Generationengerechtes Rentensystem: Mammutaufgabe der neuen Bundesregierung

Die Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV) und ihr Zweigverein, das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V. (IVS), begrüßen grundsätzlich die Pläne von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, das Rentensystem durch einen Ausbau der Kapitaldeckung zukunftsfest und generationengerechter zu machen.

(PDF)
businessman with piggy bank and coins at officebusinessman with piggy bank and coins at officeSyda Productions – stock.adobe.com

„Die Einführung einer zusätzlichen kapitalgedeckten Komponente in der Gesetzlichen Rentenver­siche­rung ist eine neue hybride, solidarisch-kollektive Finanzierungsform, die es so in Deutschland noch nicht gegeben hat“, unterstreicht der DAV-Vorstandsvorsitzende Dr. Herbert Schneidemann.

„Die avisierte Anschub­finan­zierung von zehn Milliarden Euro“, ergänzt der IVS-Vorstandsvorsit­zende Dr. Friedemann Lucius, „kann jedoch die strukturellen Probleme der ersten Säule nicht kurzfristig lösen, sondern frühestens in 20 Jahren zu einer gewissen Entlastung des Rentensystems beitragen.“

Vor diesem Hintergrund appellieren DAV und IVS noch einmal an die politischen Entscheidungstragenden, ein langfristiges, generationengerechtes und sozial ausgewogenes Konzept für die Rente zu entwickeln, das auf den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik fußt.

Zusätzliche Mittel für die Ausfinanzierung

„Und diese sind im Kern ganz klar: Wenn das Rentenniveau ohne Erhöhung des Renteneintrittsalters gehalten werden soll, dann müssen in erheblichem Maß zusätzliche Mittel in die Rentenversicherung fließen“, so Dr. Schneidemann weiter.

Hier fehlten bislang aber die belastbaren Aussagen, wie das vor dem Hintergrund der hohen Staatsschuldenlast und der prognostizierten Klimawandelkosten finanziert werden solle.

Sicher ist nach ersten Analysen von  DAV und IVS, dass die Gesetzliche Rente auch mit einer zusätzlichen kapitalgedeckten Komponente keine lebensstandard­sichernde Funktion haben werde. Von daher sei die ergänzende und geförderte Absicherung aus betrieblicher Altersversorgung (bAV) und privater Altersvorsorge weiterhin für die Bürgerinnen und Bürger essenziell.

Mehr Gestaltungsspielraum wird erforderlich sein

„Die Säulen zwei und drei unseres Alterssicherungssystems brauchen aber deutlich mehr Gestaltungs­spielraum, um in der andauernden Tiefzinssituation die erwartbaren Versorgungslücken der ersten Säule zu schließen“, erläutert Dr. Lucius. Damit dies gelinge, ist nach der Überzeugung von DAV und IVS auch eine Neudefinition der Garantieanforderungen notwendig.

„Die bisherige 100-Prozent-Beitragsgarantie verengt unnötigerweise die Anlageoptionen in chancen- und damit renditereichere Investments“, führt Dr. Lucius weiter aus.

Sinnvolle Garantien lägen deutlich unterhalb des Beitragserhalts, damit die Versichertenbeiträge nicht vollständig zur Absicherung der Garantien eingesetzt werden müssten und unter Rendite-Risiko-Gesichtspunkten ein bestmöglicher Ertrag erreicht werde.

Systemische Risiken

Mit Blick auf die angekündigte Schaffung eines öffentlich verantworteten Fonds sind aus Sicht von DAV und IVS noch zahlreiche Fragen offen. So fokussierten sich alle bislang bekannten Konzepte nur auf die Ansparphase und ließen die hoch komplexe und jahrzehntewährende Auszahlungsphase vielfach außer Acht.

„Zudem dürfen die systemischen Risiken eines einzigen billionenschweren Fonds nicht ausgeblendet werden“, erläutert Dr. Schneidemann.

Die Unabhängigkeit eines solchen Fonds müsse aufgrund seiner potenziellen Bedeutung für die Sozialsysteme durch entsprechende Steuerungs- und Governancekonzepte bereits mit der Gründung sichergestellt werden.

„Die generationengerechte Weiterentwicklung unseres Rentensystems wird neben dem Kampf gegen den Klimawandel zweifellos eine der komplexesten Aufgaben für die neue Bundesregierung“, so Dr. Schneidemann abschließend. Die Aktuar­innen und Aktuare in der DAV und dem IVS werden diesen Prozess mit ihrer Expertise für das Management von kollektiven Spar- und Entsparprozessen gern aktiv begleiten und unterstützen.

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Artificial intelligence. Technology web background. Virtual concArtificial intelligence. Technology web background. Virtual concArtificial intelligence. Technology web background. Virtual conc
Assekuranz

Licht im Dunkel der „Black Box“: KI und Aktuare

Aktuell finden sich immer mehr Anwendungsfälle für KI im aktuariellen Bereich. Was bedeutet das für die Rolle der Aktuarinnen und Aktuare? Sind diese bei der Einführung von KI entscheidend oder laufen sie Gefahr, von dieser Technologie abgelöst zu werden?

Red flag peakRed flag peakallvision – stock.adobe.comRed flag peakallvision – stock.adobe.com
Assekuranz

Aktuare kritisieren Vorschläge der Fokusgruppe

Die Vorschläge konterkarieren zum Teil das Ziel privater Altersvorsorge und fördern Altersarmut. Insbesondere die Idee, die Rente mit zeitlich befristeten Auszahlungsplänen gleichzustellenden, würde den zentralen Kerngedanken von Altersvorsorge aufzugeben.

Übt Kritik an den zaghaften Willensbekundungen der möglichen Koalitionsparteien: Moritz Schumann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des GDV.GDVÜbt Kritik an den zaghaften Willensbekundungen der möglichen Koalitionsparteien: Moritz Schumann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des GDV.GDV
Politik

Rente: „Statt Versprechungen braucht es Lösungen, die für alle Altersgruppen fair sind“

Das Sondierungspapier von SPD und CDU/CSU stellt hohe Rentenversprechen in Aussicht, doch wie generationengerecht sind diese Maßnahmen? Der GDV mahnt an, dass neben der gesetzlichen Rente auch die betriebliche und private Altersvorsorge gestärkt werden müssen – und fordert konkrete Reformen.

Die FDP-Fraktion im Bundestag hat einen Antrag zur Reform der Altersvorsorge eingebracht.kschneider2991 / pixabayDie FDP-Fraktion im Bundestag hat einen Antrag zur Reform der Altersvorsorge eingebracht.kschneider2991 / pixabay
Politik

Die Aktienrente ist zurück

Die Aktienrente ist zurück - vorerst nur in einem Antrag der FDP-Fraktion im Bundestag. Doch immerhin wurde dieser Antrag zur weiteren Beratung in den Ausschuss 'Arbeit und Soziales' überwiesen.

Unsere Themen im Überblick

Informieren Sie sich über aktuelle Entwicklungen und Hintergründe aus zentralen Bereichen der Branche.

Themenwelt

Praxisnahe Beiträge zu zentralen Themen rund um Vorsorge, Sicherheit und Alltag.

Wirtschaft

Analysen, Meldungen und Hintergründe zu nationalen und internationalen Wirtschaftsthemen.

Management

Strategien, Tools und Trends für erfolgreiche Unternehmensführung.

Recht

Wichtige Urteile, Gesetzesänderungen und rechtliche Hintergründe im Überblick.

Finanzen

Neuigkeiten zu Märkten, Unternehmen und Produkten aus der Finanzwelt.

Assekuranz

Aktuelle Entwicklungen, Produkte und Unternehmensnews aus der Versicherungsbranche.