Warum die Inflation ein hartnäckiger Gegner ist

Die jüngsten Inflationsdaten haben vielerorts Enttäuschung hervorgerufen, sind aber keineswegs überraschend. Die enorme Ausweitung der Geldmenge durch die lang andauernde expansive Geldpolitik der Notenbanken bereitete den Boden dafür, dass sich Störungen des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage preistreibend auswirken konnten.

(PDF)
Frau-Quittung-486501338-AS-wifesunFrau-Quittung-486501338-AS-wifesunwifesun – stock.adobe.com

Ein Beitrag von Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe

Der erste inflationäre Effekt setzte ein, als in der Corona-Krise eine dank großzügiger staatlicher Hilfen nur geringfügig gedrosselte Nachfrage auf ein pandemiebedingt deutlich begrenztes Angebot traf. Dann katapultierte die Verteuerung der Energie infolge des geopolitischen Konflikts zwischen Russland und dem Westen die Preise zusätzlich nach oben. Ergebnis war eine Inflationsrate, wie man sie in Deutschland seit Jahrzehnten nicht erlebt hatte.

Lehren aus den 90er Jahren

Hilfreich ist ein Vergleich mit den neunziger Jahren: Auslöser steigender Inflation war damals der Nachfrageboom im Gefolge der deutschen Einheit. Die Inflationsrate stieg vom April 1991 innerhalb eines Jahres von moderaten 2,4 Prozent auf mehr als 6 Prozent.

Die Bundesbank reagierte damals sehr schnell mit signifikanten Zinserhöhungen und löste damit eine Rezession aus. Erschwert wurde die Inflationsbekämpfung der Bundesbank durch eine preistreibende Anhebung der Mehrwertsteuer zu Beginn des Jahres 1993.

Aber auch nach dem Auslaufen dieses Sondereffekts dauerte es noch ein volles Jahr, bis die Inflationsrate im Januar 1995 erstmals wieder unter die 2 Prozent-Marke fiel. Vom Höhepunkt der Inflation bis zum Wiederreichen des Inflationsziels vergingen also fast drei Jahre.

Inflation erweist sich als hartnäckig

Wie schwierig es ist, die Preisentwicklung wieder auf ein normales Maß zurückzuführen, zeigt ein Blick in die Details der Inflationsstatistik: Die Gesamtinflation in Deutschland sank von Oktober 2022 bis Februar 2023 zwar um mehr als zwei Prozentpunkte, zugleich stieg aber die Kerninflation, also der um Energie und Nahrungsmittel bereinigte Wert der Inflation, noch leicht an.

Der Beitrag, den allein Lebensmittel zur Inflationsrate leisten, stieg im gleichen Zeitraum leicht von 2,6 auf 2,9 Prozent. Nach Angaben des Ifo-Instituts will immer noch die Hälfte der Einzelhändler in den kommenden drei Monaten die Preise weiter anheben.

Das sind zwar 30 Prozentpunkte weniger als Mitte 2022, aber mehr als zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit bis zum Beginn der aktuellen Inflationswelle. In der Industrie und im Dienstleistungssektor ist der Befund in leicht abgeschwächter Form der gleiche, lediglich im Bausektor wollen weniger Anbieter die Preise weiter anheben.

Risiko für weitgehende geldpolitische Straffung

Die staatlichen Maßnahmen zur Abfederung gestiegener Energiepreise mögen sozialpolitisch zu rechtfertigen sein, sie erschweren aber gerade in der Breite die Inflationsbekämpfung erheblich, weil damit das für den Konsum verfügbare Einkommen geschont und eine gesamtwirtschaftliche Nachfrage aufrechterhalten wird, die mit einer Normalisierung der Inflation nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen ist.

Steigende Löhne und Gehälter, die wenigstens teilweise die gestiegenen Lebenshaltungskosten ausgleichen, sind sicher gerechtfertigt, haben aber in Bezug auf die Inflationsentwicklung den gleichen Effekt. Der Rückgang der Inflation auf ein Niveau von etwa 2 Prozent ist deshalb ein Ziel, das realistischerweise erst längerfristig erreichbar ist und in der Zwischenzeit sowohl geld- als auch fiskalpolitische Disziplin erfordert.

Zinssenkungen der Notenbanken in absehbarer Zukunft sind deshalb Wunschdenken. Vielmehr sollten sich die Marktteilnehmer ernsthafter als bisher mit dem gegenteiligen Szenario beschäftigen: Die Notenbanken könnten ihren Zinsanhebungszyklus noch eine Zeit lang fortsetzen, um das angestrebte Ziel zu erreichen, und dabei auch eine spürbar schlechtere Konjunktur in Kauf nehmen.

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Food rising conceptFood rising conceptDenys Kurbatov – stock.adobe.comFood rising conceptDenys Kurbatov – stock.adobe.com
Studien

Jeder vierte Deutsche hat Probleme finanziell über die Runden zu kommen

Seit 2020 ist die Reallohnentwicklung in Deutschland rückläufig. Da ist es wenig verwunderlich, dass die Zahl der Menschen, die auf Sparflamme wirtschaften müssen, in den letzten zwölf Monaten um nahezu 10 Prozent gestiegen ist.

Waehrungen-145967725-AS-William-W-PotterWaehrungen-145967725-AS-William-W-PotterWilliam W. Potter – stock.adobe.comWaehrungen-145967725-AS-William-W-PotterWilliam W. Potter – stock.adobe.com
Finanzen

Wege aus der Vielfachkrise – Ausblick auf 2023

2022 ist gezeichnet von vielzähligen Krisen, die auch die Finanzmärkte beeinflussen. Zudem vollziehen viele Notenbanken einen geldpolitischen Kurswechsel. Mit welchen Trends Investoren in diesem Umfeld anhaltender Volatilität und zunehmend angespannter Liquidität rechnen sollten.

abstract coin image of one euro as a financial symbolabstract coin image of one euro as a financial symboligorgeiger – stock.adobe.comabstract coin image of one euro as a financial symboligorgeiger – stock.adobe.com
Politik

Negative Zinssätze adé!

Die großen Zentralbanken haben soeben ihre Geldpolitik aktualisiert, und ihre Botschaft ist unmissverständlich. Auch wenn sie aufgrund des Krieges in der Ukraine mit erheblicher wirtschaftlicher Unsicherheit konfrontiert sind, sind die Zentralbanken auf dem besten Weg, die Zinssätze schnell zu erhöhen.
Percentage Sign Locked With Keypad LockPercentage Sign Locked With Keypad LockAndrey Popov – stock.adobe.comPercentage Sign Locked With Keypad LockAndrey Popov – stock.adobe.com
Finanzen

Deutsche Unternehmen gegen weitere Zinserhöhungen

Fast jedes dritte deutsche Unternehmen ist gegen eine weitere Anhebung der Leitzinsen durch die EZB. Jedes vierte glaubt, dass die Geldpolitik der Notenbanken die Konjunktur behindert. Insbesondere die Baubranche leidet unter den gestiegenen Leitzinsen.

Die Macht der EZBDie Macht der EZBbluedesign – stock.adobe.comDie Macht der EZBbluedesign – stock.adobe.com
Finanzen

Geldpolitik: Aktuell kein Handlungsdruck für die EZB

Die EZB fährt einen riskanten Kurs. Um die Inflation einzudämmen, hat sie die Leitzinsen mehrfach deutlich erhöht. Das gefährdet Konjunktur, Beschäftigung und Klimaziele. Weitere Erhöhungen – wie angekündigt - bergen angesichts der Trends bei der Preisentwicklung eher unnötig Risiken.

UnwetterUnwetterFrank Wagner – stock.adobe.comUnwetterFrank Wagner – stock.adobe.com
Finanzen

EZB: Baldiges Ende der restriktiven Haltung?

Die EZB scheint ihren restriktiven Kurs vorerst beizubehalten. Doch es gibt Risiken am Horizont, die ab dem Sommer zu einer deutlichen Aufweichung der Geldpolitik führen könnten. Diese zinspolitischen Veränderungen hätten deutliche Auswirkungen auf das Währungs- und Anleihen-Engagement.

Mehr zum Thema

Die Nominierung Wagenknechts wurde von den Delegierten mit großem Zuspruch aufgenommen und markiert den Auftakt in eine intensive Wahlkampfphase.Foto: sahra-wagenknecht.deDie Nominierung Wagenknechts wurde von den Delegierten mit großem Zuspruch aufgenommen und markiert den Auftakt in eine intensive Wahlkampfphase.Foto: sahra-wagenknecht.de
Politik

Bundesparteitag des BSW nominiert Sahra Wagenknecht als Kanzlerkandidatin

Der Bundesparteitag des BSW in Bonn markierte einen wichtigen Moment in der noch jungen Parteigeschichte. Mit der Nominierung von Sahra Wagenknecht zur Kanzlerkandidatin und der Verabschiedung des Wahlprogramms richtete sich die Partei sechs Wochen vor der Bundestagswahl strategisch aus.

Im europäischen Kontext fordert Friedrich Merz eine geschlossenere Strategie der EU, insbesondere im Umgang mit den USA.Foto: CDU / Tobias KochIm europäischen Kontext fordert Friedrich Merz eine geschlossenere Strategie der EU, insbesondere im Umgang mit den USA.Foto: CDU / Tobias Koch
Politik

CDU stellt „Agenda 2030“ vor – Wirtschaftsreformen im Fokus

Die CDU/CSU hat auf ihrer Klausurtagung in Hamburg unter Führung von Kanzlerkandidat Friedrich Merz die „Agenda 2030“ vorgestellt.

In seiner Rede auf dem Parteitag der SPD warnte Scholz vor einer Regierungsübernahme durch CDU und CSU.Foto: l. Nadine to Roxel, Chefreporterin Politik RTL-MediengruppeIn seiner Rede auf dem Parteitag der SPD warnte Scholz vor einer Regierungsübernahme durch CDU und CSU.Foto: l. Nadine to Roxel, Chefreporterin Politik RTL-Mediengruppe
Politik

Olaf Scholz offiziell als SPD-Kanzlerkandidat bestätigt – Kampf um die Bundestagswahl beginnt

Auf dem SPD-Parteitag in Berlin wurde Olaf Scholz am Samstag offiziell als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl am 23. Februar bestätigt. Die Delegierten sprachen sich mit überwältigender Mehrheit für den 66-jährigen Bundeskanzler aus – lediglich fünf der knapp 600 Delegierten stimmten gegen ihn.

Weidel zeigte sich in ihrer Rede auf dem Parteitag der AfD in Riesa als entschlossene Führungsfigur.Foto: AfDWeidel zeigte sich in ihrer Rede auf dem Parteitag der AfD in Riesa als entschlossene Führungsfigur.Foto: AfD
Politik

AfD-Parteitag in Riesa: Radikale Inhalte und Weidels Führungsanspruch

Die Alternative für Deutschland (AfD) hat am heutigen Parteitag in Riesa ein klares Signal gesetzt: Mit der Wahl von Alice Weidel zur ersten Kanzlerkandidatin der Parteigeschichte präsentierte sie eine Führungsfigur, die sich mit einer scharfen und radikalisierten Rhetorik positionierte.

Während Parteichef Lars Klingbeil die Rolle des Lautsprechers übernimmt, scheint Kanzler Olaf Scholz als Spitzenkandidat nahezu abgetaucht zu sein.Pressefoto Lars Klingbeil – Foto: Sandra KrafftWährend Parteichef Lars Klingbeil die Rolle des Lautsprechers übernimmt, scheint Kanzler Olaf Scholz als Spitzenkandidat nahezu abgetaucht zu sein.Pressefoto Lars Klingbeil – Foto: Sandra Krafft
Politik

Hallo, ist da noch jemand außer Klingbeil? Die SPD im Wahlkampf mit viel Programm, wenig Gesichter – und ein unsichtbarer Scholz

Die SPD ist offiziell in den Bundestagswahlkampf 2025 gestartet, doch schon jetzt zeigt sich, wie holprig der Weg bis zum Wahltag am 23. Februar sein könnte. Der Auftakt im Willy-Brandt-Haus offenbarte mehr Schwächen als Stärken, mehr Symbolik als Substanz.

Neben den Angriffen auf die Union zeigte sich Habeck auch selbstkritisch. Die Nicht-Verlängerung der Mietpreisbremse sei ein schwerer Fehler der Ampelregierung gewesen.Foto: Bündnis90/Die Grünen, © Dominik ButzmannNeben den Angriffen auf die Union zeigte sich Habeck auch selbstkritisch. Die Nicht-Verlängerung der Mietpreisbremse sei ein schwerer Fehler der Ampelregierung gewesen.Foto: Bündnis90/Die Grünen, © Dominik Butzmann
Politik

Wahlkampfauftakt der Grünen in überfüllter Halle - Habecks Kampfansage an die Union

Beim Wahlkampfauftakt der Grünen in Lübeck zeichnete Robert Habeck ein Bild der kommenden Bundestagswahl als „Richtungsentscheidung“: Schwarz oder Grün – Rückschritt in die Vergangenheit oder Aufbruch in die Zukunft.