Im Jahr 2020 musste die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ein Minus von 6,2 Milliarden Euro verbuchen. Damit haben sich die Ausgaben auf rund 263 Milliarden Euro erhöht, eine Änderung ist nicht zu erwarten.
Seit Jahren steigen die Ausgaben in der GKV stärker als die Einnahmen. Im Zeitraum 2017 bis 2020 nahmen die Beitragseinnahmen in der GKV um 10,6 Prozent zu, die Ausgaben stiegen aber um 14,3 Prozent.
Sigrid König, Vorständin beim BKK Landesverband Bayern sagt:
"Die Leistungsausgaben der Krankenkassen sind durch ein fortwährendes, politisch motiviertes laissez faire außer Kontrolle geraten; die Belastungsgrenze der Beitragszahlenden ist längst erreicht. Unkalkulierbare Zusatzbelastungen der GKV, etwa infolge der Pandemie, wiegen besonders schwer, weil die Krankenkassen nur noch über einen Bodensatz an Rücklagen verfügen dürfen. Wir brauchen noch vor dem Herbst 2021 auf die Ausgaben wirkende strukturelle Veränderungen."
Beitragszahlende müssen Kostenlücke schließen
Einzelne besonders kostenintensive Bereiche, wie die Arzneimittelausgaben verzeichnen ein Plus von 13,5 Prozent; die Aufwendungen für Krankengeld stiegen um 20,7 Prozent. Zu Lasten der Beitragszahlenden geht auch eine Vielzahl an versicherungsfremden Leistungen. So sind staatlich garantierte Krankenversicherungsbeiträge für Bezieher von Arbeitslosendgeld II nicht annähernd kostendeckend.
Das Iges-Institut schätzte in einer Studie (2017) den diesbezüglichen Jahresfehlbetrag auf gut 8,6 Milliarden Euro; die Summe aller versicherungsfremden Leistungen für das Jahr 2016 schätzt das Wig²-Institut auf ein Volumen von gut 56 Milliarden Euro.
König führt weiter aus:
"Die Beitragszahlenden werden 2022 eine Kostenlücke von mehr als 17 Milliarden Euro über erhöhte Beiträge schließen müssen. Menschen in Pflegeberufen oder im Einzelhandel werden damit über die Pandemiefolgen hinaus übermäßig stark belastet. Eine Gesundheitspolitik, die Strukturveränderungen vernachlässigt, wird damit zum zusätzlichen Belastungsfaktor für viele Personengruppen."
Für eine Altenpflegerin, die Branchenkreisen zufolge in München im Mittel brutto rund 2.900 Euro im Monat verdient, bedeutet eine Beitragserhöhung um einen Prozentpunkt ein monatliches Minus von 14,50 Euro auf dem Konto; die gleiche Summe muss die Pflegeeinrichtung zusätzlich überweisen.
GKV-Durchschnittsbeitrag aktuell so hoch wie nie
Unkalkulierbare Zusatzausgaben, die infolge der Corona-Pandemie den Krankenkassen zugerechnet werden, belasten die Beitragszahlenden darüber hinaus derzeit systemfremd. Nach den vorläufigen amtlichen Statistiken werden allein 2020 rund 2,8 Milliarden Euro an Zusatzausgaben für Hygieneartikel, Testungen, die Sicherstellung der Versorgung in Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern versicherungsfremd der GKV zugerechnet.
Die meisten Krankenkassen sind schon seit Jahren gezwungen, Rücklagen abzubauen und Zusatzbeiträge zu erheben. Der staatlich festgelegte GKV-Durchschnittsbeitrag ist aktuell mit 15,9 Prozent (inklusive 1,3 Prozentpunkte für den Zusatzbeitrag) so hoch wie nie.
Sigrid König erklärt: "Im Fokus der Gesundheitsversorgung aber auch bei den Ausgaben müssen die Versicherten stehen. Denn sie zahlen letztlich mit ihren Beiträgen die Zeche eines ungezügelten Leistungsgeschehens."
Themen:
LESEN SIE AUCH
Wettbewerbsverzerrung in der Krankenversicherung beenden
Angestellte in Deutschland müssen im Jahr 2025 deutlich mehr verdienen, um sich zwischen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Privaten Krankenversicherung (PKV) entscheiden zu können. Die Versicherungspflichtgrenze soll auf 73.800 Euro steigen. Die massive Erhöhung greift in die Wahlfreiheit von Millionen Angestellten ein und verzerrt den gut funktionierenden Wettbewerb zwischen GKV und PKV stärker als bisher.
PKV-Beiträge entwickeln sich langfristig günstiger
Der Beitrag für Angestellte oder Selbstständige, die 20 Jahre und länger privat krankenversichert sind, liegt 2023 im Schnitt etwa auf der Höhe von GKV-Versicherten mit mittlerem Einkommen. Ältere PKV-Versicherte zahlen im Durchschnitt nicht mehr als jüngere.
Krankenkassenbeiträge erneut zu erhöhen ist plan- und ideenlos
GKV-Versicherten drohen erneute Beitragserhöhungen. Karl Lauterbach verdeutlichte, dass bei weiter steigenden Ausgaben der Krankenkassen auch die Beiträge angehoben werden müssen, um Leistungskürzungen auszuschließen und erfuhr unmittelbar dafür deutliche Kritik von den Verbänden.
"Raffelhüschen-Vorschlag geht in die völlig falsche Richtung"
Den Vorstoß des Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Bernd Raffelhüschen, nach dem gesetzlich Krankenversicherte zur Finanzierung des Gesundheitswesens jährlich bis zu 2.000 Euro Selbstbeteiligung zahlen sollten, lehnt der AOK-Bundesverband als nicht zielführend ab.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Versicherungstarifrunde: 1.400 Beschäftigte in Baden-Württemberg im Warnstreik
Im Tarifkonflikt der privaten Versicherungswirtschaft erhöhen die Beschäftigten den Druck: Rund 1.400 Angestellte legen in Baden-Württemberg die Arbeit nieder – mit klarer Botschaft an die Arbeitgeber vor der entscheidenden Verhandlungsrunde am 4. Juli.
Lebensversicherung: ZZR-Rückflüsse bringen Spielraum
Zinsanstieg, ZZR-Rückflüsse und demografischer Wandel verändern das Geschäftsmodell der Lebensversicherer grundlegend. Die Branche steht finanziell stabil da – doch das Neugeschäft bleibt unter Druck.
Wiederanlage im Bestand: Versicherer verschenken Milliardenpotenzial
In Zeiten stagnierender Neugeschäftszahlen und hoher Leistungsabfüsse rückt der Versicherungsbestand zunehmend in den Fokus strategischer Überlegungen. Das gilt insbesondere für die Lebensversicherung: Dort schlummern ungenutzte Chancen, die Erträge stabilisieren und die Kundenbindung stärken könnten – wenn Versicherer systematisch auf Wiederanlage setzen würden. Der Text erschien zuerst im expertenReport 05/2025.
#GKVTag – Pflegeversicherung unter Reformdruck: Stabilität durch Solidarität
Drei Jahrzehnte Pflegeversicherung – eine sozialpolitische Erfolgsgeschichte mit strukturellen Rissen. Seit ihrer Einführung garantiert sie die Absicherung pflegebedürftiger Menschen und setzt dabei auf das Zusammenspiel von Solidarität und Eigenverantwortung. Doch mit wachsender Zahl Anspruchsberechtigter, einem Ausgabenvolumen von inzwischen 65 Milliarden Euro und einem Beitragssatz von 3,6 Prozent (zuzüglich Kinderlosenzuschlag) gerät das System an seine finanziellen Grenzen.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.