Sonderabschreibung für E-Fahrzeuge: Steuerlicher Impuls mit strukturellen Schwächen
Die Bundesregierung hat sich Großes vorgenommen: 15 Millionen Elektrofahrzeuge sollen bis Ende 2030 auf deutschen Straßen unterwegs sein. Angesichts von bislang nicht einmal zwei Millionen zugelassenen E-Autos erscheint dieses Ziel derzeit kaum realistisch. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) will nun mit einer steuerlichen Sonderregelung gegensteuern – die neue Superabschreibung soll bereits ab Juli 2025 in Kraft treten und Investitionen von Unternehmen in Elektromobilität stimulieren. Doch der im Koalitionsvertrag von Union und SPD verankerte Impuls droht trotz guter Intentionen an der Realität des Marktes vorbeizugehen.
Steuerlicher Hebel mit konkreter Staffelung
Konkret sieht der Gesetzentwurf vor, dass Betriebe für zwischen Juli 2025 und Dezember 2027 neu angeschaffte, rein elektrisch betriebene Fahrzeuge im ersten Jahr 75 Prozent der Anschaffungskosten steuerlich geltend machen können. Im zweiten Jahr sollen weitere zehn Prozent abgeschrieben werden können, gefolgt von je fünf Prozent im dritten und vierten, drei Prozent im fünften sowie zwei Prozent im sechsten Jahr. Der Fokus liegt damit klar auf dem betrieblichen Sektor, betroffen sind nicht nur Pkw, sondern auch Nutzfahrzeuge, Lkw und Busse.
Im Gesetzentwurf heißt es, man wolle so „deutliche steuerliche Anreize insbesondere für den Markthochlauf der Elektromobilität im betrieblichen Bereich setzen“. Eingebettet ist die Maßnahme in das „Sofortprogramm der Bundesregierung“, mit dem insbesondere die Haushalte 2025/26 sowie die mittelfristige Finanzplanung konsolidiert werden sollen.
Positive Ordnungspolitik – mit unzureichender Zielgenauigkeit
Aus ordnungspolitischer Sicht ist der Ansatz konsequent: Statt direkter Subventionen setzt die Regierung auf steuerliche Entlastung von Investitionen – ein Instrument, das die Eigenverantwortung stärkt und keine zusätzliche fiskalische Umverteilung erfordert. Doch bei genauerem Blick offenbaren sich zentrale Schwächen.
Erstens ist der Zusatznutzen gegenüber der bestehenden degressiven Abschreibung gering. Bereits heute können Betriebe 40 Prozent im ersten Jahr und 78 Prozent innerhalb von drei Jahren geltend machen. Die Superabschreibung bringt hier zwar einen Zuwachs – doch dieser fällt moderat aus. Entscheidend ist: Der steuerliche Effekt bleibt temporär. Was in den ersten Jahren weniger besteuert wird, muss später nachgeholt werden. Ein echter Kostenvorteil ergibt sich für Unternehmen nur bei einer flankierenden Unternehmenssteuersenkung – derzeit jedoch reine Zukunftsmusik.
Leasing bleibt außen vor
Die größte Schwäche liegt in der Marktlogik der Maßnahme: Leasingfahrzeuge sind ausgeschlossen. Da Leasingnehmer nicht Eigentümer der Fahrzeuge sind, können sie keine Abschreibung geltend machen. Doch gerade im gewerblichen Sektor dominieren Leasingmodelle – bei E-Fahrzeugen ist die Quote sogar besonders hoch, da technologische Unsicherheit und fehlende Zweitmarktpreise Investoren vorsichtig machen. Die Maßnahme läuft damit für große Teile der betrieblichen Praxis ins Leere.
Keine Lösung für Privatkunden
Auch Privatkunden gehen leer aus. Die vorherige Kaufprämie förderte Kauf und Leasing gleichermaßen und war zudem sozial ausdifferenziert – Kleinwagen erhielten höhere Zuschüsse, Fahrzeuge ab 65.000 Euro wurden nicht mehr unterstützt. Die neue Sonderabschreibung ist hingegen pauschal ausgestaltet und begünstigt damit tendenziell kapitalkräftige Unternehmen mit höherem Steueraufkommen.
Politischer Kontext: Ausbauziele kontra Regulierung
Flankierend zur steuerlichen Maßnahme sollte auch die politische Gesamtlage betrachtet werden: Die EU hat die Flottengrenzwerte für CO₂-Emissionen gelockert. Hersteller müssen die CO₂-Grenzwerte nicht mehr jährlich, sondern nur im Drei-Jahres-Mittel einhalten. Strafzahlungen verzögern sich, der politische Druck zur Elektrifizierung sinkt. Gleichzeitig fehlt im aktuellen Sofortprogramm der Bundesregierung eine zentrale Maßnahme: die Vereinfachung der Genehmigungsverfahren für den Ausbau der Ladeinfrastruktur – ein vielfach genanntes Nadelöhr der Verkehrswende.
Einordnung
Die neue Sonderabschreibung für E-Fahrzeuge ist ordnungspolitisch sauber, aber wirtschaftlich unzureichend kalibriert. Sie setzt auf ein steuerliches Signal an Unternehmen, ignoriert jedoch Leasing als dominierendes Beschaffungsmodell und bleibt für den Massenmarkt der Privatkunden wirkungslos. Wenn die Bundesregierung das Ziel von 15 Millionen E-Fahrzeugen bis 2030 ernsthaft erreichen will, muss sie deutlich breiter und pragmatischer fördern – steuerlich, regulatorisch und infrastrukturell.
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