Stolperfalle Kranken(tage)geld

Manchmal kann es sehr schnell gehen. Eine Krebserkrankung, ein Auto- oder Motorradunfall oder auch schwere Depressionen können zu einer längeren und wiederholten Arbeitsunfähigkeit führen. Im Fall einer über die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers hinausreichenden Arbeitsunfähigkeit haben in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Arbeitnehmer einen Anspruch auf Krankengeld. Arbeitnehmer, die ihren Versicherungsschutz bei einem privaten Krankenversicherer eingerichtet haben, erhalten – üblicherweise ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit – eine Krankengeldleistung.

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Ein Beitrag von Alexander Schrehardt, Gesellschafter-Geschäftsführer, AssekuranZoom GbR

Versorgungslücke bei Krankengeldbezug

Der Anspruch auf Krankengeld berechnet sich für GKV-versicherte Arbeitnehmer mit 70 Prozent des durchschnittlichen Bruttoentgelts, maximal jedoch mit 90 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens. Dabei wird das gesetzliche Krankengeld mit 70 Prozent der aktuellen Beitragsbemessungsgrenze gedeckelt. Krankengeld kann steuerfrei vereinnahmt werden, unterliegt aber dem Progressionsvorbehalt. Allerdings muss das Krankengeld verbeitragt und Beiträge zur Arbeitslosen-, zur gesetzlichen Renten- und zur sozialen Pflegeversicherung abgeführt werden. Im Ergebnis führt dies im Leistungsbezug regelmäßig – bezogen auf das durchschnittliche Nettoeinkommen – zu einer Versorgungslücke, die vor allem für freiwillig in der GKV versicherte Arbeitnehmer aufgrund der summenmäßigen Deckelung des Krankengelds sehr hoch ausfallen kann.

Der Anspruch auf gesetzliches Krankengeld besteht für dieselbe Krankheit maximal für 78 Wochen innerhalb von drei Jahren, wobei der Leistungsanspruch für die Dauer der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber ruht, das heißt, unter Berücksichtigung einer gesetzlichen Entgeltfortzahlungsdauer von sechs Wochen reduziert sich die Dauer der Leistungszahlung durch den gesetzlichen Krankenversicherer auf 72 Wochen. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass sich der Anspruch auf Krankengeld durch den Beitritt einer weiteren Erkrankung während des Leistungsbezugs nicht verlängert.

Im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit fällt die regelmäßige Versorgungslücke von in der gesetzlichen Krankenversicherung pflicht- und freiwillig versicherten Arbeitnehmern immer wieder unangenehm auf. Dies kann den Vermittler einer BU-Versicherung regelmäßig in Erklärungsnöte führen, da bei Abschluss einer BU-Versicherung in Abhängigkeit von der beantragten Rentenhöhe Angaben zur Einkommenssituation der zu versichernden Person für die letzten drei Jahre abgefragt werden.

Achtung Stolperfalle

Im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung kann bei Abschluss einer substitutiven Krankentagegeldversicherung bei einem privaten Krankenversicherer das Krankentagegeld der Höhe nach bis zum durchschnittlichen Nettoeinkommen der zu versichernden Person frei vereinbart werden. Der laufende Beitrag zur Krankheitskosten- und privaten Pflegepflichtversicherung sollte bei der Bemessung des Krankengeldanspruchs unter Berücksichtigung der Annahmerichtlinien des Versicherers ebenfalls berücksichtigt werden.

Wie das Krankengeld, so kann auch das Krankentagegeld steuerfrei vereinnahmt werden; einen Progressionsvorbehalt hat der Gesetzgeber für das Krankentagegeld nicht normiert. Allerdings müssen bei Bezug von Krankentagegeld Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet werden; diese werden von den privaten Krankenversicherern getragen (§ 349 Abs. 4 Satz 1 SGB III).

Im Gegensatz zum Krankengeld handelt es sich mit Blick auf die gesetzliche Rentenversicherung beim Krankentagegeld nicht um beitragspflichtiges Einkommen, das heißt, bezogen auf das Krankentagegeld müssen Arbeitnehmer keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abführen. Dies kann bei einem längeren oder einem wiederholten Bezug von Krankentagegeld, zum Beispiel im Fall einer rezidivierenden Krebserkrankung, für Arbeitnehmer fatale Folgen haben. 

Fehlende 3-/5-tel-Belegung mit Pflichtbeiträgen

Der Gesetzgeber hat in § 43 SGB VI die Voraussetzungen für einen Bezug einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung normiert. Ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente setzt voraus, dass der Versicherte die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge bezahlt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Pflichtbeiträge in einem zusammenhängenden Zeitraum von drei Jahren bezahlt werden. Das nachfolgende Beispiel aus der Alltagspraxis des Autors soll dies einmal verdeutlichen:

Bei Arbeitnehmer Max Mustermann wurde eine schwere Depression diagnostiziert. Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers erhielt Herr Mustermann von seinem privaten Krankenversicherer für die Dauer von neun Monaten das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld. Nach einem mehrmonatigen Arbeitsversuch war der Arbeitnehmer wieder arbeitsunfähig und erhielt für weitere sechs Monate Krankentagegeld. Im Anschluss an eine Wiedereingliederungsmaßnahme konnte Herr Mustermann seinen beruflichen Verpflichtungen für drei Monate nachkommen, bis wiederum eine Periode mit schweren Depressionen zu einer erneuten Arbeitsunfähigkeit und einem Bezug von Krankentagegeld führte. Nach weiteren acht Monaten Leistungsbezug stellte ein von dem Krankenversicherer beauftragter Gutachter die Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers im Sinne von § 15 Abs. 1 b) MB/KT 2009 fest. Aufgrund einer fortlaufend testierten Arbeitsunfähigkeit erbrachte der Krankenversicherer für weitere drei Monate das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld.

In Summe hatte Herr Mustermann für eine Dauer von 26 Monaten Krankentagegeld erhalten und in dieser Zeit keine Pflichtbeiträge an die gesetzliche Rentenversicherung bezahlt. Sofern der Versicherungsnehmer nunmehr eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt hätte, wäre dieser Antrag aufgrund einer nicht erfüllten 3-/5-tel-Belegung mit Pflichtbeiträgen vom Rentenversicherungsträger abschlägig beschieden worden. Leider hatte der Versicherungsmakler seinen Kunden über diesen Tatbestand nicht aufgeklärt.

Zahlung freiwilliger Pflichtbeiträge

Sofern ein bislang pflichtversichertes Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund des Bezugs von Krankentagegeld vorübergehend nicht der Versicherungspflicht unterliegt, kann der Versicherte zur Konservierung der sozialrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente einen Antrag auf Versicherungspflicht stellen und freiwillige Pflichtbeiträge an die gesetzliche Rentenversicherung entrichten. Die Versicherungspflicht auf Antrag endet mit Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit, spätestens aber nach Ablauf von 18 Monaten. Beim Abschluss einer substitutiven Krankentagegeldversicherung sollte der Vermittler mit seinem Kunden bei der Bemessung des versicherten Krankentagegelds die Berücksichtigung freiwilliger Pflichtbeiträge an die gesetzliche Rentenversicherung besprechen.

Die eventuelle Notwendigkeit einer Versicherungspflicht auf Antrag zur Konservierung der sozialrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente muss auch für bestimmte freiberuflich und selbstständig tätige Versicherte, die der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen, geprüft werden. Sofern ein Versicherungsnehmer eine flankierende, das heißt den Anspruch auf Krankengeld ergänzende Krankentagegeldversicherung unterhält, ist eine Versicherungspflicht auf Antrag nicht erforderlich, da das Krankengeld verbeitragt werden muss. Wenn ein privat krankenversicherter Arbeitnehmer im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme wieder an die volle berufliche Belastung herangeführt werden soll, kommt es oftmals zu einer bösen Überraschung. So besteht nach den MB/KT für die Dauer einer Wiedereingliederungsmaßnahme kein Anspruch auf Krankentagegeld (BGH vom 11.03.2015, IV ZR 54/14).

Abweichende Regelungen in den AVB der Krankenversicherungsgesellschaften sind möglich und sollten vom Vermittler im Rahmen der Kundenberatung routinemäßig geprüft werden.

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