Elementarschadenversicherungspflicht – Diskussionen ebben nicht ab

Während in Deutschland bei jeder Unwetterkatastrophe der Staat mit Steuermilliarden einspringen muss, kann sich Frankreich seit 42 Jahren auf das für alle Seiten günstigere „CatNat“-System verlassen. Dessen drei Säulen seien öffentliche Rückversicherung, Modellierung und Prävention, erläuterte der Vorstandvorsitzende des französischen Rückversicherers Caisse Centrale de Réassurance (CCR), Édouard Vieillefond.

(PDF)
Stormy water on the sidewalk in a strong stream through curbsStormy water on the sidewalk in a strong stream through curbsandrey gonchar – stock.adobe.com

Die Versicherungen könnten ihre Risiken berechnen und abwälzen, dem Klimawandel werde Rechnung getragen und überall, wo es möglich sei, würden Schäden durch Naturkatastrophen schon im Vorfeld verhindert. Für den Vorstandsvorsitzenden ist der Erfolg des Systems einfach zu erklären: „Wir wenden schlicht das Prinzip der nationalen Solidarität an. Alle zahlen denselben Aufschlag. Deshalb sind die Kosten für die Versicherten erschwinglich.“

An der ZEV-Konferenz nahmen unter anderem das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sowie Staatskanzleien und Ministerien aus Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland teil. Diese hörten, wie Vieillefond die Gegenargumente der deutschen Versicherungswirtschaft als unbegründet widerlegte:

  • Wenn nur wenige Häuser betroffen sind, dann wird von staatlicher Seite keine Naturkatastrophe anerkannt. Falsch. Es liege an der Intensität des Ereignisses, nicht nur an der Anzahl betroffener Haushalte. Außerdem springe in den restlichen Fällen die Gebäudeversicherung ein.
  • Das CatNat-System verstößt gegen Europarecht. Nein, die französische Elementarschadenversicherung sei abschließend geprüft und vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gemäß der Solvency II-Richtlinie für konform befunden worden.
  • Ein solch umfassender Schutz der Haushalte belastet den Staat finanziell stark. Falsch. Der französische Staat verdiene sogar sehr viel Geld. Als Garantiegeber erhalte er über 120 Millionen Euro jährlich. Und der Rückversicherer zahle zudem auch noch erhebliche Steuerbeträge.
  • Zu diesem letzten Punkt erläutert Antoine Quantin, Leiter Rückversicherungen und öffentliche Fonds bei der CCR: „Die CCR zahlt 10,8 Prozent ihrer Prämien an den Staat als Gegenleistung für dessen Garantie, welche nur einmal im Jahr 1999 in Anspruch genommen wurde. Man kann also sagen, dass der Staat dank diesem System Geld verdient.“

    Der französische Staat musste in 42 Jahren nur ein einziges Mal finanzielle Zuschüsse leisten – und das mit einem geringen Millionen-Betrag im Vergleich zu den Milliarden allein für das Ahrtal. Unter dem Strich hat Frankreich in den letzten Jahrzehnten also viel Geld gewonnen, während Deutschland kontinuierlich Steuergelder ausgeben musste.

    Für Dr. Johannes Fechner, Bundestagsmitglied und parlamentarischer Geschäftsführer der SPD Bundestagsfraktion, ist die Lage eindeutig: „Wir müssen in Deutschland bei schwierigen Fragen das Rad nicht neu erfinden. Und in Frankreich haben wir ein funktionierendes System wie die Bürgerinnen und Bürger sich günstig gegen Elementarschäden versichern können. Ich habe wenig Verständnis für die Position des Justizministers.“

    Das Argument, um Buschmanns Parteikollegen Lindner zu überzeugen liegt für Dr. Carsten Zielke, den geschäftsführenden Gesellschafter der Zielke Research GmbH, auf der Hand: „Der Finanzminister freut sich doch, wenn man kommt und sagt, dass man kein Geld will, sondern ihm sogar welches bringen kann.“

    Dringenden Handlungsbedarf sieht Jakob Thevis, stellvertretender Vorstand des ZEV: „Frankreich setzt beim Elementarschadenschutz seit 42 Jahren auf Solidarität, Prävention und einen starken staatlichen Rückversicherer. Deutschland muss hier endlich nachziehen. Wir verschlingen hierzulande unglaubliche Summen an Steuergeldern und unsere Versicherungsprämien sind selbst in der geringsten Risikozone höher als in Frankreich in der höchsten Risikozone.“

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Hochwasser und Überflutung in Steyr, ÖsterreichHochwasser und Überflutung in Steyr, ÖsterreichGina Sanders – stock.adobe.comHochwasser und Überflutung in Steyr, ÖsterreichGina Sanders – stock.adobe.com
Assekuranz

Gebäudeversicherungen müssen nicht teurer werden

Aufgrund des Klimawandels kommt es immer häufiger zu Extremwetterereignissen. Daher warnte der GDV jüngst davor, dass sich die Prämien für die Wohngebäudeversicherung massiv verteuern könnten. Dies scheint aber vermeidbar zu sein, wie ein Blick auf Frankreich zeigt.

Hard rain fall in the city with blurry cars .Selective focus.Hard rain fall in the city with blurry cars .Selective focus.chokchaipoo – stock.adobe.comHard rain fall in the city with blurry cars .Selective focus.chokchaipoo – stock.adobe.com
International

Faktencheck Elementarschadenversicherung: In Frankreich bringt sie dem Staat Geld ein

Laut Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft soll das französische System der Elementarschadenversicherung defizitär sein. Das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz (ZEV) erklärt jedoch, wie der Staat Geld verdienen kann, wenn 98 Prozent der Haushalte für nur 26 Euro im Jahr einen umfassenden Versicherungsschutz erhalten.

Regen-Fensterscheibe-1837310-PB-PexelsRegen-Fensterscheibe-1837310-PB-PexelsPexels – pixabay.comRegen-Fensterscheibe-1837310-PB-PexelsPexels – pixabay.com
Assekuranz

"Deutschland muss umdenken": Warum wir einen Versicherungsschutz à la française brauchen

Das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e.V. (ZEV) erläutert, warum das französische System in allen Punkten für einen Elementarschutz überzeugen kann.

Hochwasser-673587256-DP-Lensw0rldHochwasser-673587256-DP-Lensw0rldHochwasser-673587256-DP-Lensw0rld
Assekuranz

Hochwasser: „Landunter“ beim Versicherungsschutz?

Werden auch dieses Mal wieder Steuergelder fließen, um die Flutopfer in Deutschland zu entschädigen? Ein bezahlbarer und flächendeckender Versicherungsschutz gegen Elementarschäden nach französischem Vorbild könnte den Bundesetat nachhaltig entlasten und sogar den Versicherern Schutz bieten.

Starkregen-387399134-DP-SimonXT2Starkregen-387399134-DP-SimonXT2Starkregen-387399134-DP-SimonXT2
Assekuranz

Versicherer beziehen Sturzflutgefahr in Risikomodelle ein

Sturzfluten werden im Risikomodell der Versicherer bis jetzt nur ungenau abgebildet. Künftig wird das Risiko für rund ein Drittel der Adressen in Deutschland separat erfasst und in das Geoinformationssystem ZÜRS Geo übernommen.

Sturmsack, aufkommendes Gewitter mit Sturm - KonzeptSturmsack, aufkommendes Gewitter mit Sturm - Konzeptstockpics – stock.adobe.comSturmsack, aufkommendes Gewitter mit Sturm - Konzeptstockpics – stock.adobe.com
Assekuranz

„Bernd“ prägt GDV-Langzeitbilanz der Naturgefahrenschäden

Wo verursachen Unwetter die höchsten Gebäudeschäden? Die Langzeitbilanz für 2002 bis 2021 des GDV zeigt auf: Die Sturzflut „Bernd“ im Sommer 2021 war die mit Abstand schwerste Naturkatastrophe Deutschlands in der jüngeren Vergangenheit. Und diese hatte Ahrweiler am stärksten getroffen.

Mehr zum Thema

Technisch sind automatisierte Binnenschiffe längst realisierbar, doch rechtliche Hürden bremsen ihren Einsatz - das soll sich ändern, fordern die Versicherer (Symbolbild).Couleur / pixabayTechnisch sind automatisierte Binnenschiffe längst realisierbar, doch rechtliche Hürden bremsen ihren Einsatz - das soll sich ändern, fordern die Versicherer (Symbolbild).Couleur / pixabay
Assekuranz

Versicherer fordern Rechtsrahmen für automatisierte Binnenschifffahrt

Automatisierte Binnenschiffe könnten schon heute einsatzbereit sein – doch es fehlt an klaren gesetzlichen Vorgaben. Der GDV fordert die Bundesregierung und internationale Flusskommissionen auf, Standards zu schaffen, um die Technologie voranzutreiben.

OleksandrPidvalnyi / pixabayOleksandrPidvalnyi / pixabay
Assekuranz

Berufsunfähigkeitsversicherung 2025: Neue Rahmenbedingungen stärken Stabilität

Die Berufsunfähigkeitsversicherung bleibt auch 2025 ein stabiler Schutz. Franke und Bornberg analysieren die Entwicklungen des Vorjahres und beleuchten die veränderten Rahmenbedingungen, darunter die Erhöhung des Höchstrechnungszinses und neue Produktanpassungen.

Dr. Olaf Schmitz, Vorstandsmitglied für die LebensversicherungFoto: VPVDr. Olaf Schmitz, Vorstandsmitglied für die LebensversicherungFoto: VPV
Assekuranz

VPV Versicherungen: Neuerungen zum Jahreswechsel durch Höchstrechnungszinsanhebung

Mit dem Jahreswechsel bringt die VPV Versicherungen (VPV) umfassende Anpassungen und Neuerungen in mehreren Produktbereichen.

Laut Angaben der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) verzeichnen Krankenhäuser jedes Jahr etwa 800 bis 1.000 Verletzte, die durch Feuerwerkskörper zu Schaden kommen.Foto: GrokLaut Angaben der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) verzeichnen Krankenhäuser jedes Jahr etwa 800 bis 1.000 Verletzte, die durch Feuerwerkskörper zu Schaden kommen.Foto: Grok
Assekuranz

Die Risiken der Silvesternacht und der richtige Versicherungsschutz

Die Silvesternacht ist für viele Menschen ein festlicher Höhepunkt, an dem das alte Jahr verabschiedet und das neue mit Feuerwerk und Feierlaune begrüßt wird. Doch der Übergang ins neue Jahr birgt auch Gefahren, die häufig unterschätzt werden.

neelam279 / pixabayneelam279 / pixabay
Assekuranz

Kfz-Versicherung: Preise steigen um 43 Prozent in zwei Jahren

Die Kosten für Kfz-Versicherungen sind in den letzten zwei Jahren massiv gestiegen. Laut Verivox-Kfz-Versicherungsindex zahlen Autofahrer heute 43 Prozent mehr als 2022.

Megan_Rexazin_Conde / pixabayMegan_Rexazin_Conde / pixabay
Assekuranz

BU-Regulierung: Längere Bearbeitungszeiten durch steigende Anträge

Das BU-Leistungspraxisrating 2024 von Franke und Bornberg liefert detaillierte Einblicke in die Regulierungspraxis von zehn Versicherern. Trotz steigender Antragszahlen und längerer Bearbeitungszeiten gibt es Fortschritte.