"Raffelhüschen-Vorschlag geht in die völlig falsche Richtung"

Zur Finanzierung des teuren Gesundheitssystems schlägt der Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen vor, dass gesetzlich Krankenversicherte pro Jahr gestaffelt bis zu 2000 Euro Selbstbeteiligung zahlen. „Wir können uns das System nicht mehr leisten. Patienten müssen künftig mehr aus eigener Tasche dazu bezahlen", sagte der Professor an der Universität Freiburg der „Bild“ (Mittwoch).

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Ansonsten würde der Beitragssatz bis 2035 auf bis zu 22 Prozent steigen. Nach den Plänen Raffelhüschens sollen Patienten nach dem Arztbesuch künftig eine Rechnung erhalten und diese an die Krankenkasse weiterreichen, die dann einen Großteil der Kosten übernehme.

Für die Eigenbeteiligung der Patienten soll es mehrere Stufen geben. Insgesamt solle diese bei 1.500 oder 2.000 Euro pro Jahr gedeckelt werden, so Raffelhüschen. Dazu müsse es natürlich einen Sozialausgleich geben. Die Zuschüsse zum Beispiel für Geringverdiener müssen aus dem Bundeshaushalt kommen.

Raffelhüschen sprach sich in Bild auch dafür aus, dass Versicherte Verletzungen bei selbstgewählte Risiken wie zum Beispiel Skifahren künftig komplett selbst bezahlen sollten. Ebenso sollten seines Erachtens auch Raucher sich an den Folgekosten von Behandlungen stärker selbst beteiligen.

Bei Adipositas-Patienten müsse man sehen, welche Ursachen zugrunde liegen. Aber auch hier könne eine höhere Selbstbeteiligung sinnvoll sein, sagte der Ökonom zu "Bild". Als Hauptgründe für die immer stärker steigenden Kosten im Gesundheitssystem nannte er den demografischen Wandel und den medizinisch-technischen Fortschritt.

Den Vorstoß des Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Bernd Raffelhüschen, kritisiert Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands:

"Die Idee von Herrn Prof. Raffelhüschen, zusätzlich zu den Beiträgen eine Art Eintrittsgebühr für Arzt- und Klinikbesuche in Höhe von bis zu 2000 Euro zu erheben, lehnen wir ab. Die Erfahrungen mit der quartalsweisen Praxisgebühr von 10 Euro haben gezeigt, dass gerade einkommensschwache Menschen durch solche Maßnahmen von notwendigen Arztbesuchen abgehalten werden. Das kann dazu führen, dass notwendige medizinische Maßnahmen zu spät eingeleitet werden und dadurch wiederum Folgekosten für die Solidargemeinschaft entstehen.

Vor allem unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit und vor dem Hintergrund der ohnehin gestiegenen Belastungen der Versicherten gehen solche Vorschläge in die völlig falsche Richtung. Statt Patienten und Beitragszahlende finanziell noch stärker zu belasten, sollte man dafür sorgen, dass bei den Ausgaben wieder stärker auf Wirtschaftlichkeit und Nutzen geachtet wird.

In den letzten Jahren hat man die Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen ohne Rücksicht auf die Einnahmenseite laufen lassen, um die ständigen neuen Forderungen von Ärzten, Krankenhäusern, Apotheken oder Pharmaindustrie zu bedienen. In schwierigen Zeiten müssen jetzt alle ihren Beitrag zu Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV leisten. Denn von einer leistungsfähigen und finanziell solide aufgestellten GKV profitieren alle."

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