Rechtliche Stolperfallen an Silvester: Was tun, wenn der Böller nicht nur knallt?

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ARAG-Rechtsexpertin Jennifer KallweitFoto: ARAG

Silvester – das ist die Nacht, in der der Himmel leuchtet und die Partygesellschaft die Dunkelheit mit lauten Knallern und bunten Raketen vertreibt. Doch hinter dem glitzernden Spektakel lauern auch Herausforderungen: Streit mit dem Nachbarn, Schäden durch fehlgeleitete Feuerwerkskörper oder die Frage, wer am Neujahrsmorgen für die Überreste auf der Straße verantwortlich ist.

In einem Interview gibt ARAG-Rechtsexpertin Jennifer Kallweit Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um Feuerwerkskörper, Versicherungen und rechtliche Pflichten. Wie schützt man sich vor finanziellen Risiken, wenn die Party außer Kontrolle gerät? Welche Verantwortung tragen Gastgeber und Nachbarn? Und worauf muss man achten, um das neue Jahr friedlich und sicher zu begrüßen? Ein Gespräch, das nicht nur für Silvesterfans, sondern auch für all jene interessant ist, die lieber einen ruhigen Jahreswechsel verbringen möchten.

Was sollte jeder wissen, der bei sich zu Hause eine Silvesterparty veranstaltet?

Jennifer Kallweit: Zum Jahreswechsel darf es ruhig richtig laut werden. Da herrschen sozusagen Silvestersonderregelungen in Sachen Ruhestörung. Konkret heißt das: Bis zwei Uhr nachts darf der Trubel schon durchaus gehen. Aber: Mieter in Mehrfamilienhäusern sind auch an Silvester zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet. Daher empfehle ich, bei lauter Musik die Fenster besser geschlossen zu lassen und seine Gäste darauf hinzuweisen, dass sie sich im Treppenhaus ruhig verhalten.

Feuerwerkskörper gibt es ja offiziell nur vom 29. bis 31. Dezember zu kaufen. Wo sollte man Böller und Co. sicher aufbewahren, damit nichts passiert?

Jennifer Kallweit: Auf jeden Fall sicher vor Kindern! Macht man das nicht und es kommt zu Unfällen, muss man damit rechnen, für die Folgen einer unsachgemäßen Knallerei der eigenen Kinder verantwortlich gemacht zu werden. Um ein Beispiel zu nennen: In einem Fall erlitt ein 11-jähriges Mädchen durch Silvesterböller, die ihr ein 13-Jähriger nachgeworfen hatte, ein Knalltrauma und einen vorübergehenden Gehörschaden. Das führte dazu, dass ein Gericht die Mutter des Jungen zu einer Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von rund 1.000 Euro verurteilte. Und zwar deshalb, weil sie die Feuerwerkskörper nicht gut versteckt und damit ihre Aufsichtspflicht verletzt hatte (Landgericht München, Az.: 31 S 23681/00).

Wie viel Feuerwerk darf ich überhaupt privat lagern und was ist beim Aufbewahren wichtig?

Jennifer Kallweit: In Wohnräumen darf maximal ein Kilogramm an sogenannter Nettoexplosivstoffmasse (NEM) privat gelagert werden. Die NEM steht auf der Verpackung. Das gilt für Feuerwerk der Kategorien F1 und F2. Ist der Raum nicht bewohnt, wie z. B. das Gästezimmer oder ein Abstellraum, dürfen bis zu zehn Kilogramm NEM aufbewahrt werden. In unbewohnten Gebäuden, wie etwa einer getrennt stehende Garage, dürfen Feuerwerkskörper der Kategorie F1 und F2 bis zu einer NEM von fünfzehn Kilo gelagert werden.

Grundsätzlich sollte man darauf achten, dass das Feuerwerk kühl und trocken gelagert wird, weil z. B. Feuchtigkeit zu Funktionsverlust und zu hohe Temperaturen zur ungewollten Auslösung führen können. Deshalb sind Feuerwerksartikel in unmittelbarer Nähe von Heizkörpern oder Heizleitungen absolut tabu. Und natürlich darf im Aufbewahrungsraum nicht geraucht und kein offenes Licht oder Feuer verwendet werden.

Wie viel Feuerwerk darf ich als Privatperson in meinem Auto transportieren?

Jennifer Kallweit: Ob Böller, Frösche, Kanonenschläge oder Knallketten – die allermeisten Feuerwerkskörper sind pyrotechnische Gegenstände und damit Gefahrgut. Und davon dürfen Privatpersonen 50 Kilogramm transportieren, inklusive Verpackung und nur, wenn es sich um Feuerwerk der Kategorien F1 und F2 handelt, das der Gefahrenklasse 1.4 zugeordnet ist. Feuerwerkskörper der Kategorien F1 und F2 aus der Gefahrklasse 1.1 bis 1.3 dürfen nur bis zu einem Bruttogewicht von fünf Kilogramm transportiert werden. Und wichtig: Die Feuerwerkskörper müssen einzelhandelsgerecht abgepackt sein.

Beim Hantieren mit Feuerwerkskörpern kommt es immer wieder zu Schäden: Was ist beispielsweise, wenn man sich dabei selbst verletzt?

Jennifer Kallweit: Kommt es zu einer selbst verursachten Verletzung, übernimmt die Behandlung auf jeden Fall die Krankenkasse. Verbleiben längere Schäden beispielsweise an der Hand, hilft allerdings nur eine private Unfallversicherung weiter. Wichtig ist jedoch: Sollte der Schaden durch den Umgang mit selbst gebastelten oder gar illegalen Böllern verursacht worden sein, kann die Versicherung die Zahlung verweigern. Daher kann ich nur dringend raten, immer nur Feuerwerkskörper zu verwenden, die von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, kurz BAM, zugelassen wurden. Die erkennt man an der aufgedruckten und europaweit gültigen BAM-Kennnummer 0589.

Und welche Folgen hat es, wenn man aus Versehen beim Böllern das Auto oder E-Bike des Nachbarn beschädigt?

Jennifer Kallweit: Prinzipiell kommt die private Haftpflichtversicherung für alle Fremdschäden auf, die man nicht mit Absicht oder grob fahrlässig anrichtet. Aber Vorsicht: Versicherer zahlen nicht bei Mutwilligkeit. Wer seinem Nachbarn einen Böller in den Briefkasten wirft oder jemandem einen angezündeten Knaller in die Jackentasche steckt, wird auf den Kosten sitzen bleiben, wenn dabei etwas passiert. Und das kann bei Personenschäden richtig teuer werden. Bei Böllerschäden an geparkten Autos oder E-Bikes haftet übrigens auch immer der Verursacher. Ist dieser nicht zu ermitteln, erstattet die eigene Teilkaskoversicherung, falls vorhanden, die Brand-, Explosions- und Glasbruchschäden.

An Neujahr ist immer alles müllübersät: Wer ist eigentlich für die Reinigung zuständig?

Jennifer Kallweit: Auf jeden Fall nicht nur die Stadtreinigung, wie viele immer denken. Auch Anwohner und Grundstücksbesitzer müssen zum Besen greifen. Wenn sie das nicht tun, kann das für sie teuer werden. Denn grundsätzlich gilt das Verursacherprinzip. Sprich: Wer den Dreck macht, der muss ihn auch wieder wegräumen. So steht es in fast allen örtlichen Straßenreinigungssatzungen. Der Haken ist nur, dass die Verantwortlichen nach der Silvesterknallerei nicht immer ausgemacht werden können. Und so müssen dann die Grundstücksbesitzer den Silvestermüll, der auf dem Bürgersteig vor ihrer eigenen Tür liegt, selber wegräumen, wenn das die kommunale Satzung so vorsieht.

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