GKV-Ausgaben laufen aus dem Ruder: Beitragszahler werden 2022 überfordert

Im Jahr 2020 musste die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ein Minus von 6,2 Milliarden Euro verbuchen. Damit haben sich die Ausgaben auf rund 263 Milliarden Euro erhöht, eine Änderung ist nicht zu erwarten.

(PDF)
Anzugtraeger-Euro-Ballon-308072833-AS-ElnurAnzugtraeger-Euro-Ballon-308072833-AS-ElnurElnur – stock.adobe.com

Seit Jahren steigen die Ausgaben in der GKV stärker als die Einnahmen. Im Zeitraum 2017 bis 2020 nahmen die Beitragseinnahmen in der GKV um 10,6 Prozent zu, die Ausgaben stiegen aber um 14,3 Prozent.

Sigrid König, Vorständin beim BKK Landesverband Bayern sagt:

"Die Leistungsausgaben der Krankenkassen sind durch ein fortwährendes, politisch motiviertes laissez faire außer Kontrolle geraten; die Belastungsgrenze der Beitragszahlenden ist längst erreicht. Unkalkulierbare Zusatzbelastungen der GKV, etwa infolge der Pandemie, wiegen besonders schwer, weil die Krankenkassen nur noch über einen Bodensatz an Rücklagen verfügen dürfen. Wir brauchen noch vor dem Herbst 2021 auf die Ausgaben wirkende strukturelle Veränderungen."

Beitragszahlende müssen Kostenlücke schließen

Einzelne besonders kostenintensive Bereiche, wie die Arzneimittelausgaben verzeichnen ein Plus von 13,5 Prozent; die Aufwendungen für Krankengeld stiegen um 20,7 Prozent. Zu Lasten der Beitragszahlenden geht auch eine Vielzahl an versicherungsfremden Leistungen. So sind staatlich garantierte Krankenversicherungsbeiträge für Bezieher von Arbeitslosendgeld II nicht annähernd kostendeckend.

Das Iges-Institut schätzte in einer Studie (2017) den diesbezüglichen Jahresfehlbetrag auf gut 8,6 Milliarden Euro; die Summe aller versicherungsfremden Leistungen für das Jahr 2016 schätzt das Wig²-Institut auf ein Volumen von gut 56 Milliarden Euro.

König führt weiter aus:

"Die Beitragszahlenden werden 2022 eine Kostenlücke von mehr als 17 Milliarden Euro über erhöhte Beiträge schließen müssen. Menschen in Pflegeberufen oder im Einzelhandel werden damit über die Pandemiefolgen hinaus übermäßig stark belastet. Eine Gesundheitspolitik, die Strukturveränderungen vernachlässigt, wird damit zum zusätzlichen Belastungsfaktor für viele Personengruppen."

Für eine Altenpflegerin, die Branchenkreisen zufolge in München im Mittel brutto rund 2.900 Euro im Monat verdient, bedeutet eine Beitragserhöhung um einen Prozentpunkt ein monatliches Minus von 14,50 Euro auf dem Konto; die gleiche Summe muss die Pflegeeinrichtung zusätzlich überweisen.

GKV-Durchschnittsbeitrag aktuell so hoch wie nie

Unkalkulierbare Zusatzausgaben, die infolge der Corona-Pandemie den Krankenkassen zugerechnet werden, belasten die Beitragszahlenden darüber hinaus derzeit systemfremd. Nach den vorläufigen amtlichen Statistiken werden allein 2020 rund 2,8 Milliarden Euro an Zusatzausgaben für Hygieneartikel, Testungen, die Sicherstellung der Versorgung in Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern versicherungsfremd der GKV zugerechnet.

Die meisten Krankenkassen sind schon seit Jahren gezwungen, Rücklagen abzubauen und Zusatzbeiträge zu erheben. Der staatlich festgelegte GKV-Durchschnittsbeitrag ist aktuell mit 15,9 Prozent (inklusive 1,3 Prozentpunkte für den Zusatzbeitrag) so hoch wie nie.

Sigrid König erklärt:  "Im Fokus der Gesundheitsversorgung aber auch bei den Ausgaben müssen die Versicherten stehen. Denn sie zahlen letztlich mit ihren Beiträgen die Zeche eines ungezügelten Leistungsgeschehens."

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Anzugtraeger-Fragezeichen-Dominos-180443650-AS-ElnurAnzugtraeger-Fragezeichen-Dominos-180443650-AS-ElnurElnur – stock.adobe.comAnzugtraeger-Fragezeichen-Dominos-180443650-AS-ElnurElnur – stock.adobe.com
Assekuranz

GKV-Bundeszuschüsse sind keine nachhaltige Lösung

Um die wachsende Finanzlücke der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu schließen, ist eine dauerhafte Steigerung der Bundeszuschüsse im Gespräch. In einem aktuellen Gutachten beschreiben zwei Gesundheitsökonomen die Gefahren einer stärkeren Steuerfinanzierung sozialer Leistungen. Sie warnen vor Verteilungskämpfen um Steuermittel.
Würfel mit Pfielen und einer Gabelung symbolisieren die EntscheWürfel mit Pfielen und einer Gabelung symbolisieren die Entschefotogestoeber – stock.adobe.comWürfel mit Pfielen und einer Gabelung symbolisieren die Entschefotogestoeber – stock.adobe.com
Assekuranz

Wettbewerbsverzerrung in der Krankenversicherung beenden

Angestellte in Deutschland müssen im Jahr 2025 deutlich mehr verdienen, um sich zwischen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Privaten Krankenversicherung (PKV) entscheiden zu können. Die Versicherungspflichtgrenze soll auf 73.800 Euro steigen. Die massive Erhöhung greift in die Wahlfreiheit von Millionen Angestellten ein und verzerrt den gut funktionierenden Wettbewerb zwischen GKV und PKV stärker als bisher.

Female doctor prescribing medication for patient.Female doctor prescribing medication for patient.nenetus – stock.adobe.comFemale doctor prescribing medication for patient.nenetus – stock.adobe.com
Assekuranz

PKV-Beiträge entwickeln sich langfristig günstiger

Der Beitrag für Angestellte oder Selbstständige, die 20 Jahre und länger privat krankenversichert sind, liegt 2023 im Schnitt etwa auf der Höhe von GKV-Versicherten mit mittlerem Einkommen. Ältere PKV-Versicherte zahlen im Durchschnitt nicht mehr als jüngere.

Presentable man in costume and watchPresentable man in costume and watchmegaflopp – stock.adobe.comPresentable man in costume and watchmegaflopp – stock.adobe.com
Assekuranz

Krankenkassenbeiträge erneut zu erhöhen ist plan- und ideenlos

GKV-Versicherten drohen erneute Beitragserhöhungen. Karl Lauterbach verdeutlichte, dass bei weiter steigenden Ausgaben der Krankenkassen auch die Beiträge angehoben werden müssen, um Leistungskürzungen auszuschließen und erfuhr unmittelbar dafür deutliche Kritik von den Verbänden.

Arzt-Untersuchung-192329662-AS-HalfpointArzt-Untersuchung-192329662-AS-HalfpointHalfpoint – stock.adobe.comArzt-Untersuchung-192329662-AS-HalfpointHalfpoint – stock.adobe.com
Assekuranz

"Raffelhüschen-Vorschlag geht in die völlig falsche Richtung"

Den Vorstoß des Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Bernd Raffelhüschen, nach dem gesetzlich Krankenversicherte zur Finanzierung des Gesundheitswesens jährlich bis zu 2.000 Euro Selbstbeteiligung zahlen sollten, lehnt der AOK-Bundesverband als nicht zielführend ab.

Financial AdvisorFinancial AdvisorAndrey Popov – stock.adobe.comFinancial AdvisorAndrey Popov – stock.adobe.com
Auszeichnungen

Über 100-Jährige sind die Innovatoren der Krankenversicherungsbranche

Wer ist Vorreiter in Sachen Innovation, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Investition? Auffällig häufig befinden sich unter den Trägern des Siegels „Ausgezeichnete Krankenkassen“ Versicherer, die vor über 100 Jahren gegründet wurden.

Mehr zum Thema

Zum 1. März müssen Mofas, Mopeds und E-Scooter auf ein grünes Versicherungskennzeichen umgestellt werden.Laney5569 / pixabayZum 1. März müssen Mofas, Mopeds und E-Scooter auf ein grünes Versicherungskennzeichen umgestellt werden.Laney5569 / pixabay
Assekuranz

Kennzeichenwechsel für Mofas, Mopeds und E-Scooter: Ab März gilt nur noch Grün

Zum 1. März müssen Mofas, Mopeds und E-Scooter auf ein grünes Versicherungskennzeichen umgestellt werden. Wer weiterhin mit dem blauen Kennzeichen unterwegs ist, fährt nicht nur ohne Versicherungsschutz, sondern macht sich auch strafbar. Die aktuellen Zahlen des GDV zeigen zudem: Schäden und Diebstähle haben 2023 deutlich zugenommen.

Thorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik & RatingMORGEN & MORGENThorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik & RatingMORGEN & MORGEN
Assekuranz

Lebensversicherung: Überschussbeteiligung 2025 steigt weiter – doch nicht in der Breite

Die Überschussbeteiligungen deutscher Lebensversicherer steigen weiter, wenn auch weniger stark als im Vorjahr. Eine Analyse von MORGEN & MORGEN zeigt, dass fast alle Versicherer mindestens zwei Prozent bieten, während jeder fünfte Anbieter drei Prozent oder mehr gewährt. Thorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik & Rating, bewertet die Entwicklung als kundenfreundlich, betont aber auch die individuelle Strategie der Versicherer.

ACWells / pixabayACWells / pixabay
Assekuranz

Lebensversicherung führt Beschwerde-Statistik an

Der Versicherungsombudsmann e. V. hat seinen Tätigkeitsbericht zur Streitbeilegung vorgelegt. Insgesamt 21.548 Beschwerden wurden im Jahr 2024 bearbeitet. Dabei fällt auf: Beschwerden über Versicherungsvermittler sind mit 334 Fällen gering und zeigen kaum Veränderungen zu den Vorjahren.

Bei einer Wasserbüffel-Herde in Brandenburg wurde Maul- und Klauenseuche (MKS) nachgewiesen.Anduka66 / pixabayBei einer Wasserbüffel-Herde in Brandenburg wurde Maul- und Klauenseuche (MKS) nachgewiesen.Anduka66 / pixabay
Assekuranz

Maul- und Klauenseuche in Deutschland: Was Versicherungen wirklich abdecken

Maul- und Klauenseuche nach Jahrzehnten erneut in Deutschland: Der Ausbruch in Brandenburg zeigt, wie schnell Tierseuchen enorme wirtschaftliche Risiken für Landwirte mit sich bringen. Versicherungen helfen bei direkten Schäden, lassen Landwirte bei Einkommensverlusten durch Exportverbote jedoch oft allein.

Technisch sind automatisierte Binnenschiffe längst realisierbar, doch rechtliche Hürden bremsen ihren Einsatz - das soll sich ändern, fordern die Versicherer (Symbolbild).Couleur / pixabayTechnisch sind automatisierte Binnenschiffe längst realisierbar, doch rechtliche Hürden bremsen ihren Einsatz - das soll sich ändern, fordern die Versicherer (Symbolbild).Couleur / pixabay
Assekuranz

Versicherer fordern Rechtsrahmen für automatisierte Binnenschifffahrt

Automatisierte Binnenschiffe könnten schon heute einsatzbereit sein – doch es fehlt an klaren gesetzlichen Vorgaben. Der GDV fordert die Bundesregierung und internationale Flusskommissionen auf, Standards zu schaffen, um die Technologie voranzutreiben.

OleksandrPidvalnyi / pixabayOleksandrPidvalnyi / pixabay
Assekuranz

Berufsunfähigkeitsversicherung 2025: Neue Rahmenbedingungen stärken Stabilität

Die Berufsunfähigkeitsversicherung bleibt auch 2025 ein stabiler Schutz. Franke und Bornberg analysieren die Entwicklungen des Vorjahres und beleuchten die veränderten Rahmenbedingungen, darunter die Erhöhung des Höchstrechnungszinses und neue Produktanpassungen.