Das OLG Dresden hat sich in seinem Beschluss vom 15.10.2020, mit der Auswirkung eines Vergleichs zwischen Versicherungsnehmer und einem Versicherer für den Versicherungsvermittler befasst. Hintergrund war eine behauptete Beratungspflichtverletzung, weil eine Absicherung von Vandalismusschäden in einer Gebäudeversicherung nicht vorgenommen wurde.
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Jens Reichow, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB
Ein Versicherungsvermittler wurde damit beauftragt für einen Versicherungsnehmer eine passende Gebäudeversicherung zu vermitteln. Hierfür legte der Versicherungsvermittler dem Versicherungsnehmer einen Versicherungsschein vor, welcher in den AVB verschiedene Bausteine mit bestimmten Schadensbildern enthielt. Einer dieser Bausteine sah auch die Abdeckung von Vandalismusschäden vor.
Der Versicherungsnehmer beantragte Versicherungsschutz, ohne jedoch den Baustein zur Absicherung von Vandalismusschäden anzuwählen. Der Gebäudeversicherungsvertrag kam entsprechend zustande.
Anschließend kam es zu einem Leistungsfall. Der Versicherungsnehmer begehrte einen Teil der Versicherungssumme für Vandalismusschäden. Jedoch verweigerte der Versicherer zunächst die Auszahlung der Leistungssumme. Er berief sich dabei auf den Ausschluss von Vandalismusschäden.
Zur gütlichen Beilegung der Streitigkeiten schloss der Versicherer mit dem Versicherungsnehmer jedoch einen Abfindungsvergleich für „alle Ansprüche“. Daraufhin machte der Versicherungsnehmer Schadensersatzansprüchen, wegen einer Beratungspflichtverletzung gegen den Versicherungsvermittler geltend. Dieser berief sich sodann darauf, dass durch den zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer getroffenen Vergleich auch etwaige ihm gegenüber bestehende Ansprüche abgegolten seien.
Entscheidung des OLG Dresden
Das OLG Dresden entschied (Az.: 4 W 697/20), dass dem Versicherungsnehmer gegen den Versicherungsvermittler kein Anspruch auf Schadensersatz, wegen einer Beratungspflichtverletzung zusteht.
Keine Gesamtwirkung des Vergleiches
Das OLG Dresden entschied zunächst, dass die Vergleichsvereinbarung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer keine Gesamtwirkung in Bezug auf den Versicherungsvermittler hat.
Ob ein Ausgleichs- und Abfindungsvereinbarung Gesamtwirkung hat, ist durch die Auslegung des Vertrages zu ermitteln. Bestehen jedoch Zweifel ist grundsätzlich von keiner Gesamtwirkung auszugehen. Lediglich, wenn beide Parteien der Ausgleichsvereinbarung eine Gesamtwirkung gewollt haben, wäre von einer Gesamtwirkung für den Versicherer und den Versicherungsvermittler auszugehen. Im vorliegenden Fall konnte ein solcher Wille jedoch nicht festgestellt werden, wodurch die Gesamtwirkung abzulehnen war.
Allein aus der Formulierung „alle Ansprüche“ und der Unterzeichnung des Versicherungsnehmers kann kein Einverständnis in Bezug auf die Gesamtwirkung für den Versicherer und den Versicherungsvermittler abgeleitet werden. Vielmehr lässt sich aus der Formulierung „Die Abfindungserklärung bezieht sich auf Ansprüche gegen: Versicherer…“ schließen, dass sich der Vergleich eben nur auf diesen beziehen sollte.
Keine Beratungspflichtverletzung
Das Gericht betonte jedoch, dass es grundsätzlich Aufgabe des Versicherungsnehmers sei, sich in eigener Verantwortung, über die zu versichernden Risiken klar zu werden und über den hierfür in Betracht kommenden Versicherungsschutz zu informieren. Bringt der Versicherungsnehmer seine Vorstellungen nicht zum Ausdruck, kann von einem Versicherungsvermittler Beratung erwartet werden, wenn sich aufgrund der Gesamtumstände ein Bedürfnis hierfür offenbart.
Dies wäre der Fall, wenn sich der Versicherungsnehmer erkennbar falsche Vorstellungen über die Reichweite des Versicherungsschutzes macht oder das erkennbar zu versichernde Risiko von dem ins Auge gefassten Versicherungsschutz nicht vollständig erfasst wird. Im vorliegenden Fall hat der Versicherungsnehmer jedoch erstmalig nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erkennen gegeben, dass ihm eine Abdeckung von Vandalismusschäden wichtig ist.
Zudem führt der Versicherungsschein einen Baustein in den AVB für Vandalismusschäden auf. Diesen wählte der Versicherungsnehmer nicht aus. Dadurch war es für den Versicherungsvermittler nicht erkennbar, dass ein entsprechender Schutz gewünscht wurde.
Fazit
Das Urteil des OLG Dresden zeigt, dass nur weil sich der Versicherungsnehmer und der Versicherer über die Regulierung eines Versicherungsfalles geeinigt haben, damit auch jegliche Haftungsgefahr für den Versicherungsvermittler beseitigt ist. Vielmehr zeigt das Urteil, dass gerade bei einer solchen Vergleichsvereinbarung, in welcher der Versicherungsnehmer eben nur einen Teil seiner Schäden ersetzt bekommt, oftmals der Keim für die Inanspruchnahme des Versicherungsvermittlers liegt.
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