Die Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV) und ihr Zweigverein, das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V. (IVS), begrüßen grundsätzlich die Pläne von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, das Rentensystem durch einen Ausbau der Kapitaldeckung zukunftsfest und generationengerechter zu machen.
„Die Einführung einer zusätzlichen kapitalgedeckten Komponente in der Gesetzlichen Rentenversicherung ist eine neue hybride, solidarisch-kollektive Finanzierungsform, die es so in Deutschland noch nicht gegeben hat“, unterstreicht der DAV-Vorstandsvorsitzende Dr. Herbert Schneidemann.
„Die avisierte Anschubfinanzierung von zehn Milliarden Euro“, ergänzt der IVS-Vorstandsvorsitzende Dr. Friedemann Lucius, „kann jedoch die strukturellen Probleme der ersten Säule nicht kurzfristig lösen, sondern frühestens in 20 Jahren zu einer gewissen Entlastung des Rentensystems beitragen.“
Vor diesem Hintergrund appellieren DAV und IVS noch einmal an die politischen Entscheidungstragenden, ein langfristiges, generationengerechtes und sozial ausgewogenes Konzept für die Rente zu entwickeln, das auf den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik fußt.
Zusätzliche Mittel für die Ausfinanzierung
„Und diese sind im Kern ganz klar: Wenn das Rentenniveau ohne Erhöhung des Renteneintrittsalters gehalten werden soll, dann müssen in erheblichem Maß zusätzliche Mittel in die Rentenversicherung fließen“, so Dr. Schneidemann weiter.
Hier fehlten bislang aber die belastbaren Aussagen, wie das vor dem Hintergrund der hohen Staatsschuldenlast und der prognostizierten Klimawandelkosten finanziert werden solle.
Sicher ist nach ersten Analysen von DAV und IVS, dass die Gesetzliche Rente auch mit einer zusätzlichen kapitalgedeckten Komponente keine lebensstandardsichernde Funktion haben werde. Von daher sei die ergänzende und geförderte Absicherung aus betrieblicher Altersversorgung (bAV) und privater Altersvorsorge weiterhin für die Bürgerinnen und Bürger essenziell.
Mehr Gestaltungsspielraum wird erforderlich sein
„Die Säulen zwei und drei unseres Alterssicherungssystems brauchen aber deutlich mehr Gestaltungsspielraum, um in der andauernden Tiefzinssituation die erwartbaren Versorgungslücken der ersten Säule zu schließen“, erläutert Dr. Lucius. Damit dies gelinge, ist nach der Überzeugung von DAV und IVS auch eine Neudefinition der Garantieanforderungen notwendig.
„Die bisherige 100-Prozent-Beitragsgarantie verengt unnötigerweise die Anlageoptionen in chancen- und damit renditereichere Investments“, führt Dr. Lucius weiter aus.
Sinnvolle Garantien lägen deutlich unterhalb des Beitragserhalts, damit die Versichertenbeiträge nicht vollständig zur Absicherung der Garantien eingesetzt werden müssten und unter Rendite-Risiko-Gesichtspunkten ein bestmöglicher Ertrag erreicht werde.
Systemische Risiken
Mit Blick auf die angekündigte Schaffung eines öffentlich verantworteten Fonds sind aus Sicht von DAV und IVS noch zahlreiche Fragen offen. So fokussierten sich alle bislang bekannten Konzepte nur auf die Ansparphase und ließen die hoch komplexe und jahrzehntewährende Auszahlungsphase vielfach außer Acht.
„Zudem dürfen die systemischen Risiken eines einzigen billionenschweren Fonds nicht ausgeblendet werden“, erläutert Dr. Schneidemann.
Die Unabhängigkeit eines solchen Fonds müsse aufgrund seiner potenziellen Bedeutung für die Sozialsysteme durch entsprechende Steuerungs- und Governancekonzepte bereits mit der Gründung sichergestellt werden.
„Die generationengerechte Weiterentwicklung unseres Rentensystems wird neben dem Kampf gegen den Klimawandel zweifellos eine der komplexesten Aufgaben für die neue Bundesregierung“, so Dr. Schneidemann abschließend. Die Aktuarinnen und Aktuare in der DAV und dem IVS werden diesen Prozess mit ihrer Expertise für das Management von kollektiven Spar- und Entsparprozessen gern aktiv begleiten und unterstützen.
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