Die BaFin-Studien zum Zertifikate-Markt zeigen alarmierende Ergebnisse: Während es keine Hinweise auf systematische Fehlberatung bei Anlage-Zertifikaten gibt, haben Turbo-Zertifikate in fünf Jahren Verluste von 3,4 Milliarden Euro verursacht. Die BaFin will nun strengere Maßnahmen prüfen.
Zertifikate gelten als beliebte Anlageform – doch sie sind nicht ohne Risiko. Die BaFin hat in zwei aktuellen Studien den deutschen Markt untersucht und dabei deutliche Unterschiede festgestellt. Während der Vertrieb von klassischen Anlage-Zertifikaten ohne größere Missstände auskam, sind Turbo-Zertifikate für viele Anleger zur Kostenfalle geworden.
Zins- und Express-Zertifikate: Kein Fehlverhalten, aber Verständnismängel
Die Untersuchung zu Anlage-Zertifikaten ergab, dass Banken und Sparkassen ihre Kundinnen und Kunden nach der Zinswende nicht unzulässig zum Kauf gedrängt haben. „Systematische Fehlberatung gab es nicht“, erklärt Dr. Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor der BaFin. Dennoch stellte die Behörde fest, dass einige Produkthersteller ihre Governance-Pflichten nicht ausreichend erfüllten und sich bei der Zielmarktdefinition nicht sorgfältig genug anlegten.
Besonders problematisch: Etwa 20 Prozent der Käufer von Express-Zertifikaten gaben an, nicht vollständig zu verstehen, wie ihr Produkt funktioniert. „Das ist bedenklich – gerade weil es sich um teilweise sehr komplexe Produktstrukturen handelt“, so Pötzsch.
Turbo-Zertifikate: 3,4 Milliarden Euro Verluste in fünf Jahren
Einen weitaus kritischeren Befund liefert die Studie zu Turbo-Zertifikaten. In fünf Jahren verloren 75 Prozent der Anleger Geld – insgesamt 3,4 Milliarden Euro. Diese hochspekulativen Hebelprodukte haben ein enormes Risiko.
„Selbst für erfahrene Anleger sind diese Produkte herausfordernd“, warnt Pötzsch. „Die hohen Verluste zeigen, dass viele die Mechanismen nicht ausreichend verstehen.“ Das Marktvolumen für Turbo-Zertifikate hat sich in nur fünf Jahren fast verdreifacht.
BaFin will Anlegerschutz stärken
Die BaFin prüft nun, welche weiteren Maßnahmen nötig sind. Die detaillierten Ergebnisse der Turbo-Zertifikate-Studie sollen im zweiten Quartal 2025 veröffentlicht werden. „Die Transparenz für Anleger muss erhöht werden“, fordert Pötzsch. Zudem sollen Banken und Produkthersteller verstärkt in die Verantwortung genommen werden.
Die Behörde kündigt zudem an, ihre Verbraucherinformationen zum Thema Zertifikate weiter auszubauen und Institute mit Mängeln schriftlich zur Abstellung dieser Verstöße aufzufordern.
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