Bidirektionales Laden: Neuer Meilenstein für die Energiewende und Elektromobilität

Mit dem Start eines ambitionierten Pilotprojekts zum netzdienlichen bidirektionalen Laden setzt Deutschland einen entscheidenden Schritt in Richtung smarter Energienutzung.

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In den nächsten sechs Monaten wird erprobt, wie verschiedene Steuerungsmechanismen sowohl die Netzsituation als auch Preissignale optimal berücksichtigen können.Foto: BMW Group

Unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und mit finanzieller Unterstützung führender Industrieunternehmen wie BMW, TenneT, EWE Netz, The Mobility House und weiteren Akteuren der Energie- und Automobilbranche soll in den kommenden sechs Monaten erprobt werden, wie Elektroautos nicht nur Strom aufnehmen, sondern auch gezielt ins Netz zurückspeisen können. Das Ziel: eine optimierte Auslastung der Stromnetze, die Nutzung erneuerbarer Überschüsse und letztlich sinkende Stromkosten für Verbraucher und Wirtschaft.

Ein intelligentes Stromsystem für die Zukunft

Die zunehmende Verbreitung von Elektrofahrzeugen bringt nicht nur eine steigende Nachfrage nach Strom, sondern eröffnet zugleich neue Möglichkeiten für ein flexibles Lastmanagement. Besonders in Zeiten hoher Einspeisung aus Wind- und Solaranlagen könnten E-Autos als mobile Speicher dienen, die überschüssige Energie aufnehmen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder abgeben.

Genau an diesem Punkt setzt das Pilotprojekt an: Erstmals soll bidirektionales Laden systematisch über alle Netzebenen hinweg getestet werden – von der Verteil- bis zur Übertragungsnetzebene. Damit könnte sich ein entscheidender Beitrag zur Netzstabilität ergeben, indem Lastspitzen vermieden und erneuerbare Energien effizienter integriert werden.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht darin eine richtungsweisende Entwicklung:

„Zukünftig sollen E-Autos nicht mehr nur Strom tanken, sondern ihn bei Bedarf auch wieder zurück ins Netz geben. So wird die E-Mobilität dazu beitragen, die Stromnetze deutlich besser auszulasten und die Stromkosten für Wirtschaft und Verbraucher zu senken.“

Neben der technischen Machbarkeit geht es in dem Projekt vor allem darum, wirtschaftliche Anreize für Autofahrer zu schaffen. Denn wer sein Fahrzeug gezielt lädt und speist, wenn es das Netz erfordert, könnte in Zukunft sogar Einnahmen generieren – eine Perspektive, die die Attraktivität der Elektromobilität weiter steigern dürfte.

Innovatives Lastmanagement mit konkretem Nutzen

In den nächsten sechs Monaten wird erprobt, wie verschiedene Steuerungsmechanismen sowohl die Netzsituation als auch Preissignale optimal berücksichtigen können. Ziel ist es, das bidirektionale Laden so in das Stromsystem zu integrieren, dass es nicht nur technische, sondern auch wirtschaftliche Vorteile bietet. Ein zentraler Aspekt ist dabei die Netzdienlichkeit: Durch eine intelligente Steuerung der Lade- und Entladevorgänge sollen Engpässe vermieden und eine gleichmäßige Auslastung des Netzes gefördert werden.

Gleichzeitig steht die Kundenfreundlichkeit im Fokus, indem Nutzer per App selbst festlegen können, wann ihr Fahrzeug welchen Ladezustand erreichen soll, während ein automatisiertes System die optimalen Zeitfenster für das Laden oder Einspeisen berechnet. Damit das Konzept nicht nur lokal, sondern langfristig in großem Maßstab funktioniert, spielt auch die Skalierbarkeit eine entscheidende Rolle. Durch die enge Zusammenarbeit mit großen Netzbetreibern wie TenneT und TransnetBW, die gemeinsam einen erheblichen Teil des deutschen Stromnetzes abdecken, wird bereits in der Pilotphase die Grundlage für eine spätere bundesweite Umsetzung geschaffen.

Ein Zusammenspiel von Energie- und Automobilbranche

Um die verschiedenen Aspekte der Technologie realitätsnah zu testen, arbeiten im Pilotprojekt Unternehmen aus unterschiedlichsten Bereichen zusammen. Während die Verteilnetzbetreiber Bayernwerk Netz, EWE Netz und Lechwerke AG für die Steuerung auf lokaler Ebene zuständig sind, übernehmen TenneT und TransnetBW die übergeordnete Koordination auf der Übertragungsnetzebene.

Automobilhersteller wie BMW stellen geeignete Fahrzeuge bereit, während Energieunternehmen wie MAINGAU Energie und Octopus Energy die Abrechnungssysteme sowie digitale Plattformen zur Steuerung der Ladeprozesse entwickeln. Die wissenschaftliche Begleitung durch UnternehmerTUM und die „European Coalition of the Willing for Bidirectional Charging“ soll zudem sicherstellen, dass die Erkenntnisse aus dem Projekt in regulatorische Empfehlungen einfließen und perspektivisch auch international nutzbar werden.

Potenzial für eine nachhaltige Energieversorgung

Gelingt der Praxistest, könnte das bidirektionale Laden schon bald flächendeckend etabliert werden und langfristig zu einer deutlich effizienteren Nutzung der bestehenden Netzinfrastruktur beitragen. Durch eine intelligente Steuerung ließen sich kostenintensive Netzausbauten reduzieren, während gleichzeitig die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern weiter sinkt. Besonders attraktiv ist das Konzept auch mit Blick auf die Strompreise: Wenn mehr erneuerbarer Strom flexibel genutzt werden kann, könnten Verbraucher in Zukunft von niedrigeren Tarifen profitieren.

Das Pilotprojekt markiert somit einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einer vernetzten und nachhaltigen Energiezukunft. Sollte sich das Konzept bewähren, könnte Deutschland nicht nur seine Position als führender Innovationsstandort in der Elektromobilität stärken, sondern auch als Vorbild für andere europäische Länder dienen. Elektroautos würden dann nicht mehr nur als Fahrzeuge gesehen, sondern als integraler Bestandteil eines smarten und klimafreundlichen Stromsystems.

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