COGITANDA-Insolvenz: Wie Makler jetzt reagieren sollten

Rechtsanwalt Vincent Jacobsen von der Kanzlei Michaelis beleuchtet die Auswirkungen der Insolvenz von COGITANDA Dataprotect AG auf Makler, Versicherte und die gesamte Branche. Welche Fragen jetzt dringend beantwortet werden müssen und wie Makler reagieren sollten.

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COGITANDA-Insolvenz: Wie Makler jetzt reagieren sollten, hat Rechtsanwalt Vincent Jacobsen von der Kanzlei Michaelis zusammengestellt.geralt / pixabay

Am Montag wurden die ersten Medienberichte bekannt, denen zufolge die COGITANDA Dataprotect AG ihren Aktionären mitgeteilt haben sollte, kurzfristig einen Insolvenzantrag stellen zu wollen. Nun besteht insoweit Klarheit, als dass eine offizielle Insolvenzbekanntmachung vorliegt, der zufolge die COGITANDA Dataprotect AG beim Amtsgericht Köln Insolvenzantrag gestellt hat; das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 70a IN 361/24 geführt. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde. Rechtsanwalt Philip Schober, Widdersdorfer Str. 190, 50825 Köln bestellt. Die Insolvenzbekanntmachung kann über die Suche des bundesweiten Portals der Insolvenzgerichte eingesehen werden. Übereinstimmende Meldungen für die weiteren Unternehmen der COGITANDA-Gruppe, darunter die Assekuradeure, COGITANDA Insurance Services GmbH und COGITANDA Managed Services GmbH, liegen noch nicht vor.

Viele Marktteilnehmer, darunter gerade auch Versicherungsmakler, hat diese Entwicklung nicht sonderlich überrascht. Denn schon seit einiger Zeit – spätestens seit dem Tod des Gründers und CEOs Jörg Wälder – ist es rund um COGITANDA unruhig geworden. Insbesondere die Kürzung von Neu- und Bestandscourtagen ab Mitte des Jahres hatte bereits zu vielen Verstimmungen und Unsicherheiten in der Maklerschaft geführt. Die nun begonnene Insolenz von COGITANDA dürfte abermals für Verunsicherung bei Versicherungsmaklern sorgen. Denn gerade im typischerweise von regionalen Maklern betreuten Industrie- und Gewerbebereich kleinerer und mittlerer Unternehmen hat COGITANDA in der eigentlichen Wachstumssparte Cyber einen substanziellen Marktanteil auf sich vereinigt. Es scheint aber so zu sein, dass nicht nur die Anzahl der verkauften Cyberdeckungen im Wachstum begriffen ist, sondern auch die Häufigkeit von Cyberschäden immer weiter zunimmt. So berichtet der GDV, dass sich die Schaden-Kosten-Quote nach dem Katastrophenjahr 2021 weiter auf einem bedenklich hohen Niveau bewegt. Die GDV-Zahlen werden im Bereich Cyber zwar immer wieder als nicht-repräsentativ angegriffen, weil diverse ausländische Risikoträger mit relevanten Marktanteilen keine Zahlen an den Verband melden, für das generelle Marktumfeld sollte die Statistik aber dennoch indikativ sein.

Insolvenz würde bestehende Vertrauensdefizite verschärfen

Dem Vernehmen nach soll dieses schwierige Marktumfeld COGITANDA zugesetzt haben, was sich – wie viele Makler berichten – bereits in der Vergangenheit im Regulierungsverhalten der Assekuradeur-Tochter, COGITANDA Insurance Service GmbH, niedergeschlagen haben soll. Viele Makler berichten von unzufriedenstellenden Regulierungen, in denen sich der Versicherer auf – wenigstens subjektiv für den betroffenen Makler – nicht nachvollziehbare Leistungsverweigerungsgründe berief. Die kürzlich angestoßenen Sanierungen etlicher bei COGITANDA bestehender Deckungen werden nicht dazu beigetragen haben, den Druck in dem ohne schwierigen Marktumfeld zu reduzieren. Es liegt auf der Hand, dass die jüngsten Nachrichten den bereits bei einigen Maklern eingetretenen Vertrauensverlust verstärken.

So kommt es, dass an uns bereits in hoher Frequenz drängende Fragen aus der Maklerschaft herangetragen werden: Haben die von den Maklern betreuten Versicherungsnehmer Deckung, wenn schon prolongiert wurde? Haben die Versicherungsnehmer ein ordentliches oder außerordentliches Kündigungsrecht? Ergibt sich für die betreuenden Versicherungsmakler ein Haftungsrisiko? Wie müssen sich Makler verhalten? Haben Makler Informationspflichten? Muss unverzüglich umgedeckt werden? Wie verhält es sich mit den Courtageansprüchen für bereits verlängerte Tarife?

Weitere Entwicklungen müssen abgewartet werden – FAQ von COGITANDA angekündigt

Wenngleich all diese Fragen genauso nachvollziehbar wie wichtig sind, verbietet es sich dennoch, vorschnelle Schlüsse zu ziehen sowie voreilige Auskünfte oder Stellungnahmen abzugeben. Wie uns zugetragen worden ist, plant COGITANDA, ein FAQ zu veröffentlichen, das voraussichtlich einen Großteil der drängenden Fragen adressieren wird. Es ist gut möglich, dass die Veröffentlichung einer solchen Handreichung bereits mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter abgestimmt sein wird. Die Inhalte dieser Veröffentlichung sollten unbedingt abgewartet werden, da vorher letztlich überhaupt keine adäquate Informationsgrundlage besteht, um unternehmerische Entscheidungen – gleich welcher Art – zu treffen.

Ob und für welche Unternehmen der COGITANDA-Gruppe im Einzelnen weitere Insolvenzverfahren eröffnet werden, bleibt abzuwarten. Auch eine Insolvenz in Eigenverwaltung ist möglich. Mit großer Wahrscheinlichkeit lässt sich aber bereits jetzt feststellen, dass laufende oder schon verlängerte Versicherungsverträge, die über COGITANDA zustande gekommen sind, fortbestehende Deckung gewähren werden. Denn COGITANDA selbst ist bekanntlich mit keiner Gesellschaft aus der Gruppe ein Risikoträger. Hinter allen uns bekannten COGITANDA-Deckungen stehen Konsortien in Gestalt der offenen Mitversicherung. Das bedeutet, dass regelmäßig selbständige und getrennte Versicherungsverträge mit den im Versicherungsschein genannten Versicherern im Umfang der ausgewiesenen Beteiligungsquote bestehen. Bei diesen Versicherern handelt es sich um Solvency-II-regulierte Versicherungsunternehmen, bei denen keine Insolvenzrisiken erkennbar sind.

Makler sollten Kunden informieren und Transparenz herstellen

Für die Frage, welche Informationspflichten den Makler treffen, gibt es keine Präzedenz. Die bekannte Rechtsprechung, nach welcher der Makler die Solvenz eines Versicherers nicht zu prüfen hat (vgl. bspw. LG Meiningen, Urt. v. 10.11.2021 – Az. 3 O 388/21), bietet für den Fall, dass ein Assekuradeur als Träger eines Deckungskonzepts nachträglich insolvent wird, keinen Aufschluss. Mit Blick darauf, dass nicht ausgeschlossenen werden kann, dass trotz gegenteiliger Beteuerungen aus dem Lager von COGITANDA Probleme im Handling der Verträge sowie Schadenregulierung entstehen werden, erscheint es – zumindest aus Gründen der vertrauensvollen Zusammenarbeit – geboten, die von Maklern betreuten Versicherungsnehmer frühzeitig zu informieren, den status quo ausgewogen zu erläutern und die individuelle Vertragslage des Versicherungsnehmers aufzuzeigen. Diese Information ist dann mit Fortentwicklung der Lage zu ergänzen. Makler sollten sich dabei von dem Grundgedanken des immerwährenden Sachwalterurteils (BGH, Urt. v. 22.05.1985 – Az. IVa ZR 190/83), dass ihre Pflichten weit gehen, leiten lassen.

Es bietet sich zwecks Analyse der Einzelvertragslage wohl an, zunächst die bestehenden Deckungen hinsichtlich der risikotragenden Versicherer zu prüfen. Dabei ist zu klären, ob der einzelne betroffene Versicherungsvertrag bereits wirksam verlängert wurde oder noch ordentlich gekündigt werden kann. Wir gehen davon aus, dass sich die meisten Versicherungsverträge bereits durch branchenübliche Verlängerungsklauseln mit 
Drei-Monats-Frist verlängert haben. Ein Sonderkündigungsrecht ergibt sich jedenfalls aus dem Versicherungsvertrag eher nicht. Ein solches aus allgemein-zivilrechtlichen Regelungen herleiten zu wollen, dürfte, solange die Sachlage nicht abschließend geklärt ist, insbesondere weil der eigentliche Versicherungsvertrag nicht mit COGITANDA besteht, mit erheblichen Rechtsunsicherheiten behaftet sein.

Entwicklungen bleiben spannend – rechtspolitische Bedeutung für Assekuradeurvertrieb

Wenn also nicht im Einzelfall ein Sonderkündigungsrecht nach §§ 25, 40 VVG wegen Prämienerhöhung gegeben ist, sollte im Zweifel vorerst vom Fortbestand der Deckung mit der Folge ausgegangen werden, dass etwaige Umdeckungsinitiativen nach Kundenwunsch eher zur nächsten Fälligkeit avisiert werden können. Eile ist demgegenüber vor allem dann geboten, wenn eine Deckung über COGITANDA in der Schwebe ist, denn der Makler muss im Kundeninteressen unbedingt vermeiden, dass eine Sachlage eintritt, bei der es an einer Deckung fehlt. Im Übrigen gilt es, Ruhe zu bewahren und ein gelungenes Kommunikationsmanagement zu betreiben. Ehe sich die Lage nicht fortentwickelt, können weitergehende Bewertungen kaum stattfinden. Die Beantwortung der weiteren offenen Fragen muss hintenangestellt werden. Insoweit würden wir Sie auch bitten, von allgemeinen Anfragen in diesem Zusammenhang abzusehen. In angemessenen Abständen werden wir im Rahmen unseres Newsletters weitere Informationen zur Verfügung stellen.

Glasklar ist, dass es in der Vermittlerbranche niemals langweilig wird. Die mögliche Insolvenz von COGITANDA stellt wenigstens in der Größenordnung eine noch nicht dagewesene Situation dar, die auch über den Bereich Cyber hinaus sehr sorgfältig von der gesamten Versicherungswirtschaft beobachten werden wird. Schließlich erfreut sich das Outsourcing an Assekuradeure in Zeiten des Fachkräftemangels immer größerer Beliebtheit bei Versicherern. Die BaFin und auch der Bundesgesetzgeber werden sicher ein Auge darauf werfen, inwieweit der Versichertengemeinschaft im Falle der Insolvenz eines Assekuradeurs 
praktisch-gravierende Nachteile in Betreuung und Regulierung erwachsen oder nicht. Es wird spannend zu sehen, ob die jüngsten Entwicklungen in mittelferner Zukunft aufsichtsrechtliche Folgen nach sich ziehen oder sich die anfängliche Besorgnis als überzogen herausstellt.

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