„Das muss ein Weckruf für die Politik sein“

Kann die Ampelregierung ihre sozialpolitischen Versprechen aus dem Koalitionsvertrag bis zur nächsten Bundestagswahl umsetzen? Die Mehrheit der Deutschen zweifelt daran, zeigt eine Umfrage des Sozialverbands VdK. Dessen Präsidentin Verena Bentele sieht in den Ergebnissen einen „Weckruf für die Politik“.

Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands Deutschland VdK.Susie Knoll

Die Mehrheit der Deutschen glaubt nicht, dass die Ampelregierung ihre sozialpolitischen Vorhaben, wie sie im Koalitionsvertrag festgehalten sind, bis zum Ende der Legislaturperiode umsetzen kann. Dies geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Sozialverbands VdK hervor. Laut der Umfrage sind 81,7 Prozent der Befragten überzeugt, dass die Regierung ihre Projekte, darunter die Einführung der Kindergrundsicherung, nicht mehr verwirklichen wird. Nur 12,5 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sind optimistisch, dass die Ampelkoalition die Maßnahmen umsetzen kann. 5,8 Prozent der Teilnehmenden äußerten sich unentschlossen.

VdK-Präsidentin Verena Bentele äußerte sich besorgt über die Ergebnisse: „Die Ergebnisse der aktuellen Umfrage sind ein deutliches Signal an die Ampelregierung. Über 80 Prozent hegen Zweifel – das muss ein Weckruf für die Politik sein und bekräftigt den Auftrag des VdK, sich mit lauter Stimme für soziale Verbesserungen einzusetzen. Die Menschen haben ihre Erwartungen glasklar formuliert: Jetzt sind Lösungen für eine gute Gesundheitsversorgung, eine gerechte Rente, in die auch Selbstständige einzahlen, und für bezahlbares Wohnen gefragt.“

Laut Bentele ist es entscheidend, dass die Ampelkoalition die verbleibende Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl im September 2025 nutzt, um die dringend erforderlichen Reformen anzupacken. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten nicht nur Debatten, sondern konkrete Ergebnisse. „Konstruktive Zusammenarbeit muss das Gebot der Stunde für die Ampelkoalition sein. Den Streit auf offener Bühne sind die Bürgerinnen und Bürger leid. Noch reicht die Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl, um entschlossen zu handeln und mit Reformwillen zu glänzen“, fordert Bentele.

Die Umfrage zeigt auch, welche sozialpolitischen Themen den Bürgerinnen und Bürgern am wichtigsten sind. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht die Verbesserung der Gesundheitsversorgung auf dem Land. 41,5 Prozent der Befragten halten dieses Thema für besonders dringlich. Auf Platz zwei folgt die Einbeziehung von Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung mit 38,7 Prozent. Ebenfalls hoch auf der Agenda der Bürger steht die Begrenzung der Mietpreissteigerungen, die von 33,2 Prozent als wichtige Aufgabe genannt wurde.

Die wichtigsten Themen im Überblick:

  • Verbesserung der Gesundheitsversorgung auf dem Land: 41,5 %
  • Einbeziehung von Selbstständigen in die Rentenversicherung: 38,7 %
  • Begrenzung der Mietpreissteigerungen: 33,2 %
  • Stärkung der Kranken- und Pflegeversicherung: 30,7 %
  • Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige: 18,4 %
  • Kindergrundsicherung: 16,3 %

Besonders im Bereich der Pflegepolitik sehen die Befragten dringenden Handlungsbedarf. Hier wünschen sich 18,4 Prozent der Teilnehmenden eine Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige. Weitere 16,3 Prozent befürworten die Einführung der Kindergrundsicherung, während 5 Prozent eine stärkere Förderung der Barrierefreiheit als notwendig ansehen.

Ein genauerer Blick auf die Umfrage zeigt, dass die Prioritäten je nach Altersgruppe unterschiedlich ausfallen. So stehen Gesundheits- und Pflegethemen vor allem bei älteren Bürgern im Vordergrund. In der Altersgruppe ab 65 Jahren fordern 45,6 Prozent der Befragten eine bessere medizinische Versorgung auf dem Land, während nur 28,6 Prozent der 18- bis 39-Jährigen dies als dringlichstes Thema sehen. Jüngere Menschen legen dagegen mehr Wert auf die Einführung der Kindergrundsicherung: 27 Prozent der 18- bis 39-Jährigen sprechen sich für diese Maßnahme aus.

Auch regional gibt es Unterschiede: Während in den meisten Bundesländern die Verbesserung der Gesundheitsversorgung auf dem Land als dringlichstes Thema genannt wird, stehen in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg die Begrenzung der Mietpreissteigerungen ganz oben auf der Liste der Bürgerwünsche.

Der VdK sieht in den Ergebnissen der Umfrage einen klaren Auftrag an die Regierung und betont die Notwendigkeit von Reformen in der Gesundheitsversorgung, der Rentenpolitik und der Pflegeversicherung. „Die Bürger haben ihre Erwartungen glasklar formuliert. Jetzt ist die Regierung in der Pflicht, die sozialpolitischen Herausforderungen anzugehen“, fasst VdK-Präsidentin Verena Bentele zusammen.

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