten Kündigungs-Button einzuführen, wenn Onlinevertragsschlüsse über deren Angebote möglich sind.
Verbraucher müssen demzufolge die Möglichkeit haben, Ihre Verträge über eine gesonderte Schaltfläche kündigen zu können. Diese Schaltfläche darf nicht versteckt werden und muss gut lesbar mit einer eindeutigen Formulierung, wie etwa „Verträge hier kündigen“, versehen sein.
IV. Versicherungsmakler nur teilweise betroffen – sicher mit appRIORI
Von den vorbeschriebenen Rechtsänderungen per 01.03.2022 sind Versicherungsmakler glücklicherweise nur selten betroffen. Es war zwar in vielen Maklerverträgen üblich, ein heute unwirksames Abtretungsverbot zu vereinbaren, jedoch zeigt die Erfahrung aus der Praxis, dass Kunden ihre maklervertraglichen Ansprüche praktisch nur selten abtreten. Außerdem sind Maklerverträge typischerweise von vornherein Dauerschuldverhältnisse, die keinen Verlängerungsklauseln unterliegen müssen, sodass sich die Frage nach der Klauselwirksamkeit auch hier nicht stellt. Sollte ein Makler allerdings ein anderes Gestaltungsmodell gewählt haben, müssen die Verträge unbedingt geprüft und ab dem 01.03.2022 geändert werden. Andernfalls besteht das Nichtigkeitsrisiko, das wirtschaftliche Verlustmöglichkeiten und ein Abmahnrisiko mit sich bringt.
Aufmerksamkeit ist auch bei der Vereinbarung von Servicekonzepten geboten. Im Gegensatz zu den klassischen Maklerverträgen sind hier häufiger Laufzeiten anzutreffen, sodass die Rechtsänderungen aus dem Gesetz für faire Verbraucherverträge durchaus Auswirkungen haben können. Die Dokumente aus appRiori setzen die neuen rechtlichen Vorgaben per 01.03.2022 dann um. Die nunmehr unwirksame Klausel des Abtretungsverbots bei Verbrauchern ist aus den Maklerverträgen gestrichen oder ergänzt worden und die bereitgestellte Servicevereinbarung ist von vornherein gesetzeskonform als Dauerschuldverhältnis mit Kündigungsmöglichkeit von einem Monat ausgestaltet.
Wer als Versicherungsmakler Onlinegeschäft macht, muss zudem natürlich zwingend mit Perspektive für Juli 2022 den neuen § 312k BGB beachten und sicherstellen, dass die entsprechenden technischen und organisatorischen Umsetzungen rechtzeitig verwirklicht sind. Insgesamt gilt wie immer: Vorsicht ist besser als Nachsicht! Nehmen Sie sich kurz Zeit und prüfen, ob Ihre Dokumente den neuen rechtlichen Anforderungen entsprechen.
V. Fazit
Bitte beachten Sie, dass die Vertragslaufzeit und die Kündigungsfrist von einem Monat für Verbraucher erst ab dem 1. März 2022 in Kraft treten wird. Die derzeit geschlossenen Verträge sind nach bisheriger Rechtslage zu bewerten und bleiben rechtswirksam. Ab dem 1. März 2022 könnte eine wirksame Regelung zur Vertragslaufzeit mit einem Verbraucher wie folgt aussehen:
"Dieser Versicherungsmaklervertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Beide Parteien sind berechtigt, das zugrunde liegende Vertragsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zu kündigen."
Selbige Regelung zur Vertragslaufzeit und Beendigung empfehlen wir ebenfalls für die Servicevereinbarung. Bitte prüfen Sie kurz ihre Vertragsverhältnisse und berücksichtigen Sie unseren Vorschlag ab dem 1. März 2022.
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