Christian Lindner warnt im Tagesspiegel: Rentenbescheide häufig fehlerhaft – wegen fehlender Nachweise und komplexer Rechtslage
„Man kann sich nicht darauf verlassen, dass der Rentenbescheid richtig ist“,
warnt Christian Lindner im Interview mit dem Tagesspiegel. Der erfahrene Rentenberater aus Dresden, der seit über drei Jahrzehnten im Sozialversicherungsrecht tätig ist, kritisiert die hohe Fehleranfälligkeit bei der Feststellung gesetzlicher Rentenansprüche. Seine Einschätzung basiert auf langjähriger Praxis:
„Von den Bescheiden, die wir kontrollieren, sind rund 40 Prozent falsch.“
Besonders gravierend: Die Fehler gingen fast immer zu Lasten der Rentnerinnen und Rentner, die dadurch weniger Rente erhielten, als ihnen zusteht.
Lindner, ausgebildeter Diplom-Verwaltungswirt und Mitglied im Bundesverband der Rentenberater sowie beim Deutschen Sozialgerichtstag, gehört zu den renommiertesten Experten seines Fachs. Neben seiner rechtsberatenden Tätigkeit ist er auch als Dozent in der Fortbildung von Fachpersonal im Bereich Renten- und Unfallversicherung aktiv.
Komplexität des Rentenrechts überfordert viele – Fehler bleiben unentdeckt
Wie Lindner im Interview erklärt, liegen viele Fehler nicht in falschen Daten, sondern in der fehlerhaften Anwendung komplexer Rechtsvorschriften. Rentnerinnen und Rentner könnten zwar den Versicherungsverlauf und die Meldungen ihrer Arbeitgeber miteinander abgleichen. Doch wenn es um juristisch anspruchsvolle Sachverhalte geht, sei eine Selbstkontrolle kaum möglich: „Solche Fehler entdecken Laien nicht“, stellt Lindner klar. Seine Empfehlung: Im Zweifel professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Fehlende Nachweise – die unterschätzte Fehlerquelle
Ein zentrales Problem sieht Lindner in nicht eingereichten oder vergessenen Nachweisen. Viele Versicherte gingen fälschlich davon aus, dass die Rentenversicherung automatisch alle relevanten Informationen erhalte. Tatsächlich müssen jedoch Schulzeiten, Studienzeiten, Kindererziehungszeiten oder Pflegezeiten aktiv angegeben und belegt werden. Werden diese Zeiträume nicht dokumentiert, führt das oft zu einer niedrigeren Rentenberechnung – ein Fehler, der erst spät oder gar nicht auffällt.
Diese systemischen Schwächen seien nicht Ausdruck behördlicher Willkür, sondern Folge eines hochkomplexen Regelwerks und unzureichender Aufklärung.
Die DRV widerspricht pauschaler Kritik – erkennt aber strukturelle Schwächen
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hat in einem aktuellen Faktencheck deutlich Stellung bezogen. Von den im Jahr 2024 ausgestellten rund 2 Millionen Rentenbescheiden seien nur in 0,8 Prozent der Widerspruchsfälletatsächliche Fehler festgestellt worden. Weitere 27,1 Prozent der Bescheide wurden nachgereichtem Material zufolge im Abhilfeverfahren geändert – was laut DRV weniger auf Rechenfehler als auf fehlende Mitwirkung der Versichertenzurückzuführen sei.
Zugleich räumt die Rentenversicherung ein:
„Der Versicherungsverlauf sollte bereits zu diesem Zeitpunkt auf Lücken überprüft werden, da erforderliche Nachweise später eventuell nicht mehr vorliegen oder nur noch schwer zu beschaffen sind.“
Und weiter
„Sollten Fehler bei der Rentenberechnung festgestellt werden oder weitere Unterlagen eingegangen sein, erfolgt die Korrektur von Amts wegen. Ein Antrag ist hierfür nicht notwendig.“
Frühzeitige Prüfung statt teurer Korrektur
Lindner appelliert eindringlich an die Versicherten, ihren Versicherungsverlauf nicht erst bei Rentenantragstellung zu prüfen. Schon ab dem 27. Lebensjahr erhalten Beitragszahler eine erste Renteninformation inklusive Versicherungsverlauf. Spätestens dann sollten sie ihren Datensatz auf Lücken überprüfen und nötige Nachweise zusammentragen. Mithilfe der Kontenklärung können diese frühzeitig eingereicht und erfasst werden – eine Maßnahme, die späteren Ärger vermeidet.
Kontrolle statt Vertrauen
Christian Lindners Warnung ist unmissverständlich: Wer sich blind auf die Richtigkeit des Rentenbescheids verlässt, riskiert jahrelange finanzielle Einbußen. Zwar sieht die DRV die pauschale Kritik als unbegründet an, doch zeigen ihre eigenen Statistiken, dass fehlende Nachweise ein strukturelles Problem darstellen. Das Zusammenspiel aus kompliziertem Rentenrecht, Informationslücken und Mitwirkungspflicht verlangt von den Versicherten aktives Handeln – und in vielen Fällen auch fachliche Unterstützung.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Selbstständige und Rentenversicherung: Freiwillige Pflicht mit Vorteilen
Viele Selbstständige in Deutschland sind nicht automatisch in der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert. Dabei bietet die DRV eine Option zur Pflichtversicherung – mit Vorteilen für Alter, Erwerbsminderung und mehr.
Rentenatlas 2024: Wo Männer die höchsten Altersrenten erhalten
Männer in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland beziehen die höchsten Altersrenten in Deutschland. Der Rentenatlas 2024 der Deutschen Rentenversicherung liefert Einblicke in regionale Unterschiede und die Entwicklung des Rentensystems.
Rentenerhöhung 2025: Ruheständler können auf Plus hoffen
Im Juli 2025 könnte eine weitere Rentenerhöhung für deutsche Ruheständler anstehen. Nach dem aktuellen Rentenversicherungsbericht wird ein Plus von 3,51 Prozent erwartet.
Plansecur zur Rente: Koalitionsvertrag ohne Kurswechsel bei Eigenvorsorge
Der Koalitionsvertrag zur Rente bringt Licht und Schatten: Während Frühstart- und Aktivrente positiv bewertet werden, kritisiert Plansecur das Ausbleiben eines echten Kurswechsels. Eine stärkere kapitalgedeckte Vorsorge sei weiter nicht in Sicht – und damit die langfristige Stabilität des Rentensystems gefährdet.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Maklerrente: Diese fünf Fehler können Versicherungsmakler teuer zu stehen kommen
Eine rechtzeitige Vorbereitung auf den Ruhestand sichert nicht nur den eigenen Lebensstandard, sondern schützt auch das Lebenswerk. Ein aktueller Blogbeitrag zeigt auf, welche typischen Fehler Makler bei der Planung ihrer Maklerrente vermeiden sollten.
Riester-Förderung wirkt: Neue Zahlen zeigen gezielte Unterstützung für Frauen, Familien und Geringverdiener
Neue Zahlen zur Riester-Zulagenförderung belegen: Die Förderung erreicht gezielt Geringverdiener, Kindererziehende und Frauen. Vermittler können mit diesen Fakten gezielt beraten.
PSVaG-Geschäftsbericht 2024: Mehr Insolvenzen, niedriger Beitragssatz, große Herausforderungen
Der Pensions-Sicherungs-Verein VVaG (PSVaG) hat seinen Jahresbericht zum 50. Geschäftsjahr vorgelegt. Das Schadenvolumen stieg 2024 auf 703 Millionen Euro und lag damit gut 10 Prozent über dem Vorjahr. Gleichzeitig fiel der Beitragssatz mit 0,4 Promille so niedrig aus wie selten zuvor.
Rentenfreibetrag: Warum eine wichtige Sozialleistung kaum genutzt wird
Ein staatlicher Freibetrag, der Rentnerinnen und Rentner mit geringem Einkommen gezielt entlasten soll, bleibt bislang weitgehend ungenutzt. Obwohl er seit 2021 zur Verfügung steht, profitiert nur ein Bruchteil der potenziell Anspruchsberechtigten davon.