Pflichtversicherung für Elementarschäden: Wendepunkt in der deutschen Wohngebäudeversicherung

Die geplante Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden markiert einen tiefgreifenden Einschnitt in das bisherige Verständnis von Versicherungsschutz und Eigentumsverantwortung. Was bisher eine individuelle Entscheidung war, soll nun gesetzlich vorgeschrieben werden – ein Paradigmenwechsel, den die neue schwarz-rote Koalition fest im Koalitionsvertrag verankert hat (expertenReport berichtete am 26.3.25).

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Was die Koalition konkret plant

Die Kernaussage im Koalitionsvertrag lässt keine Zweifel zu:

„Wir führen ein, dass im Neugeschäft die Wohngebäudeversicherung nur noch mit Elementarschadenabsicherung angeboten wird.“

Das bedeutet: Künftig soll es keine neuen Wohngebäudeversicherungen mehr geben, die ohne Schutz gegen Naturgefahren wie Überschwemmung, Starkregen, Erdrutsche oder Lawinen abgeschlossen werden können. Doch damit nicht genug:

„Schon bestehende Versicherungen sollen zu einem Stichtag um eine Elementarschadenversicherung erweitert werden.“

Ob es für Eigentümer eine Widerspruchsmöglichkeit – also ein sogenanntes „Opt-out“ – geben wird, ist bislang offen. Genau an diesem Punkt entzündet sich die Kritik.

Eigentümerverbände schlagen Alarm

Deutliches Unbehagen äußert unter anderem Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbandes Haus & Grund. Gegenüber BILD erklärte er:

„Zwar empfehlen wir Eigentümern, eine Versicherung gegen Naturgewalten abzuschließen. Die Pflicht dazu lehnen wir aber klar ab. Das ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Eigentum.“

Die Sorge: Eine Zwangsversicherung könnte zu erheblichen Mehrkosten führen – insbesondere in Regionen mit erhöhtem Risiko, wo Versicherungsprämien schon heute hoch sind. Warnecke sieht darin eine staatliche Bevormundung und einen Eingriff in die Vertragsfreiheit, der aus seiner Sicht weder notwendig noch verhältnismäßig ist.

Der Hintergrund: Alarmierende Versicherungslücke

Diese Einwände treffen jedoch auf eine beunruhigende Realität: Aktuell ist nur etwa jedes zweite Wohnhaus in Deutschland gegen Elementarschäden versichert. Dabei zeigen Extremwetterereignisse wie das Ahrtal-Hochwasser 2021 eindrücklich, welche Folgen unzureichende Vorsorge haben kann – für Betroffene ebenso wie für die öffentliche Hand, die immer wieder mit Nothilfen einspringen muss.

Die freiwillige Absicherung hat offensichtlich versagt. In Anbetracht wachsender Klimarisiken stellt sich daher zunehmend die Frage, ob der Staat nicht verpflichtet ist, durch ein Pflichtsystem für flächendeckende Absicherung zu sorgen – auch, um eine faire Lastenverteilung zu gewährleisten.

Ein neuer Gesellschaftsvertrag?

Die Pflichtversicherung ist mehr als eine technische Anpassung. Sie steht für ein neues Verständnis von Eigentum und kollektiver Verantwortung. Eigentümer profitieren von öffentlicher Infrastruktur, Sicherheit und Klimaschutzmaßnahmen – im Gegenzug müssen sie auch bereit sein, sich an den Folgekosten einer sich wandelnden Umwelt zu beteiligen. Eine gut ausgestaltete Pflichtversicherung kann dabei nicht nur das Schadensrisiko mindern, sondern auch Versicherbarkeit in schwierigen Regionen langfristig sichern – etwa durch eine staatliche Rückversicherung.

Pflicht mit Perspektive: Warum jetzt gehandelt werden muss

Die Pflichtversicherung gegen Elementarschäden ist ein Einschnitt – aber ein notwendiger. Die steigenden Kosten durch Naturereignisse machen deutlich, dass individuelle Freiwilligkeit an ihre Grenzen stößt. Jetzt ist die Politik gefordert, ein Modell zu schaffen, das Pflicht, Fairness und soziale Ausgewogenheit in Einklang bringt. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die schwarz-rote Koalition diesen Balanceakt meistert.

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