Licht im Dunkel der „Black Box“: KI und Aktuare

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Spätestens seit Veröffentlichung von ChatGPT ist das Thema künstliche Intelligenz (KI) in aller Munde und die Einsatzmöglichkeiten von KI entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Versicherungsunternehmen werden rege diskutiert. Automatisiertes Dokumentenmanagement, digitale Schadenerkennung und Chatbots als Kundenberater sind nur einige Beispiele dafür, wie KI bereits heute im Versicherungswesen eingesetzt wird.

Aktuell finden sich auch immer mehr Anwendungsfälle für KI im aktuariellen Bereich. Doch was bedeutet das für die Rolle der Aktuarinnen und Aktuare? Sind diese bei der Einführung von KI entscheidend oder laufen sie Gefahr, von dieser Technologie abgelöst zu werden?

Für die Gesellschaft ist es von großer Bedeutung, sicherzustellen, dass KI-Systeme ethischen Grundsätzen sowie den wissenschaftlich anerkannten Standards und regulatorischen Anforderungen gerecht werden. Dabei stehen neben den neuesten technischen Entwicklungen und mathematischen Methoden die Integrität, Transparenz und Erklärbarkeit der Systeme im Fokus, da die stetige Weiterentwicklung der Methoden und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von KI die Komplexität deutlich erhöhen. Um dies in der Versicherungsbranche zu gewährleisten, spielen Aktuarinnen und Aktuare bei der Einführung von KI-Systemen eine entscheidende Rolle.

Künftige Aufgabenfelder: Kontrolle und Erklärung von KI

Aufgrund ihres vielfältigen Tätigkeitsfeldes verfügen Aktuarinnen und Aktuare über eine breite Daten- und Modellierungsexpertise, die eine ganzheitliche Herangehensweise an die Entwicklung von KI-Systemen im Versicherungsbereich entlang der Wertschöpfungskette ermöglicht. Sie können ihr Fachwissen in Versicherungsfragen einbringen und dazu beitragen, dass die entwickelten Modelle aussagekräftig sind und den fachlichen Standards sowie den regulatorischen Anforderungen der Versicherungsbranche gerecht werden.

Auch in der Frage der Erklärbarkeit von KI-Systemen spielen Aktuarinnen und Aktuare eine besondere Rolle. In der Öffentlichkeit werden oftmals die zugrunde liegenden Algorithmen als „Black Box“ angesehen, da sie aufgrund der komplexen Materie nicht direkt zugänglich sind. Hier kommen Aktuarinnen und Aktuare ins Spiel, denn sie sind es gewohnt, gegenüber verschiedenen Stakeholdern die Funktionsweise von Modellen verständlich zu kommunizieren, indem sie die relevanten Annahmen und Parameter sowie die entscheidenden Zusammenhänge und Sensitivitäten der Modellierung erläutern und die Ergebnisse interpretieren können. So kann das Verständnis für KI-Systeme erhöht und entsprechend Vertrauen in deren Anwendung gestärkt werden.

Darüber hinaus sind Aktuarinnen und Aktuare darin geschult, bei Modellierungen eine sorgfältige Datensichtung und -vorbereitung vorzunehmen, die je nach Fragestellung passenden Methoden auszuwählen und die Modellergebnisse umfangreich zu testen. So können unsachgemäße Ergebnisse schnell erkannt und korrigiert werden. Komplexe Modellierungen, wie sie bei KI-Methoden zu finden sind, könnten zum Beispiel durch unzureichende oder fehlerhafte Daten beeinträchtigt werden und dann zu ungenauen Vorhersagen, eventuell sogar zu Diskriminierung, führen.

Ein prominentes Beispiel hierfür sind die vor einigen Jahren in den USA für die Vergabe von Kreditscores verwendeten Algorithmen, die dadurch für Aufsehen sorgten, dass sie nach Geschlecht und Nationalität diskriminierten. Das Risiko solcher Szenarien wird durch die Einbindung von Aktuarinnen und Aktuaren aufgrund der aktuariellen Standards der DAV und der hohen Anwendungskompetenz in KI-Methoden deutlich verringert und sollte damit in der deutschen Versicherungswirtschaft auch zukünftig zu vermeiden sein.

Aktuarinnen und Aktuare als „human in the loop”

KI-Systeme erfordern außerdem eine sorgfältige Abwägung ethischer Grundsätze und den Schutz sensibler, personenbezogener Versicherungsdaten. Aktuarinnen und Aktuare sind in der Lage, ethische Richtlinien in KI-Systeme zu integrieren und sicherzustellen, dass die Verwendung von Daten im Einklang mit den rechtlichen und regulatorischen Vorgaben erfolgt. Ihre Kompetenz in den Bereichen Datenschutz und Compliance, die seit Jahren sowohl zur Ausbildung als auch zum täglichen Arbeitsalltag gehören, ist entscheidend, um das Vertrauen der Kunden und der Öffentlichkeit in den Einsatz von KI-Systemen in der Versicherungsbranche sicherzustellen.

Der Erfolg von KI hängt dabei – mehr noch als bei früheren disruptiven Technologien – unmittelbar vom Vertrauen aller Beteiligten in diese neue Technologie ab. Während KI-Systeme in der Lage sind, große Mengen an Daten zu verarbeiten und Muster zu erkennen, damit die Arbeitsweisen nicht nur in der Versicherung, sondern in vielen anderen Branchen zum Positiven verändert werden, fehlt es ihnen naturgemäß an menschlichem Kontext, Intuition und Erfahrung.

Aktuarinnen und Aktuare können diese Lücken durch ihre langjährige Daten- und Modellierungsexpertise sowie ihre Kompetenz in Kommunikation und Regulatorik füllen. Sie werden so zu einer entscheidenden Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Als „human in the loop“ können Aktuarinnen und Aktuare die Einführung sowie die laufende Entwicklung von KI-Systemen in der Versicherung aktiv mitgestalten, ihre steuernde und bewertende Rolle in den Versicherungsunternehmen bleibt unersetzlich. Die Branche profitiert von einem verantwortungsvollen Einsatz von KI und den damit verbundenen Chancen auf Innovation und Wachstum.

Die DAV stellt sich auf KI ein

Die DAV beschäftigt sich seit 2016 mit Themen der KI, seit 2018 vertieft im Rahmen des Ausschusses Actuarial Data Science (ADS). Schwerpunkte der Arbeit im Ausschuss sind der verantwortungsvolle Umgang mit Daten, Methoden der Anonymisierung, die Regulatorik auf EU-Ebene, Validierung und Erklärbarkeit von KI-Systemen sowie die Vermeidung von Diskriminierung.

Außerdem bietet die DAV Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich ADS an, um ihre Mitglieder mit den neusten Entwicklungen vertraut zu machen. Das Ziel ist es, eine verantwortungsvolle Nutzung von KI in der Versicherungsbranche zu gewährleisten. Mit Stand vom 30. Juni 2023 haben bereits 112 Aktuarinnen und Aktuare die Zusatzausbildung zum „Certified Actuarial Data Scientist“ (CADS) abgeschlossen, über 100 weitere befinden sich aktuell in Ausbildung.

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