Pflichtversicherung gegen Elementarschäden: Solidarität oder Zwang?

Mit den Bildern der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 noch immer präsent, flammt die Debatte über eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden in Deutschland wieder auf. Der ARD-Podcast „Gold & Asche: Projekt Versicherung“ greift das Thema eindringlich auf – mit dem Mannheimer Versicherungsrechtler Prof. Oliver Brand als prominenter Stimme. Seine kritischen Einordnungen werfen ein differenziertes Licht auf ein Vorhaben, das zwar politische Unterstützung genießt, aber auch erhebliche juristische und ökonomische Fallstricke birgt.

(PDF)
Wo endet individuelle Verantwortung, wo beginnt gesellschaftliche Solidarität?Foto: Grok

Staatliche Entlastung durch kollektiven Schutz?

Im Zentrum der Argumentation für eine Pflichtversicherung steht der Schutz der Allgemeinheit vor finanzieller Überforderung. Die Erfahrung zeigt: Viele Hausbesitzer sind gegen Extremwetterereignisse nicht versichert – und im Schadensfall auf staatliche Hilfe angewiesen. Eine verpflichtende Absicherung könnte diese „Versicherungsquote“ massiv steigern und die Lasten gerechter verteilen. Aus Sicht von Politik und Verbraucherschützern ein notwendiger Schritt – nicht zuletzt, weil der Klimawandel die Frequenz und Intensität solcher Ereignisse weiter steigen lässt.

Warnung vor Fehlanreizen und steigenden Kosten

Doch Prof. Brand warnt im ARD-Podcast eindringlich vor Fehlanreizen: Eine verpflichtende Versicherung könnte Menschen dazu verleiten, in hochgefährdete Gebiete zu ziehen, da sie sich in trügerischer Sicherheit wähnen. Diese Dynamik sei bereits in Ländern wie Frankreich zu beobachten. Zudem verweist er auf das Spannungsverhältnis zwischen steigenden Baukosten, Klimarisiken und Versicherungsprämien – ein Balanceakt, der soziale Ungleichheiten weiter verschärfen könnte.

Alternativen zur Zwangsversicherung

Die Diskussion beschränkt sich längst nicht mehr auf ein Ja oder Nein zur Pflichtversicherung. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) schlägt ein sogenanntes Opt-Out-Modell vor, bei dem Kunden aktiv auf den Schutz verzichten müssten. Prof. Brand lehnt auch dieses Modell ab – zu groß sei die Gefahr, dass ausgerechnet Hochrisikogebiete diese Option wählten. Sein Vorschlag: ein solidarischer Basisschutz, gestaffelt nach Risiken und Leistungen, mit bezahlbaren Prämien für alle.

Aktuelle politische Entwicklungen

Die politische Dynamik bestätigt den Ernst der Lage. Wie bereits berichtet, plant die schwarz-rote Koalition konkrete Schritte: Künftig sollen Neuverträge in der Wohngebäudeversicherung verpflichtend einen Elementarschadenschutz enthalten. Auch bestehende Verträge könnten zu einem Stichtag erweitert werden. Ziel ist es, die massive Versicherungslücke – aktuell ist nur etwa jedes zweite Haus abgesichert – zu schließen. Widerstand kommt vor allem vom Eigentümerverband Haus & Grund, der vor hohen Mehrkosten und Eingriffen ins Eigentumsrecht warnt.

Ein Modell zwischen Eigenverantwortung und Systemwandel

Die Debatte berührt zentrale Fragen des Versicherungssystems: Wo endet individuelle Verantwortung, wo beginnt gesellschaftliche Solidarität? Die Pflichtversicherung könnte zu einem Wendepunkt werden – nicht nur für die Versicherungsbranche, sondern auch für das Verhältnis zwischen Staat, Markt und Bürgern.

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Versicherungspflicht gegen Elementarschäden: Sowohl Mieter, als auch Vermieter sind mehrheitlich dafür, zeigt eine aktuelle Umfrage.DALL-E
Studien

Elementarschadenversicherung: Breite Zustimmung zur Pflichtversicherung

Die Diskussion um eine gesetzliche Versicherungspflicht gegen Elementarschäden nimmt an Fahrt auf. Nachdem die neue Bundesregierung das Vorhaben in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat, zeigt eine aktuelle Umfrage des Vergleichsportals Verivox eine breite Unterstützung in der Bevölkerung.

DAV-Past President Dr. Maximilian HappacherDeutsche Aktuarvereinigung
4 Wände

Elementarschaden-Pflichtversicherung: DAV fordert klare Regeln

Die DAV warnt: Eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden greift zu kurz – ohne risikogerechte Prämien, Prävention und Kumulschutz drohen Fehlanreize.

Sandsackdamm gegen HochwasserBenjamin Nolte
4 Wände

Elementarschutz auf dem Verhandlungstisch: Politik und Verbände drängen auf Pflichtversicherung

Die Pflichtversicherung gegen Hochwasser rückt näher: Politik und Verbände machen Druck – eine staatliche Rückversicherung ist bereits in Planung.

BVK-Präsident Michael H. Heinz.BVK
Politik

BVK lobt Riester-Reform, warnt vor Kostendeckel

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) hat sich zu den Zwischenergebnissen der fachpolitischen Arbeitsgruppen in den laufenden Koalitionsverhandlungen geäußert – mit gemischtem Fazit. Während Reformansätze zur Riester-Rente und die geplante Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden begrüßt werden, stößt eine mögliche gesetzliche Deckelung der Kosten auf deutliche Kritik.

Unsere Themen im Überblick

Informieren Sie sich über aktuelle Entwicklungen und Hintergründe aus zentralen Bereichen der Branche.

Themenwelt

Praxisnahe Beiträge zu zentralen Themen rund um Vorsorge, Sicherheit und Alltag.

Wirtschaft

Analysen, Meldungen und Hintergründe zu nationalen und internationalen Wirtschaftsthemen.

Management

Strategien, Tools und Trends für erfolgreiche Unternehmensführung.

Recht

Wichtige Urteile, Gesetzesänderungen und rechtliche Hintergründe im Überblick.

Finanzen

Neuigkeiten zu Märkten, Unternehmen und Produkten aus der Finanzwelt.

Assekuranz

Aktuelle Entwicklungen, Produkte und Unternehmensnews aus der Versicherungsbranche.

Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk

Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.

Ausgabe 05/25

"Das Gesamtpaket muss stimmen"

Bernd Einmold & Sascha Bassir
Ausgabe 03/25

„Im Vertrieb werden wir unsere Aktivitäten ausbauen und die Kapazitäten dafür verstärken”

Dr. Florian Sallmann
Ausgabe 10/24

"Schema F gibt es nicht mehr"

Michael Schillinger & Andreas Bahr
Kostenlos

Alle Ausgaben entdecken

Blättern Sie durch unser digitales Archiv im Kiosk und lesen Sie alle bisherigen Ausgaben des ExpertenReports. Zur Kiosk-Übersicht