Pauschalreisen: Reiseveranstalter ist bei Flugannullierung für Kostenerstattung zuständig
Bei den Reiseveranstalter Hellas Travel buchten drei Personen Hin- und Rückflüge für die Strecke Eelde – Korfu als Teil einer Pauschalreise. Die Zahlung dafür erhielt der Reiseveranstalter.
Einige Tage vor dem vereinbarten Abflugtag teilte Hellas Travel den drei Reisenden jedoch mit, dass ihre Reise annulliert werde. Die Fluggesellschaft hatte nämlich beschlossen, keine Flüge mehr nach und von Korfu durchzuführen.
Über das Vermögen von Hellas Travel wurde am 3. August 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Klage auf Erstattung der Ticketkosten
Die Flugscheinkosten erstattete der mittlerweile insolvente Reiseveranstalter den drei Reisenden nicht. Daraufhin erhoben sie Klage vor der Rechtbank Noord-Nederland. Diese verurteilte die Fluggesellschaft, ihnen nach der Verordnung Nr. 261/2004 über die Fluggastrechte eine Ausgleichsleistung wegen Annullierung ihres Fluges zu zahlen. Allerdings entschied das Gericht nicht über ihren Antrag auf Erstattung der Flugscheinkosten.
Befragung des Europäischen Gerichtshofs
Das Gericht befragte den Europäischen Gerichtshof in Bezug auf die Erstattung der Flugscheinkosten. Es möchte wissen, ob ein Fluggast, der nach der Richtlinie über Pauschalreisen gegen seinen Reiseveranstalter Anspruch auf Erstattung seines Flugscheins habe, die Erstattung dieses Flugscheins auf der Grundlage der Verordnung über die Fluggastrechte beim Luftfahrtunternehmen geltend machen könne.
Kein Anspruch gegenüber Luftfahrtunternehmen
Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass bereits das Bestehen eines Erstattungsanspruchs aus der Richtlinie über Pauschalreisen ausreicht, um auszuschließen, dass ein Fluggast, dessen Flug Bestandteil einer Pauschalreise ist, beim ausführenden Luftfahrtunternehmen die Erstattung seiner Flugscheinkosten nach der Verordnung über die Fluggastrechte verlangen kann.
Die Ansprüche auf Erstattung der Flugscheinkosten nach der Verordnung und nach der Richtlinie sind demnach nicht kumulierbar. Eine solche Kumulierung wäre dazu angetan, zu einem ungerechtfertigten Übermaß an Schutz der betroffenen Fluggäste zu Lasten des ausführenden Luftfahrtunternehmens zu führen, da dieses nämlich Gefahr liefe, einen Teil der Verantwortung übernehmen zu müssen, die dem Reiseveranstalter obliegt.
Diese Schlussfolgerung gilt auch in dem Fall, dass der Reiseveranstalter finanziell nicht in der Lage sein sollte, die Flugscheinkosten zu erstatten, und keine Maßnahmen getroffen haben sollte, diese Erstattung sicherzustellen.
Die Richtlinie sieht unter anderem vor, dass der Reiseveranstalter nachweisen muss, dass im Fall der Zahlungsunfähigkeit die Erstattung gezahlter Beträge sichergestellt ist.
Eine nationale Regelung setzt die Verpflichtungen aus der Richtlinie nur ordnungsgemäß um, wenn sie dazu führt, dass im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters für die Fluggäste tatsächlich die Erstattung aller ihrer gezahlten Beträge sichergestellt ist. Andernfalls kann der betroffene Reisende eine Klage gegen den betreffenden Mitgliedstaat auf Ersatz des Schadens erheben.
Urteil vom 10. Juli 2019 (Europäischer Gerichtshof, C-163/18)
Themen:
LESEN SIE AUCH
Flugstornierung wegen Insolvenz: Recht auf Entschädigung?
Reisepreis zurück wegen Todesangst
Reiserücktritt wegen Covid-19: BGH schafft Klarheit
Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Für die Beurteilung eines Reiserücktritts wegen Covid-19 sind nur die Umstände zum Zeitpunkt des Rücktritts entscheidend. Was diese Entscheidung für Reisende, Veranstalter und Versicherer bedeutet.
Bauherren dürfen jetzt mit Architekten handeln
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
E-Scooter: Trunkenheitsfahrt kann Führerschein kosten
E-Scooter-Fahrer sind im Straßenverkehr nicht besser gestellt als Autofahrer. Wer alkoholisiert fährt, muss mit Konsequenzen rechnen – bis hin zum Führerscheinentzug. Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass bereits ab 1,1 Promille absolute Fahruntüchtigkeit besteht.
Widerrufsbelehrung: Urteil zugunsten von AXA – Verbraucherschützer prüfen nächste Schritte
Der Bund der Versicherten (BdV) und die Verbraucherzentrale Hamburg haben vor dem Oberlandesgericht Köln eine Niederlage erlitten. Die Klage gegen die Widerrufsbelehrung der AXA Relax PrivatRente Chance wurde abgewiesen (Az. 20 UKl 1/24). Das Gericht entschied, dass die Belehrung den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
Betriebliche Altersversorgung während der Coronakrise ausgesetzt - zu Recht?
Die Aussetzung von Beiträgen zur betrieblichen Altersversorgung (bAV) im Zuge der Coronakrise unterliegt einer Prüfung nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit, so das Bundesarbeitsgericht (BAG).
Fristenkontrolle: Anwälte müssen nicht doppelt prüfen
Rechtsanwälte müssen Fristen nicht doppelt prüfen, sofern sie sich auf eine funktionierende Organisation und die Vermerke in den Handakten verlassen können, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG). Das hat nicht nur praktische, sondern auch haftungsrechtliche Konsequenzen.