Das Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) macht im April einen deutlichen Sprung auf nun 101,5 Punkte – fast zehn mehr als im März. Damit liegt der Barometerwert erstmals seit gut einem Jahr wieder leicht über der neutralen 100-Punkte-Marke, die ein durchschnittliches Wachstum der deutschen Wirtschaft anzeigt.
„Nach dem Einbruch zum Jahreswechsel dürfte nun der erhoffte Aufschwung einsetzen“, sagt Timm Bönke, Co-Leiter des Konjunkturteams im DIW Berlin. Dabei werde vor allem die anziehende Industrieproduktion – auch in den energieintensiven Wirtschaftszweigen – zum Wachstum beitragen.
„Zu Euphorie sollte das aber nicht verleiten“, mahnt Geraldine Dany-Knedlik, Co-Leiterin des DIW-Konjunkturteams. Zwar haben die zuletzt wieder niedrigeren Energiepreise sowie die stärkere Auslandsnachfrage die Produktion gestärkt. Allerdings lasten die hohe Inflation und damit weiterhin niedrige Reallöhne auf den verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte.
Insbesondere die deutsche Industrie befindet sich derzeit aber auf Erholungskurs. Sowohl die Produktion als auch die Auftragseingänge aus dem In- und Ausland legten im Januar und Februar zu. Die Lieferketten haben sich zuletzt entspannt – die Abkehr der chinesischen Regierung von der Null-Covid-Strategie und die damit verbundene Erholung der chinesischen Wirtschaft dürften dazu beigetragen haben.
Die Unternehmen können wieder etwas zuversichtlicher auf das Jahr 2023 blicken, befindet DIW-Konjunkturexpertin Laura Pagenhardt. „Dennoch ist nur mit einer allmählichen Verbesserung der Lage zu rechnen, da die nur allmählich wieder anlaufende Weltwirtschaft bremst.“
Dämpfend auf die Investitionstätigkeit wirken darüber hinaus sowohl die weiterhin vorherrschende wirtschaftliche und geopolitische Unsicherheit als auch die deutlichen Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank.
Bei den Dienstleistungen sind die Geschäftserwartungen in Deutschland im April nach einer Aufholphase sogar wieder etwas zurückgegangen. Zudem waren die Einzelhandelsumsätze zuletzt leicht rückläufig. Das Konsumklima hat zwar die Talsohle durchschritten, aber die Verbraucher*innen blicken immer noch eher pessimistisch in die Zukunft, was auch daran liegt, dass die Inflation für viele Haushalte stärker zugelegt hat als die Einkommen.
Allerdings ist die Arbeitslosigkeit weiterhin niedrig, was den privaten Verbrauch stützt. „Die deutsche Wirtschaft spürt den Frühling“, so DIW-Konjunkturexperte Guido Baldi. „Sie ist aber durch die hohe Inflation und die Energiekrise immer noch deutlich angeschlagen und dürfte in diesem Jahr keine allzu große Dynamik entfalten.“
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Die Hoffnung auf einen starken konjunkturellen Aufschwung im Sommer schwindet und die Anzeichen für ein schwaches Wirtschaftsjahr 2023 häufen sich: Das Konjunkturbarometer des DIW Berlin liegt mit 90,3 Punkten für das dritte Quartal merklich unter dem Ergebnis für das zweite.
Weitere Zinserhöhungen bei deutlich langsameren Tempo
Eher gemischte Wirtschaftsdaten sowie die Erwartung, dass die niedrigeren Energiepreise im Juli inflationsmäßigend wirken, könnten die Fed dazu veranlassen, das Tempo der Zinserhöhungen etwas zu zügeln.
Der Aufschwung kommt (noch) in Trippelschritten
Das DIW rechnet mit einer einsetzenden Erholung ab der zweiten Jahreshälfte 2023 und geht davon aus, dass zum Jahresende die deutsche Wirtschaft langsam wieder Fahrt aufnehmen wird. Mit einem klugen Transformationsprogramm ließe sich das beschleunigen.
Trüber Sommerbeginn für die deutsche Wirtschaft
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