Früher an später denken – Schon beim Abschluss wichtig: die Praxis in der BU-Regulierung

Früher an später denken – Schon beim Abschluss wichtig: die Praxis in der BU-Regulierung
© BillionPhotos.com / fotolia.com (2) © Franke und Bornberg

Wenn ein Kunde Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) beantragt, schlägt für ihn die Stunde der Wahrheit. Reagiert sein Versicherer jetzt schnell und professionell? Begleitet ihn der Sachbearbeiter in dieser emotional belastenden Situation partnerschaftlich und empathisch oder ist er von vornherein auf Ablehnung programmiert?

Sich mit allen Mitteln vor der Leistung zu drücken, wird Versicherern schließlich nur allzu gern unterstellt. Der Versichererverband GDV hält dagegen und konstatiert eine „hohe Leistungsquote“. Versicherer seien „verlässliche Partner: 78 Prozent aller Leistungsanträge in der Berufsunfähigkeitsversicherung werden bewilligt“, so der GDV.

Im Zuge des BU-Unternehmensratings untersucht Franke und Bornberg die Regulierungspraxis schon seit vielen Jahren und überprüft die Arbeitsprozesse in Form von Stichproben auch bei den Unternehmen vor Ort – im Ansatz weiter gehend also als der GDV, dessen Analysen ausschließlich auf Abfragen bei den Mitgliedsunternehmen beruhen. Wobei längst nicht alle Unternehmen unsere Analysten ins Haus lassen.

Michael Franke, Geschäftsführender Gesellschafter, Franke und Bornberg

Die Ergebnisse in Bezug auf die Anerkennungsquoten sind allerdings ähnlich: Drei von vier Leistungsentscheidungen fallen zugunsten der Versicherten aus. Zu berücksichtigen ist, dass bei den umfragebasierten Erhebungen, wie der des GDV, einige Versicherer mit wenig glaubhaft hohen Quoten den Durchschnitt nach oben treiben. Es ist daher zu vermuten, dass die marktbreite tatsächliche Quote niedriger liegt.

Dennoch scheint der Vorwurf systematischer Verweigerung von BU-Leistungen zumindest nicht pauschal gerechtfertigt. Aber das ist natürlich keine Garantie für jeden Einzelfall, denn es sind Menschen, die Leistungsfälle entscheiden, und bekanntlich sind Menschen nicht unfehlbar.

Und mit ihrer Anerkennungsquote übertreffen die privaten Versicherer die Deutsche Rentenversicherung DRV mehr als deutlich. Denn die bewilligt nur rund die Hälfte aller Anträge auf Erwerbsminderungsrente (EMR) – obwohl die Kriterien zur Feststellung einer EMR weniger komplex sind als in der privaten BU-Versicherung.

Verzögern die BU-Versicherer?

Doch bei der BU-Regulierung zählt nicht nur die Anerkennungsquote. Versicherer werden häufig wegen zu langer Regulierungsdauern kritisiert. Sie würden die Leistungsprüfung oft grundlos in die Länge ziehen, lautet der Vorwurf. Auch hier wartet der GDV mit Zahlen auf: 110 Tage dauerte die Regulierung im Durchschnitt – vom ersten Anruf beim Versicherer bis zur bewilligten Leistung. In diesem Punkt weichen die Zahlen des GDV deutlich von unseren Erkenntnissen ab.

Die durchschnittliche Regulierungsdauer von Anerkennungen beträgt nach jüngsten Untersuchungen von Franke und Bornberg rund 170 Tage. Ablehnungen dauern sogar noch etwas länger. Versicherer nehmen sich offensichtlich mehr Zeit, um zu einem belastbaren Votum zu gelangen.

Auch wenn manche Kritik überzogen ist – bei der BU-Regulierung gibt es noch erhebliches Optimierungspotenzial. Das herauszufinden, hat sich Franke und Bornberg zur Aufgabe gemacht. Damit grenzen wir uns bewusst ab von jenen Stimmen, die sich mit Skandalisierung profilieren wollen.

Statt pauschaler Versichererschelte setzen wir auf Transparenz und den Austausch zur Best Practice. Wer macht was schon heute richtig in der BU-Leistungsprüfung? Welcher Versicherer kann mit besonders kundenfreundlichen Regelungen überzeugen? Mit diesem Ansatz wollen wir Probleme nicht ignorieren, sondern die Diskussion um Lösungsansätze erweitern und zugleich Vermittlern geeignete Beratungswerkzeuge an die Hand geben.

Qualität der Regulierung zählt

Trotz ihrer entscheidenden Bedeutung spielte die Regulierungsqualität in Tarifratings bislang kaum eine Rolle. Franke und Bornberg macht jetzt eine Zäsur und zieht für das BU-Rating erstmals die Leistungspraxis als weiteren Beurteilungsmaßstab heran. Die Bewertungsgrundlage bilden Stichproben und Messungen, die Franke und Bornberg bei Versicherern vor Ort durchführt. Das neue Ratingverfahren bietet allen Versicherern die Möglichkeit, ihre Qualitäten in diesem für Kunden wichtigen Bereich transparent zu machen.

Neben der Gesamtwertung veröffentlicht Franke und Bornberg zum BU-Unternehmensrating und BU-Leistungspraxisrating sämtliche Einzelberichte auf Unternehmensebene als verständliche Zusammenfassung im Internetauftritt. Vermittler und ihre Mandanten können hier auf einen Blick die besten BU-Tarife sowie kundenfreundlich und professionell agierende Anbieter erkennen.

Bei unseren jüngsten Untersuchungen zur BU-Leistungspraxis stellen wir fest, dass die durchschnittlichen Reaktionszeiten bei der Sachbearbeitung zurückgehen. Auf die Leistungsfallmeldung und den ausgefüllten Kundenfragebogen reagieren die teilnehmenden Versicherer schneller als in der Vergangenheit. Das ist neben der Optimierung von Arbeitsprozessen nicht zuletzt auf den verstärkten Einsatz von geschulten Dienstleistern zurückzuführen, die Antragsteller auf Wunsch beim Ausfüllen des Fragebogens unterstützen.

Sie sorgen unter anderem dafür, dass Unterlagen wie Arztberichte und Erklärungen zu Schweigepflichtentbindungen vollständig eingereicht werden. Digitalisierung der Korrespondenz und bessere fallbezogene Abstimmung mit Ärzten könnten die Abläufe zusätzlich beschleunigen. Auch dafür beobachten wir erste Ansätze im Markt. Doch um die zu verwirklichen, müssen auch die Mediziner mitspielen.

Best Practice in der BU-Leistungsprüfung

Ein weiterer intelligenter Ansatz: den Weg für eine reibungslose Regulierung schon vor der Policierung zu ebnen. Es gibt bereits einen Versicherer, der seinen Kunden anbietet, zur Risikoprüfung die Gesundheitsakte der gesetzlichen Krankenversicherung heranzuziehen. Auf diese Weise wird die Zeitbombe entschärft, dass sich Abrechnungsdiagnosen oder andere dem Patienten unbekannte Sachverhalte und Diagnosen einschleichen, die eine Anzeigepflichtverletzung nahelegen könnten. Auch für Vermittler ist das Angebot interessant; sie vermeiden Haftungsrisiken, die aus ihrer Bewertung von Gesundheitsakten resultieren.

Spezialisierte Teams für die Leistungsbearbeitung bieten ebenfalls Vorteile. Prozessaffine Versicherer kategorisieren eingehende Leistungsfälle auf Grundlage eines standardisierten Telefonates und leiten diese gemäß ihrer Schwere und Komplexität in unterschiedliche Teams weiter. Das senkt nicht nur die Durchlaufzeiten, sondern trägt auch dazu bei, dass in diesen Teams wertvolles Expertenwissen wächst – für ebenso treffsichere wie schnelle Entscheidungen. Eine weitere erfreuliche, weil kundenorientierte Entwicklung führt weg vom statischen Fragebogen in Textform hin zum persönlichen Gespräch. Hier setzen Leistungsprüfer auf persönliche Ansprache und nehmen direkten Kontakt mit dem Anspruchsteller auf. Auf diese Weise können sie individuell auf jeden Sachverhalt reagieren. Anstelle eines 30- bis 60-seitigen Fragebogens erhält ihr Kunde vorausgefüllte Unterlagen, die bereits auf seine ganz persönliche Situation zugeschnitten sind. Das verspricht Erleichterung in dieser oft psychisch belastenden Situation und beugt zugleich Missverständnissen vor.

Was Vermittler tun können …

Noch immer zu selten begleiten Vermittler ihre Mandanten, wenn diese Leistungen aus ihrer BU-Versicherung beantragen. Dabei mag auch Unsicherheit eine Rolle spielen. Schließlich ist man selbst oft kein Experte und will auch nichts falsch machen. Das ist zwar verständlich, aber nicht kundenorientiert. Vermittler sollten ihren Kunden gerade zu Beginn der Leistungsprüfung zur Seite stehen. Das vermittelt Kunden Halt und Sicherheit dank persönlicher Begleitung durch einen bekannten Menschen.

Doch gute Beratung beginnt nicht erst im Leistungsfall.

Schon bei der Auswahl müssen Vermittler neben der Produktqualität auch Kundenorientierung und die Stabilität einer Gesellschaft im Blick haben. Schließlich wird die Basis einer fairen Regulierungspraxis bereits in der Antragsprüfung gelegt. Versicherer, die hier zu lax vorgehen und beispielsweise auf das Vertriebsinstrument einer vereinfachten Gesundheitsprüfung setzen, werden spätestens bei der Regulierung gegensteuern und restriktiv über ihre Leistungspflicht entscheiden (müssen). Unterlassen sie das, muss die Überschussbeteiligung daran glauben; steigende Beiträge sind die Folge. Am Ende der Kette bleiben nur noch Kunden, die keine Chance haben, zu einem leistungsfähigeren Versicherer zu wechseln.

… und was Versicherer und der GDV

Transparenz sorgt für mehr Sicherheit und schafft Vertrauen.

Das beginnt schon beim Kleingedruckten, also den Versicherungsbedingungen. Sie sollten so formuliert sein, dass nicht nur Juristen und unsere Analysten sie verstehen und einordnen können. Denn je unverständlicher die Bedingungen, umso mehr Nahrung erhält der Vorwurf, Versicherer würden sich systematisch vor ihrer Leistungspflicht drücken.

Mehr Transparenz gefragt ist auch bei Statistiken zu Produkten der Arbeitskraftsicherung und zum Leistungsverhalten der Versicherer. Vor diesem Hintergrund würden wir einheitliche Definitionen und Standards ausdrücklich begrüßen; gern steuern wir Wissen und Erfahrungen von Franke und Bornberg bei.

Michael Franke gilt als Pionier des Produktratings. Bereits 1995 veröffentlichte er das erste BU-Rating und damit auch das Versicherungsrating überhaupt in Deutschland. Noch heute liegt ihm das Thema Arbeitskraftsicherung ganz besonders am Herzen.

Mehr zum Thema in der März-Ausgabe 19

 

Bilder: (1) © BillionPhotos.com / fotolia.com (2) © Franke und Bornberg (3) © experten-netzwerk GmbH