Ein Reisender hat Anspruch auf Ersatz zusätzlicher Reisekosten vom Reiseveranstalter, wenn er den Flug aufgrund einer Verspätung des Zuges verpasst und der Bahntransfer mittels „Rail & Fly“ Inhalt des Reisevertrages geworden ist. Dies urteilte das Landgericht Frankfurt am Main.
Der Kläger buchte für sich und seine Familie eine Pauschalreise nach Thailand. Im Reisevertrag mit dem beklagten Reiseveranstalter war die Beförderung zum Flughafen Frankfurt mit „Rail & Fly“ der Deutschen Bahn vereinbart. Der Abflug mit Qatar-Airways sollte am Anreisetag um 15:40 Uhr ab Frankfurt erfolgen.
In der Buchungsbestätigung wurde empfohlen, sich mindestens drei Stunden vor Abflug am Check-In Schalter einzufinden. In den Reisedokumenten hieß es indes: „Abfertigung: Bitte finden Sie sich spätestens 120 Minuten vor Abflug am Qatar Airways-Schalter Ihres Abflughaftens ein.“
Familie verpasst Flug
Der Kläger wählte einen ICE, der 2 Stunden und 27 Minuten vor Abflug am Flughafen Frankfurt eintreffen sollte. Allerdings startete der Zug bereits mit einer Verspätung von 25 Minuten, die sich im Laufe der Fahrt erhöhte.
Zudem wurde vor Frankfurt den Reisenden mitgeteilt, dass der Zug wegen der Verspätung am Hauptbahnhof enden würde, so dass der Kläger die Weiterfahrt mit dem öffentlichen Nahverkehr vornahm.
Letztendlich erreichten sie den erst 50 Minuten vor Abflug den Schalter. Da der Check-In-Vorgang bereits abgeschlossen war, wurde ihnen die Abfertigung verwehrt.
Die Familie war gehalten, zurück nach Göttingen zu fahren, weil an diesem Tag kein anderer Flug zur Verfügung stand. Am nächsten Tag konnte dann der Abflug erfolgen. Dafür musste der Kläger knapp 2.000 Euro aufwenden zuzüglich rund 200 Euro für die Rückfahrt nach Göttingen. Mit seiner Klage begehrte der Kläger Ersatz dieser zusätzlichen Reisekosten.
Reisemangel – Bahntransfer als Inhalt des Reisevertrages
Das Gericht urteilte, dass der beklagte Reiseveranstalter sich die Verspätung der Deutschen Bahn als Reisemangel zurechnen lassen muss. Denn der Bahntransfer mittels „Rail & Fly“ war Inhalt des Reisevertrages geworden. Mit diesem Angebot hat die Beklagte ihre reisevertraglichen Pflichten freiwillig erweitert.
Ihre Einstandspflicht hätte sie dadurch ausschließen können, dass sie nur die Kosten der Anreise (als Fremdleistung) übernommen hätte. Das hat sie nicht getan, sondern die Bahnfahrt als Teil der geschuldeten Reiseleistung angeboten. Sofern die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vorsahen, dass der Reisende für seine Anreise selbst verantwortlich sei, sei diese Klausel unwirksam.
10 Minuten Verspätung müssen eingerechnet werden
Laut Urteil kann ein Reisender zudem grundsätzlich auf die Einhaltung der Abfahrts- und Ankunftszeiten der Bahn vertrauen.
Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, er hat die Meldeschlusszeit nicht eingehalten. Denn die Buchungsbestätigung hat nur die Empfehlung beinhaltet, drei Stunden vor Abflug beim Check-In zu sein. Verbindlich war aus objektiver Sicht aber die Angabe gewesen, sich 120 Minuten vor Abflug am Schalter einzufinden.
Der Kläger hat auch nur solche Verzögerungen einplanen müssen, mit denen regelmäßig zu rechnen ist. Die Reiserechtskammer entschied, dass eine Zugverspätung von zehn Minuten einzukalkulieren ist. Bei dieser Planung wäre der verbliebene Zeitpuffer im vorliegenden Fall ausreichend gewesen, um rechtzeitig 120 Minuten vor Abflug am Abflugschalter anzukommen.
Urteil vom 13. November 2019 (Landgericht Frankfurt am Main, Az. 2-24 S 74/19)
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