68 Prozent der internationalen Finanzexperten sind der Meinung, dass Klimarisiken in den Börsenkursen aktuell nur ungenügend eingepreist sind. So lautet das Ergebnis einer Online-Umfrage unter knapp 2.000 internationalen Finanzexperten, die Wirtschaftsforscher durchgeführt haben. Die Wissenschaftler stellen außerdem fest, dass die Finanzprofis in ihren professionellen Einschätzungen von ihren politischen Überzeugungen beeinflusst sind. Diese Ergebnisse veröffentlicht das EPoS Economic Research Center der Universitäten Bonn und Mannheim im Diskussionspapier „Mental Models in Financial Markets: How Do Experts Reason About the Pricing of Climate Risk?“.
„Wir haben Finanzprofis aus den USA, Europa und Asien, die als ‚Chartered Financial Analyst‘ anerkannt sind, befragt und sind selbst überrascht von den Ergebnissen“, sagt Florian Zimmermann vom EPoS Economic Research Center. „Zwar gehen die meisten Experten davon aus, dass Klimarisiken an den Börsen aktuell unterschätzt werden. Allerdings sagen gleichzeitig mehr als 10 Prozent der Befragten, dass Klimarisiken an der Börse aktuell überschätzt werden. Es gibt also durchaus große Uneinigkeit unter den Finanzprofis.“ Bei der Frage nach den Gründen für diese inadäquate Bewertung gehen die Meinungen ebenfalls auseinander.
Ursachen der Fehlbewertungen
Viele Finanzexperten argumentieren, dass Fehlwahrnehmungen anderer Marktteilnehmer der Hauptgrund sind, warum Klimarisiken nicht korrekt eingepreist sind. Die Forscher stellen fest, dass hier die politische Ausrichtung der Experten von großer Relevanz ist. Finanzprofis, die sich eher der politischen Linken zugehörig fühlen, glauben, dass andere Marktteilnehmer Klimarisiken unterschätzen. Umgekehrt glauben Befragte, die sich eher der politischen Rechten zugehörig fühlen, dass andere Marktteilnehmer Klimarisiken überschätzen. Es zeigt sich also, dass die Finanzmarktprofis in ihren professionellen Einschätzungen von ihren politischen Überzeugungen beeinflusst sind.
Dekarbonisierung der Wirtschaft
„Die Erkenntnisse unsere Studie sind relevant für die aktuellen Anstrengungen zur Dekarbonisierung unserer Wirtschaft“, sagt Zimmermann. Für eine effiziente Abkehr von fossilen Energieträgern sind Finanzmärkte enorm wichtig. Die Marktteilnehmer bewerten Klimarisiken und bestimmen maßgeblich, in welchem Maße Kapital in klimaschädliche Geschäftsmodelle oder Wirtschaftssektoren fließt. „Das Ergebnis unserer Umfrage, wonach Klimarisiken nach Auffassung der meisten Experten aktuell nicht korrekt eingepreist werden, macht Sorge“, sagt Zimmermann. „Gleichzeitig legt diese Erkenntnis nahe, dass noch erhebliche Anstrengungen notwendig sind, um die Bewertung von Klimarisiken zu verbessern.“
Besseres Risiko-Management gefordert
Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde BaFin fordert bereits seit längerem eine größere Sensibilität der Finanzbranche beim Thema „Klimarisiken“. Zudem ermahnt die Europäische Zentralbank die Bankinstitute im Euroraum seit Jahren, die Klimarisiken angemessen zu überwachen und zu managen. Andernfalls drohen Strafzahlungen. Die Frist für die Institute läuft Ende des Jahres aus.
„Es ist höchste Zeit, die Klimarisiken im Finanzwesen und an der Börse angemessen zu berücksichtigen und einzupreisen“, sagt Zimmermann. „Das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Umstellung auf eine klimafreundlichere Wirtschaft gelingt.“
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