Anhaltender Krisenmodus: Bei Kleinst- und Kleinunternehmern kommt Absicherung zu kurz
Corona-Pandemie, Inflation, Fachkräftemangel und seit mehr als einem Monat der Ukraine-Krieg: Viele Klein- und Kleinstunternehmer befinden sich anhaltend im Krisenmodus. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, wollen sie unter anderem effizienter werden und mehr in Werbung investieren. Sie haben zudem eine klare Vorstellung, wo und wie sie die Digitalisierung vorantreiben möchten – etwa im Marketing, in der Buchhaltung und im Management von Kundenbeziehungen (CRM).
Zu diesem Fazit kommen Finanzchef24 und der digitale Versicherer andsafe in ihrem neusten Gewerbeversicherungsreport, dem eine Befragung von mehr als 800 Unternehmern und Selbstständigen zugrunde liegt. Experten zufolge unterschätzen viele Klein- und Mittelständler die sich daraus ergebenden Gefahren. Die Studie zeigt deutliche Branchenunterschiede auf.
„Der Händler vor Ort muss sich plötzlich gegen Konkurrenz aus dem Internet behaupten, die Kundenbedürfnisse nach niedrigen Preisen, Schnelligkeit und Bequemlichkeit bedient. Zwischen Gastronomen und Gast gibt es spätestens seit der Pandemie plötzlich Lieferdienste. Selbst frühere Anker wie Marken funktionieren heute anders. Influencer beeinflussen über eigene Kanäle ihre Follower oder werden selbst zu Produzenten – Stichwort Creator Economy“, sagt Benjamin Papo, Geschäftsführer von Finanzchef24 und warnt:
Der Mittelstand weiß um seine Möglichkeiten, Stellschrauben und Chancen. Er muss jedoch aufpassen, dass er angesichts von Corona, Nachhaltigkeit oder Internet nicht nur sein Geschäft an neue Situationen anpasst, sondern ebenso die daraus entstehenden Risiken frühzeitig erkennt und bewertet.
Männer schätzen ihre Unternehmen digitaler ein als Frauen
Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, wollen knapp 50 Prozent in Marketing investieren, 42 Prozent die Effizienz steigern und 39 Prozent ihre Gewinne maximieren. Auch wenn die Digitalisierung von der Mehrheit nicht als direkter Schlüssel ausgemacht wird, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen, so erkennen viele Unternehmer Faktoren wie Effizienz, Geschwindigkeit und Margenverbesserung als entscheidend an – die sich wiederum durch Digitalisierung erreichen lassen. Die Umfrage zeigt, dass sich die Mehrheit des hiesigen Mittelstands im digitalen Mittelfeld verortet. Knapp 20 Prozent sehen sich sogar top aufgestellt und auf Augenhöhe mit Jeff Bezos’ Amazon. Männliche Unternehmer beurteilen die Digitalkompetenz ihrer Unternehmung deutlich positiver als Frauen.
Digitalprozesse in Marketing und Buchhaltung verbessern
Deutschlands Unternehmer haben eine klare Vorstellung, in welchen Bereichen sie die Digitalisierung vorantreiben möchten. Ob Social Media statt Papierflyer, ob Google-Adwords statt der klassischen Zeitungsanzeige: Fast jeder Zweite will demnach im Marketing (49 Prozent) noch mehr auf Digitalprozesse setzen. Auch beim Thema Rechnungen möchte der Kleinst- und Kleinunternehmer die Ära des Papierkrams hinter sich lassen. 48 Prozent wollen die Buchhaltung digitalisieren. Auf Platz 3 folgt CRM/Kundenmanagement (34 Prozent). Die Digitalisierung von Vertrieb (31 Prozent) und Verkauf (26 Prozent) ist immerhin noch knapp jedem Dritten wichtig. Weniger auf der Agenda steht die Digitalisierung von Prozessen in Materialwirtschaft, Produktion oder Personalwesen.
Angst vor Gesundheitsausfall besonders groß
Der Aufbruchslust im Anschluss an die herausfordernden Krisenjahre stehen Unsicherheiten gegenüber. Die größte Sorge der Unternehmer ist für gut jeden dritten Befragten (33 Prozent) ein gesundheitsbedingter längerer Ausfall. Danach kommt lange Zeit nichts. Auf dem zweiten Platz des Angst-Rankings rangiert die Befürchtung vor finanziellen Schäden durch unberechtigte Schadenersatzforderungen von Kunden oder Lieferanten (16 Prozent) und auf dem dritten Platz der Verlust von personen- und unternehmensbezogenen Daten durch Viren oder Datenlecks (13 Prozent). Knapp darauf folgt die Besorgnis vor dem Ausfall der IT mit 12 Prozent.
Damit positioniert sich das Thema IT direkt nach dem Thema Gesundheit. Eine weitere Auswertung zeigt, dass die Bedenken vor einem Hackerangriff größer werden, je digitaler sich ein Unternehmen aufgestellt sieht. Wovor Unternehmer Angst haben, hängt deutlich von der Branche ab. Unter den Gastronomen etwa spielt das Thema Gesundheit nur für rund jeden zehnten Befragten eine Rolle, dafür aber für rund jeden vierten (26 Prozent) die Angst vor Naturkatastrophen.
Finanzielle Vorsorge ist fast jedem Zweiten wichtig
Analog zu ihren Ängsten und Sorgen beurteilt der Klein- und Mittelstand laut Finanzchef24 und andsafe seine Bedürfnisse in Bezug auf die Absicherung. Den Wunsch, gesundheitliche Risiken, krankheitsbedingte Ausfälle oder Arztkosten abzusichern, haben 50 Prozent. Die persönliche finanzielle Vorsorge fürs Alter wollen 45 Prozent sichern. 38 Prozent möchten Schadenfälle absichern, die durch Kundenforderungen entstehen können – wie etwa finanzielle Forderungen, Betriebsunterbrechungen oder Schäden an Einrichtung und Ausstattung. Die eigene Absicherung gegen alle möglichen Risiken schätzen die Unternehmer mehrheitlich mittel bis gut ein. Rund jeder fünfte Befragte ist der Meinung, durch entsprechende Policen bereits sehr gut gewappnet zu sein. Frauen beurteilen ihre Absicherung in der Tendenz als etwas weniger gut.
Der Schein trügt jedoch, wie Querauswertungen zeigen. Ihre Angst vor einem gesundheitlichen Ausfall halten nur 13 Prozent der Unternehmer für sehr gut abgedeckt. Auch beim Thema Cyber-Versicherung zeigt sich Potenzial. Ihre Vorsorge vor einem Hackerangriff bezeichnen nur knapp 15 Prozent als sehr gut, die Versicherungsaufwendungen gegen Datenverlust nur 17 Prozent.
Der Wunsch nach stärkerer Absicherung spiegelt in unseren Augen nicht unbedingt wider, in welchen Bereichen mehr Absicherung nötig wäre. Wir raten Unternehmern, ihr Geschäftsmodell mit Blick auf Anpassungen und veränderte Risiken regelmäßig zu untersuchen,
empfiehlt Christian Buschkotte, Geschäftsführer bei der andsafe AG.
Zwei offene Flanken sollte nach seinen Worten gerade der kleinere Mittelstand ins Visier nehmen. So führt die von vielen angestrebte Digitalisierung zu neuen beziehungsweise veränderten Risiken. Darüber hinaus hat die Veränderungs- und Anpassungsgeschwindigkeit der Geschäftsmodelle der Gewerbetreibenden deutlich zugenommen. Hier stoßen Modelle klassischer Versicherer mit einer historischen Betriebsartenlogik immer öfter an ihre Grenzen, gelten doch viele Unternehmen als sogenannter Mischbetrieb.
Das gilt für den Trockenbauer, der zusätzlich Malerarbeiten anbietet, ebenso wie für den Friseur mit einem Onlineshop. Eine andere offene Flanke sei zudem der oftmals sehr persönliche Blick auf Gesundheitsthemen. „Diese Ängste sind gerade Kleinunternehmern und Soloselbstständigen einleuchtend, weil sie oft selbst direkt betroffen sind“, erläutert Papo. Allerdings sollten exogene Faktoren und Drittschäden gleichwertig bedacht werden – zumal sich die Prämien für Absicherungsaufwendungen im Zaum halten. Informationen zum Gewerbeversicherungsreport können direkt als Dokument als PDF heruntergeladen werden.
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