Krieg in der Ukraine, hohe Inflation, Sorgen um die Energieversorgung im Winter – diese Krisenthemen führen offenbar dazu, dass Versicherungskunden das Thema ESG im Moment weniger stark priorisieren als Ende des vergangenen Jahres.
Das zeigt eine aktuelle Umfrage von Simon-Kucher & Partners zu ESG – also zu den Bereichen Environmental, Social und Governance – auf Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Die Strategieberatung hat dabei rund 1.000 Frauen und Männer in Deutschland zwischen 18 und 70 Jahren befragt.
50 Prozent von ihnen ist es bei künftigen Versicherungskäufen wichtig, dass die Produkte ESG-konform sind. Der Wert ist damit seit der letzten ESG-Umfrage von Simon-Kucher im November um knapp 8 Prozentpunkte gesunken. Auch die Bereitschaft, mehr für ESG-konforme Versicherungsprodukte zu zahlen, ist zurückgegangen. Die entsprechende Zahlungsbereitschaft sank um 5 Prozentpunkte auf 47 Prozent.
ESG bleibt für die Versicherungsbranche wichtiges Thema
Können es sich Versicherer deshalb leisten, das Thema ESG zu vernachlässigen? "Auf keinen Fall", befindet Dirk Schmidt-Gallas, Senior-Partner und Leiter der Versicherungs-Practice bei Simon-Kucher:
Der Trend zu ESG und mehr Nachhaltigkeit ist für die Versicherungsbranche weiterhin von großer Bedeutung.
Auch wenn der Trend infolge der aktuellen Krisen einen Dämpfer erfahre, bieten zum Beispiel ESG-konforme Produkte, nachhaltige Vertriebsmodelle und verifizierte Partner für die Schadensregulierung nach wie vor die Möglichkeit, Kunden, denen ESG am Herzen liegt, an sich zu binden, so Schmidt-Gallas. Die Sensibilität für diese Themen ist noch immer hoch.
Die zunehmende Zahl an Naturkatastrophen wie die Überflutungen im Ahrtal im Jahr 2021 hat dazu geführt, dass sich mehr als ein Drittel der Befragten (36 Prozent) stärker mit dem Thema ESG beschäftigen. Insgesamt empfinden dabei 61 Prozent der Befragten alle ESG-Dimensionen als gleich wichtig. Und 71 Prozent legen Wert darauf, dass der Versicherer ihre Prämien nachhaltig investiert – fast genauso hoch war der Wert auch im November.
Wollen Versicherer diese Personengruppe bedienen, sollten sie Greenwashing allerdings unbedingt ausschließen, betont Frank Gehrig, Partner und Insurance Specialist bei Simon-Kucher, der Versicherer unter anderem im Bereich Product Offering berät. Nachhaltige Produkte und Services sowie die Zusammenarbeit mit nachhaltig arbeitenden Partnern, zum Beispiel Werkstätten, bedürfen zudem extensiver Kommunikationsmaßnahmen und Bemühungen, um als ESG-konform wahrgenommen zu werden.
78 Prozent der Befragten glauben Versicherern, dass sie ESG-konform sind, wenn die ESG-Faktoren von ihnen konsequent kommuniziert und dokumentiert werden. Hier transparent und glaubhaft zu sein, ist für Versicherer besonders wichtig. Denn selbst bei angemessener Dokumentierung und adäquaten Maßnahmen zur ESG-Konformität sind die Befragten bei Versicherungsunternehmen misstrauischer als bei Firmen anderer Branchen.
Auf eine kanalübergreifende Ansprache kommt es an
Um Kunden zum Beispiel von ihren ESG-konformen Versicherungsprodukten zu überzeugen, sei ein kanalübergreifendes Konzept das A und O, erläutert Carsten Mangels, Partner und Insurance Specialist bei Simon-Kucher mit einem Schwerpunkt auf Omnichannel-Vertriebsstrategien, datengetriebene Kontaktstrategien und digitale Vertriebsprozesse.
Der Umfrage zufolge reichen 89 Prozent der Versicherungskunden persönliche oder telefonische Aussagen zur Unterstützung der Informationsbeschaffung nicht aus (+6 Prozent zu November). 52 Prozent geben an, dass ihnen eine Homepage mit Informationen helfen würde (+4 Prozent zu November). 37 Prozent empfinden Bilder und Statements im Prospekt als unterstützend (+6 Prozent zu November). Und 22 Prozent der Befragten schätzen Videos als hilfreich ein (+3 Prozent zu November). „Eine kanalübergreifende Ansprache ist wichtiger geworden. Kunden legen mehr Wert auf eine Pluralität von Kommunikationsmöglichkeiten“, so Mangels.
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