Das Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) liegt im Juli bei 90,3 Punkten für das dritte Quartal und damit noch einmal merklich unter dem Ergebnis für das zweite Quartal. Somit bleibt der Barometerwert deutlich unter der neutralen 100-Punkte-Marke, die ein durchschnittliches Wachstum angibt.
Die Hoffnung auf einen starken konjunkturellen Aufschwung über die Sommermonate schwindet, und die Anzeichen für ein schwaches Wirtschaftsjahr 2023 häufen sich. „Gebremst wird die deutsche Konjunktur von der wenig dynamischen Weltwirtschaft, den erschwerten Finanzierungsbedingungen durch die weiter steigenden Zinsen der Europäischen Zentralbank sowie einer nur langsam sinkenden Inflation“, sagt Geraldine Dany-Knedlik, Co-Leiterin des Bereichs Prognose und Konjunkturpolitik im DIW Berlin.
„Angesichts dieser Gegenwinde hält sich die deutsche Wirtschaft aber noch robust, was trotz der gegenwärtigen Schwierigkeiten für die kommenden Monate hoffnungsvoll stimmt“, ergänzt Timm Bönke, Co-Leiter des Bereichs.
Vor allem die deutsche Industrie schwächelt. Trotz geringerer Lieferkettenprobleme erholt sich die Produktion langsamer als erwartet, und auch die Auftragseingänge waren zuletzt schwach. Der Auftragsbestand ist zwar immer noch vergleichsweise hoch, schrumpft aber zunehmend. Folglich haben sich die Geschäftserwartungen im Juli über alle Branchen hinweg weiter eingetrübt und lassen ein schwaches drittes Quartal erwarten.
„Die Lage der deutschen Industrie dürfte weiterhin schwierig bleiben“, sagt Laura Pagenhardt, DIW-Konjunkturexpertin. Auch in der Baubranche sind die Aussichten auf einem Tiefstand. „Das hohe Zinsniveau und die zwar sinkenden, aber weiterhin hohen Energiekosten stellen viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Zusätzlich ist der akute Fachkräftemangel weiterhin ein Problem.“
Auch die Dienstleistungsunternehmen haben zu kämpfen, aber die Lage ist deutlich besser als in der Industrie. Dennoch belastet auch hier die starke Teuerung weiterhin die Geschäfte; so bewegen sich die Umsätze beispielsweise im Gastronomiesektor weiterhin deutlich unterhalb des vorpandemischen Levels. Hoffnungsvoll stimmt aber, dass sich jüngst die Geschäftserwartungen im Dienstleistungsbereich ein wenig verbessert haben.
Die Inflation sinkt langsam, aber stetig, was zusammen mit den nominalen Lohnanstiegen die Kaufkraft der Haushalte stützt. Am Arbeitsmarkt ist eine allmähliche Abkühlung zu beobachten; die Lage ist aber momentan noch günstig und stützt den privaten Konsum.
„Die deutsche Wirtschaft dümpelt vor sich hin“, fasst DIW-Konjunkturexperte Guido Baldi zusammen. „Wir können zwar erleichtert sein, dass die Energiekrise nicht zu der befürchteten tiefen Rezession geführt hat. Aber die Folgen der Energiekrise – etwa in Form hoher Inflation – sind immer noch deutlich spürbar und verhindern, dass die deutsche Wirtschaft gegenwärtig in Schwung kommt.“
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