Wenn es am letzten Tag einer Pauschalreise zu einem Vorfall kommt, bei dem ein Reisender Todesängste erleidet, ist unter Umständen die gesamte Reise als wertlos anzusehen und der Reiseveranstalter muss den Reisepreis zurückerstatten. So lautet ein Urteile des Landgerichts Köln.
Bei einem Malediven-Urlaub sollte am Abreisetag ein Fährboot das Ehepaar von der Insel, auf der das Hotel lag, zurück zum Flughafen bringen. Nachdem das Boot wegen eines Unwetters bereits verspätet ankam, berichteten die Fahrgäste der Hinfahrt von einer stürmischen Überfahrt.
Motorausfall in stürmischer See
Dennoch und trotz offizieller Unwetterwarnung schickte die Mannschaft die Fahrgäste an Bord und legte ab. Im Sturm fielen beide Motoren und die Navigation aus und das Boot trieb manövrierunfähig auf dem Meer. Viele Fahrgäste mussten sich übergeben, darunter auch die Kläger. Ein Küstenwachboot, das auf die Fähre aufmerksam wurde, rammte es versehentlich. Dadurch kam erneut Panik auf. Erst nach mehreren Notrufen eilte ein Marineschiff zu Hilfe und schleppte das Boot in den nächsten Hafen. Das Ehepaar verpasste seinen Flug und konnte mit dem völlig durchnässten Gepäck erst am nächsten Tag die Heimreise antreten.
Ehefrau mit posttraumatischer Belastungsstörung
Die Ehefrau erlitt durch den Vorfall eine posttraumatische Belastungsstörung, weshalb sie dreimal stationär in eine psychiatrische Klinik musste. Eine ambulante Behandlung folgte. Sie war auch ein Jahr später zum Zeitpunkt des Verfahrens noch nicht wieder voll arbeitsfähig. Ärztliche Atteste bescheinigten den Vorfall als Ursache.
Reiseveranstalter lehnt Reisepreisminderung und Schmerzensgeld ab
Das Ehepaar machte vor Gericht eine Minderung des Reisepreises und Schmerzensgeld geltend. Allerdings war der Reiseveranstalter der Ansicht, dass hier höhere Gewalt vorliegt, für die er nicht haftet. Außerdem können die Reisenden ihn nicht für Fehler eines örtlichen Dienstleisters verantwortlich machen, den er sorgfältig ausgesucht hatte.
Urteil zu Gunsten des Ehepaars
Das Landgericht Köln entschied, dass dem Ehepaar die komplette Rückzahlung des Reisepreises zusteht. Beide hätten zudem Anspruch auf je 500 Euro Schmerzensgeld für die Rückfahrt, bei der sie stundenlang Todesangst litten.
Michaela Rassat, Juristin der D.A.S. Rechtsschutz Leistungs-GmbH (D.A.S. Leistungsservice), dazu:
„Die Ehefrau erhielt weitere 5.000 Euro Schmerzensgeld für ihre nachfolgende Erkrankung – und damit doppelt so viel wie von den Klägern gefordert.“
Laut Gericht hat der Reiseveranstalter keinerlei Maßnahmen getroffen, um zu verhindern, dass die Reisenden auf dem Weg zum Flughafen in Gefahr geraten. Da es eindeutige Unwetterwarnungen gegeben hat und es bereits auf der Hinfahrt stürmisch gewesen ist, hätte der Bootstransport nicht stattfinden dürfen. Für dieses unverantwortliche Verhalten haftet der Reiseveranstalter.
Durch ein extremes Ereignis am letzten Tag kann dem Gericht zufolge der Erholungswert komplett entfallen. Dies war hier der Fall. Deshalb sei der Reisepreis vollständig zurückzuzahlen.
Urteil vom 15. Januar 2019 (Landgericht Köln, Az. 3 O 305/17)
Themen:
LESEN SIE AUCH
Betreiber haftet nicht bei Verletzung im Schwimmbad
Hohes Mitverschulden bei falscher Reaktion auf Unfall
Widerrufsrecht bei einem Werkvertrag
Pauschalreisen: Reiseveranstalter ist bei Flugannullierung für Kostenerstattung zuständig
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Reitunterricht als Freizeitgestaltung: BFH schränkt Umsatzsteuerbefreiung deutlich ein
Der Bundesfinanzhof hat entschieden: Reitunterricht ist nur dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn er klar berufsbezogen ist. Freizeitangebote wie Ponyreiten oder Klassenfahrten gelten als steuerpflichtig.
BFH-Urteil: Steuerliche Folgen bei Grundstücksübertragungen mit Schuldübernahme
Wer ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach dem Kauf überträgt und dabei bestehende Schulden vom Erwerber übernehmen lässt, muss mit einer Einkommensteuerpflicht rechnen.
Verfassungsbeschwerde im Dieselstreit abgewiesen – Bundesverfassungsgericht bestätigt Revisionsurteil eines Hilfssenats
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde eines Autoherstellers gegen ein Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs in einem Dieselverfahren nicht zur Entscheidung angenommen – und stärkt damit die Rolle des VIa. Zivilsenats als Hilfssenat.
Millionenbetrug mit Schein-Beitritten zu Genossenschaft - BGH bestätigt Urteil
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verurteilung zweier Angeklagter wegen gewerbsmäßigen Betrugs durch das Landgericht Weiden i.d.OPf. bestätigt. Die Angeklagten hatten über eine Genossenschaft vermeintlich vermögenswirksame Leistungen angeboten, ohne die gesetzlichen Formvorschriften einzuhalten.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.