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Das LG Erfurt hatte mit Urteil über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Handelsvertreters wegen Veränderungen von Kundendaten zu entscheiden.
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Jens Reichow, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB
Zwischen einem Handelsvertreter und einem Versicherer bestand zunächst ein Handelsvertretervertrag. Im Rahmen dieses Handelsvertreterverhältnisses betreute der Handelsvertreter eine Vielzahl von Versicherungsnehmern und deren Versicherungsverträge.
Während der Handelsvertretertätigkeit hatte der Handelsvertreter das EDV-System des Versicherers zu nutzen, in welchem unter anderem die Kontaktdaten der Versicherungsnehmer eingepflegt sind. Eines Tages bemerkte der Versicherer, dass mehrere Datensätze von Versicherungsnehmern – zum Beispiel Telefonnummern – verändert worden waren beziehungsweise Daten auch gelöscht waren. Darauf angesprochen, erklärte der Handelsvertreter, dass bestimmte Versicherungsnehmer nicht mehr angerufen werden wollten. Zudem seien einige der Kundendaten veraltet gewesen und er habe seine neue Telefonanlage testen wollen.
Der Versicherer hingegen ging davon aus, dass der Handelsvertreter bereits eine selbstständige Tätigkeit als Versicherungsmakler geplant habe und die Veränderung der Kundendaten dazu diente, eine Kontaktaufnahme des Versicherers nach Beendigung des Handelsvertretervertrages zu vereiteln beziehungsweise zumindest zu erschweren.
Der Versicherer sprach daraufhin die außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages aus. Anschließend machte sich der Handelsvertreter tatsächlich als Versicherungsmakler selbständig. Er bemühte sich dabei auch um Versicherungsnehmer, die er im Rahmen seiner vorherigen Handelsvertretertätigkeit betreut hatte.
Der Handelsvertreter wehrt sich jedoch auch gegen die Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigung. Er war der Meinung, dass ein außerordentlicher Kündigungsgrund gar nicht vorgelegen habe, denn er habe nur die Kundendaten aktualisieren wollen. Die schlussendlich ergriffene Selbstständigkeit sei zudem nicht der Grund für die Veränderungen gewesen, sondern eine Konsequenz aus der Kündigung des Versicherers. Er verlangte daher Schadensersatz in Höhe des ihm durch die Kündigung entgangene Halbjahreseinkommen.
Das Landgericht Erfurt (Urteil vom 24.04.2023, Az.: 3 O 1362/20) befasste sich nun erstinstanzlich mit der Sache.
Schadensersatzanspruch bei unwirksamer Kündigung?
Das Landgericht Erfurt wies die Schadensersatzklage des Handelsvertreters jedoch ab. Ein Schadensersatzanspruch scheiterte nach Ansicht des LG Erfurt an der Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung.
Nach Ansicht des LG Erfurt hatte der Handelsvertreter durch die Veränderung der Kundendaten im EDV-System das Vertrauensverhältnis zum Versicherer zerstört. Da die Löschung und Veränderung von Daten unstreitig waren, kam es dabei lediglich auf die Motivlage des Handelsvertreters an. Das LG Erfurt kam dabei zu dem Schluss, dass der Handelsvertreter seine Erklärung für die Datenveränderung und -löschung hinreichend glaubhaft darzulegen.
Das LG Erfurt führte dazu aus, dass einige der Telefonnummern willkürlich verändert worden seien. Wären die alten Telefonnummern falsch gewesen, hätte der Handelsvertreter auf eine andere Art und Weise darauf aufmerksam machen müssen und hätte nicht eigenmächtig die Nummern umschreiben dürfen. Die wahllose Veränderung der Nummern deute darauf hin, dass das Motiv der Verfälschung eine Vereitelung der späteren Kontaktaufnahme gewesen sei. Auch die Befürchtung, dass ohne die Änderung gegen die DSGVO verstoßen werden würde, rechtfertige die eigenmächtige Änderung der Daten nicht.
Unabhängig von der Motivlage sei auch bereits durch das Verhalten die Pflicht des Handelsvertreters, die Interessen des Versicherers wahrzunehmen, verletzt worden. Hieran ändere auch nichts, dass die Daten der Versicherungsnehmer reversibel seien.
Schlussendlich bewertete das LG Erfurt den Verstoß des Handelsvertreters als so gravierend, dass der damit verbundene Vertrauensverlust auch durch eine Abmahnung nicht wieder behoben werden konnte. Die außerordentliche Kündigung sei daher wirksam. Ein Schadensersatzanspruch bestehe daher nicht.
Fazit
Das Urteil des LG Erfurt zeigt erneut wie problematisch Datenveränderungen und/oder Löschungen sein können. Einen ähnlichen Fall hatte bereits das OLG München zu bewerten, indem der Handelsvertreter die Daten jedoch sogar zur Vorbereitung seiner zukünftigen Vertriebstätigkeit in seine eigene Sphäre überführt hatte (siehe hier). Handelsvertreter sollten diesbezüglich sensibilisiert sein, um eine außerordentliche Kündigung zu vermeiden.
Gleichwohl ist zu beachten, dass es bezüglich der Wirksamkeit außerordentlicher Kündigungen stets auf den konkreten Einzelfall ankommt. Es kann daher durchaus sinnvoll sein, einen im Handelsvertreterrecht spezialisierten Rechtsanwalt mit der rechtlichen Prüfung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung zu beauftragen.