Aktuelle Positionsbestimmung für unabhängige Finanzanlagenvermittler und Versicherungsmakler

Aktuelle Positionsbestimmung für unabhängige Finanzanlagenvermittler und Versicherungsmakler
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Schon 2018 hatte es in sich. Sehr ärgerlich waren die teilweise unsinnigen Auswüchse, die mit der DSGVO-Umsetzung einhergingen und -gehen. Gleiches gilt für die IDD und die kurz vor Weihnachten finalisierte Versicherungsvermittlungsverordnung.

Einem Mehr an Bürokratie, administrativem Aufwand und Informationsüberflutung der Kunden steht kein adäquater Nutzen gegenüber. Die Professionalisierung, Automatisierung und Digitalisierung in der Branche hat weiter Fahrt aufgenommen, wird aber durch Gesetzgebung aus dem vorigen Jahrhundert ausgebremst.

Der Gesetzgeber macht jedoch ungebremst weiter. 2019 und absehbar auch 2020 sind für die deutsche Versicherungs- und Finanzbranche, und dort auch besonders für die unabhängigen Berater und Vermittler, eminent wichtige Jahre.

Derzeit sind für 2019 und 2020 drei Kernthemen in der Regulierung zu verorten.

  1. Finanzanlagenvermittlungsverordnung
  2. BaFin-Aufsicht für Gewerbetreibende mit Zulassung nach § 34 f GewO (und § 34 d GewO?)
  3. Provisionsdeckel

Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV)

Die bereits seit 1. Januar 2013 geltende Finanzanlagenvermittlungsverordnung wird nun in Teilen dem Regime der am 3. Januar 2018 bereits in Kraft getretenen MiFID II angepasst werden. Nach fast zwei Jahren wurde am 20. September 2019 nun vom Bundesrat die finale Version verabschiedet. Der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW hatte vorher eine äußerst ausführliche, kritische Stellungnahme abgegeben, die auch in letzter Minute noch zu einigen Änderungen geführt hat.

Norman Wirth, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Wirth-Rechtsanwälte PartmbB

Im Kern werden zwingend die MiFID-II-Vorgaben zur Offenlegung von Provisionen und Kosten, zur Anlageberatung sowie zum Umgang mit Interessenkonflikten umgesetzt.Das bisherige Beratungsprotokoll wird durch eine sogenannte „Geeignetheitserklärung“ersetzt – etwas, was Versicherungsvermittler bei der Beratung zu Versicherungsanlageprodukten schon seit über einem Jahr anzufertigen haben.

Inhaltlich liegt der Schwerpunkt zukünftig auf der Begründung der Anlageempfehlung. Diese muss individuell ausfallen und darlegen, wie die Empfehlung auf die persönlichen Umstände des Kunden abgestimmt ist. Eine lediglich schlagwortartige Nennung der wesentlichen Gründe für die Empfehlung dürfte dann nicht mehr ausreichen.

„Positiv ist, dass das lange drohende Provisionsverbot durch die Hintertür nun nicht kommt.“

Obwohl nach MiFID II eigentlich kein Muss, sind nun auch die verschärften Zulässigkeitsanforderungen für Provisionen und die Product-Governance-Regeln für Finanzanlagenvermittler mit Zulassung nach § 34f  GewO eingeführt. Die in der MiFID II vorgesehene Regelung, Telefongespräche und sonstige elektronische Kommunikation (also auch Videotelefonie) aufzuzeichnen – das sogenannte „Taping“ –, trifft nun auch die 34f-Vermittler.

Positiv ist, dass das lange drohende Provisionsverbot durch die Hintertür nun nicht kommt. Ebenfalls ist es im Sinne der Diversifikation beim Kunden und des Beratungsfreiraums gut, dass sich der AfW mit der Forderung durchsetzen konnte, dass es in begründeten Ausnahmefällen möglich sein muss, auch außerhalb des vom Produktgeber definierten Zielmarktes zu vermitteln. Und selbstverständlich ist zu begrüßen, dass nun eine angemessene Übergangsfrist von zehn Monaten zur Umsetzung vorgesehen ist.

BaFin-Aufsicht

Koalitionsvertrag CDU/SPD vom 12. März 2018, Zeilen 6.348 bis 6.350 Dieser Punkt im Koalitionsvertrag sorgt zu Recht für viel Aufregung. Das System der gewerberechtlichen Aufsicht hat sich über die letzten Jahre bewährt. Es gibt keinen erkennbaren qualitativen Grund, warum ein Wechsel erforderlich wäre. Trotzdem wird er von einigen Marktteilnehmern und auch Politikern angestrebt.

Warum? Missbrauch beziehungsweise Skandale, die aufgrund der gewerberechtlichen Aufsicht entstanden oder wenigstens begünstigt worden wären, sind nicht erkennbar.

„Wir werden zur Herstellung einer einheitlichen und qualitativ hochwertigen Finanzaufsicht die Aufsicht über die freien Finanzanlagevermittler schrittweise auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen.“

Es gibt auch keine Vermittler-Skandale, es gibt vielmehr Produkt- beziehungsweise Institutsskandale (Infinus, Prokon, S&K, P&R, Deutsche Bank), bei denen die BaFin in ihrer Aufsichtsfunktion gefordert gewesen wäre. Insofern funktioniert die Institutsaufsicht der BaFin schlechter als die gewerberechtliche Aufsicht der §-34f-Vermittler. Es fragt sich auch, wo bei der BaFin die Quelle der Kompetenz für die Beaufsichtigung von 37.500 Vermittlern sein soll. Bisher ist die BaFin ja nur in der Institutsaufsicht tätig.

Eine Änderung der Aufsicht würde auch mit hohen zusätzlichen Kosten verbunden sein. Bisher ist unsicher, wie hoch die Kosten der BaFin für die Vermittleraufsicht für den einzelnen §-34f-Vermittler sein werden. Das vorhandene Umlageprinzip für Ba-Fin-beaufsichtigte Unternehmen wird mit Sicherheit aber zu einer zusätzlichen Belastung im vierstelligen Bereich führen. Es ist teilweise von 3.000 bis 7.000 Euro die Rede.

Das §-34f-Geschäft ist bei vielen Vermittlern heute ein Teil ihres Unternehmenskonzepts oder „Zusatzgeschäftes“. Eine zusätzliche Kostenbelastung ist für diese daher nicht tragbar und könnte zur Aufgabe dieses Geschäftsbereiches führen. Damit würde sich die Anlageberatung auf die großen Bankinstitutsgruppen konzentrieren. Es sollte ordnungspolitisch nicht angestrebt sein, dass die Anlageberatung faktisch zentralistisch aus einigen Bürotürmen in Frankfurt gesteuert wird.

Aktueller Stand: Auch wenn seitens der BaFin inzwischen an einer Übernahme der Aufgaben gearbeitet wird und ein erster Gesetzesentwurf bereits kursiert, bleibt zu hoffen, dass es sich hier letztlich um einen politischen Agendapunkt der Regierungskoalition – und dort insbesondere der SPD – handelt, der nicht umgesetzt wird.

Bauchschmerzen bereitet besonders, dass es nicht nur seitens der Bankenbranche, sondern auch seitens großer Versicherer und damit auch des GdV (bisher eher unausgesprochen) eher Zuspruch für eine BaFin-Vermittleraufsicht gibt. Und diese auch nicht nur für die unabhängigen Finanzanlagenvermittler, sondern auch für Versicherungsmakler.

Provisionsdeckel

Ähnlich bei diesem Thema. Alle reden darüber, aber kein weiß warum. Wo kommt die Diskussion über den Deckel überhaupt her? Im Koalitionsvertrag steht darüber nichts. Aber bereits 2013 und Anfang 2017 konnten wir jeweils feststellen, dass aus dem GdV heraus die Diskussion über den Deckel angefacht wurde. Zum Verständnis der Thematik Provisionsdeckel muss man also vor allem fragen: Cui bono? Wem nutzt es?

Der aktuell vorliegende Gesetzesentwurf beinhaltet zwar eine staatlich angeordnete Reduzierung und Begrenzung der Vergütung eines ganzen Berufsstandes – der Versicherungsmakler – über die sogenannte „Deckelung der Abschlussprovision von Lebensversicherungen“ (auch Provisionsdeckel genannt).

Er zeigt jedoch nicht auf, dass die dadurch erzielten Einsparungen sodann den Versicherungsnehmern zugutekommen. Wem also dann? Den Aktionären (Dividende je Allianz-Aktie für 2018: 9 Euro, Erhöhung um 12,5 Prozent zum Vorjahr)? Den Vorständen (Allianz-Chef 2018: erstmals über 10 Millionen Vergütung)? Den Mutterkonzernen über sogenannte „Gewinnabführungsverträge“ (37 LV Gesellschaften 2014 – 2017: 4,2 Milliarden Euro)?

Mit anderen Verbänden hat der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, die zu dem Ergebnis kommen, dass ein Provisionsdeckel in der Lebensversicherung weder mit der Verfassung noch mit dem Europarecht in Einklang zu bringen wäre. Wird das helfen, dass in der Politik der Deckel in der Schublade verschwindet? Ja. In der Regel helfen fundierte und belastbare Argumente, eine Position zu stärken und durchzusetzen.

Der bisher vorliegende Entwurf eines Provisionsdeckel-Gesetzes zeigt mindestens eines: die Bereitschaft der Verfasser, sehenden Auges den gewählten Bundestagsabgeordneten ein verfassungswidriges Gesetz zur Abstimmung zu übergeben.

Prof. Dr. Papier, Bundesverfassungsgerichtspräsident a. D., hatte schwerste verfassungsrechtliche Bedenken gegen einen Provisionsdeckel – egal in welcher Ausgestaltung – in seinem Gutachten geäußert. Diese Bedenken wurden nicht einmal ansatzweise ernsthaft versucht mit dem vorliegenden Entwurf auszuräumen. Der Gesetzesentwurf wird wegen offenkundiger Verfassungswidrigkeit in dieser Form sicherlich nicht im Bundestag zur Abstimmung kommen.

Aktueller Stand/Prognose: Bisher hat es der Gesetzesentwurf noch nicht einmal geschafft, vom Bundeskabinett durchgewunken zu werden. Bereits hier blockiert aktuell die CDU/CSU. Sollte aber das Kabinett doch zustimmen, müsste das Gesetz noch in den Bundestag. Dort muss dann der eigentliche Gesetzgeber – die Abgeordneten – entscheiden. Wir sind weiter davon überzeugt und werden alles dafür tun, dass letztlich die gewählten Volksvertreter nicht mehrheitlich einem solchen Gesetz zustimmen werden.

Finales Fazit

Es sind erhebliche Anstrengungen nötig, um zu gewährleisten, dass es auch noch in dreieinhalb oder zehn Jahren überhaupt noch unabhängige Finanzanlagen- und Versicherungsberatung und -vermittlung geben wird. Die Bestrebungen hiergegen sind seitens der „Verbraucherschutz“ Vertreter, der Bankenlobby und eines Teils der Versicherer erheblich.

Mehr zum Thema in der November-Ausgabe 19

 

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