map-report ermittelt Bilanzstärke der Lebensversicherer

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Neben den wichtigsten Daten zum Neugeschäft, Bestand, sowie zur Kosten- und Ertragslage, zeigt der map-report 931 für 77 Gesellschaften in einer ausführlichen Kennzahlenanalyse die Gewinner und Verlierer des Geschäftsjahres 2022. Die Branche stand vor der Herausforderung eines rasanten Zinsanstiegs, mit deutlichen Auswirkungen auf das Neugeschäft und die Bewertungsreserven. Das Berichtsjahr ist ein Paradebeispiel dafür, den Fokus nicht nur auf einzelne Kennzahlen zu richten. Eine Gesamtbetrachtung relativiert Ausreißer und zeigt die Stärken der Lebensversicherer.

Der Druck auf die Anbieter lässt nicht nach und kommt in immer neuen Varianten. In diesem Zusammenhang steigt auch die Relevanz von umfangreichen Analysen und Vergleichen. Vor allem für die Anbieter von Produkten mit langfristig garantierten Leistungen. Wer zeichnet noch Neugeschäft und wächst? Bei wem laufen die Kosten aus dem Ruder? Welcher Anbieter verfügt über ausreichende Reserven und Eigenmittel. Wie steht es um die Kapitalerträge und welche Auswirkungen hatte die Zinswende auf die Lebensversicherer?

Das Rating ist eine Methode, um ausgesuchte Kennzahlen durch systematische Verdichtung nach subjektiver Gewichtung zu bewerten. Dieser Vergleich bietet eine umfangreiche Faktensammlung und ermöglicht anhand der integrierten Bilanzanalyse eine bessere Einordnung der Ergebnisse.

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Die beste Bewertung im Rating erzielte wie im Vorjahr die Allianz, die mit 354 Punkten beziehungsweise 88,50 Prozent der maximal erzielbaren Punkte ein „mmm+“ für hervorragende Leistungen erzielte. Für die höchste Bewertungskategorie sind 85 Prozent erforderlich. Insgesamt drei Mal wurde die höchste Auszeichnung verliehen. Von den zehn größten Anbietern konnte sich außer der Allianz kein weiterer Lebensversicherer in der Spitzengruppe platzieren. Zu den weiteren Siegern zählen neben der LV 1871 – mit nur einem Punkt Abstand auf die Allianz (353 Punkte/88,25 Prozent) – auch die Ideal mit 348 Zählern beziehungsweise 87,00 Prozent.

Die uniVersa führt das Feld der mit „mmm“ für sehr gute Leistungen bewerteten Unternehmen an und verfehlt mit 337 Punkten beziehungsweise 84,25 Prozent die höchste Bewertung nur knapp. Neben der uniVersa gingen noch 14 weitere Versicherer mit einem sehr guten Ergebnis aus dem Rennen. Die Dialog, Alte Leipziger und Provinzial Rheinland verfehlten die sehr gute Bewertung um bis zu zwei Prozentpunkte und führen die Liste der mit „mm“ für gute Leistungen bewerteten Unternehmen an. Mit der Benotung „gut“ wurden neben diesen drei Anbietern noch 19 weitere Versicherer ausgezeichnet.

Berücksichtigte Kennzahlen im Bilanzrating

Insgesamt 13 Kennzahlen bilden das Gerüst für die Bewertung im Bilanz-Rating. Der prozentuale Index zeigt für die Gesamtwertung das Verhältnis von maximal erzielbarer Punktzahl zur insgesamt erreichbaren Gesamtpunktzahl. Die Ergebnisse der Bilanzkennzahlen werden gewichtet und zu einem Ergebnis verdichtet.

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Die ausschließlich auf öffentlich zugänglichen Daten basierenden Kennzahlen reflektieren dabei vier Segmente. Die Solvabilität (SCR-Bedeckung), sowie die Gesamtreserve- und Sicherheitsmittelquote bilden die Sicherheit und Finanzierbarkeit der Lebensversicherer ab.

Als „Erfolgskennzahlen“ werden die Ertragsquote, die Rechnungszinsbelastungs- und Rechnungszinsanforderungsquote sowie die Größe zur Kapitalanlagerendite (Nettoverzinsung) berücksichtigt. Betriebsaufwendungen fließen über die Kostenkennziffern der Verwaltungs- und Abschlusskostenquoten ein.

Abschließend wird über die Größen Storno und RfB-Zuführung auch das Wohl der Kunden beachtet. Zudem wurden zwei Wachstumskennzahlen neu aufgenommen. Eindeutig voneinander abgrenzen lassen sich die vier einzelnen Kennzahlenkomplexe nicht immer, zumal auch Interdependenzen zwischen den Quoten bestehen.

Beitragseinnahmen brechen ein

Die verdienten Bruttobeiträge beliefen sich im Jahr 2022 auf 91,36 (Vorjahr 98,28) Mrd. Euro. Das entspricht einem regelrechten Einbruch von 7,0 Prozent beziehungsweise 6,92 Mrd. Euro. Nach Jahren der niedrigen, teils sogar negativen Zinsen, hat sich die Situation inzwischen radikal geändert.

„Das im vergangenen Jahr schnell und umfangreich gestiegene Zinsniveau rückte alternative Anlageformen wieder in den Fokus, die den Lebensversicherern im Neugeschäft Paroli bieten und vor allem auf das Einmalbeitragsgeschäft durchschlugen“, fasst Michael Franke, geschäftsführender Gesellschafter von Franke und Bornberg und Herausgeber des map-report, die Situation zusammen.

58 Gesellschaften (Vorjahr: 23) gelang es nicht die Beitragseinnahmen zu steigern, wovon 13 Anbieter im Run-Off sind oder kein Neugeschäft mehr zeichnen. Sechs Anbieter lagen mit bis zu drei Prozent knapp über dem Vorjahresniveau und lediglich ein Dutzend bauten die Beitragseinnahmen zwischen plus drei und 16 Prozent aus.

Relativ betrachtet konnte erneut die ERGO Vorsorge ihre Beitragseinnahmen um 16,2 Prozent auf 1.187,2 Mrd. Euro am deutlichsten steigern. Dahinter folgen BL die Bayerische mit einem Plus von 14,5 Prozent auf 502,8 Mio. Euro, die noch junge Dortmunder mit 13,8 Prozent auf 25,4 Mio. Euro sowie der LVM mit einem Zugang von 9,9 Prozent auf 934,5 Mio. Euro.

In absoluten Zahlen baute ebenfalls die ERGO Vorsorge die Beitragseinnahmen um 165,4 Mio. Euro am stärksten aus. Mit etwas Abstand folgen auf den weiteren Plätzen die Generali (121,6 Mio. Euro), Continentale (87,1 Mio. Euro), LVM (84,3 Mio. Euro) sowie Alte Leipziger mit 68,5 Mio. Euro.

Den größten absoluten Rückgang – ohne dabei Gesellschaften im Run-Off und eingestelltem Neugeschäft zu berücksichtigen – musste erneut die Allianz mit einem Minus von 1,80 Mrd. Euro einstecken. Umfangreichere Einnahmereduzierungen galt es auch bei der HanseMerkur (-896,9 Mio. Euro), R+V (-795,9), Bayern-Versicherung (-569,5 Mio. €) und Provinzial Rheinland zu verkraften.

Sorgenkind Neugeschäft

Gerade hatte sich die Branche vom Corona-Dämpfer des Jahres 2020 erholt und in 2021 sowohl nach Vertragsanzahl als auch nach Versicherungssumme wieder deutlich zulegt, da wurden die Karten auch schon neu gemischt.

Krieg in Europa, Inflation und die vermutlich letzten Pandemie-Ausläufer verhagelten das Neugeschäft. Wurden im Vorjahr noch 194.323 Policen (4,2 Prozent) mehr als im Jahr 2020 verkauft, brach der Absatz jetzt um 402.291 Verträge (-8,4 Prozent) auf 4.407.148 Policen ein. Wird die Versicherungssumme als Bezugsgröße betrachtet, ging es um 7,9 Prozent runter.

Und auch das Annual Premium Equivalent (APE) sank nach einem branchendurchschnittlichen Zugang 2021 um 4,38 Prozent im Berichtsjahr um rekordverdächtige -9,9 Prozent und rutschte auf 8,78 Mrd. Euro (Vorjahr 9,74 Mrd. Euro). Entgegen diesem Trend legte das Neugeschäft nach APE beim HDI mit 18,8 Prozent und Nürnberger mit 18,6 Prozent am deutlichsten zu. Die BL die Bayerische wuchs zwar nicht zweistellig, zählte mit 7,3 Prozent aber dennoch zu den erfolgreichsten Gesellschaften. Targo und Barmenia blieb der Sprung über die 5-Prozent-Hürde verwehrt, mit 4,9 beziehungsweise 4,7 Prozent war das Wachstum aber dennoch deutlich positiv.

Ausgebremst wurde das APE dabei primär von den Einmalbeiträgen. Die eingelösten Versicherungsscheine an Haupt- und Zusatzversicherungen nach laufendem Beitrag sackten zum Jahresende 2022 branchenweit um 6,0 Prozent auf 3,81 Mrd. Euro. Trendresistent und mit hohen Zuwächsen zeigten sich hier die Nürnberger (37,2 Prozent), HDI (32,7 Prozent), Zurich Deutscher Herold (21,4 Prozent) sowie Münchener Verein und Gothaer mit jeweils 20,8 Prozent.

Das Neugeschäft an Einmalbeiträgen musste jedoch richtig einstecken, verlor mit 23,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr fast ein Viertel und rutschte im Branchenschnitt von 26,9 auf 20,5 Mrd. Euro. Von den zehn größten Anbietern gelang es nur der Generali (7,4 Prozent) und Debeka (0,3 Prozent) im Einmalbeitragsgeschäft zuzulegen.

Fondspolicen dominieren

Sonstige Lebensversicherungen, zu denen vor allem auch fondsgebundene Verträge (FLV) zählen, waren erneut das Zugpferd im Verkauf und wurden am häufigsten unters Volk gebracht. Mit 1.529.456 eingelösten Versicherungsscheinen war diese Produktlinie die mit Abstand absatzstärkste.

Der Neugeschäftsanteil betrug 34,7 Prozent. Die vier erfolgreichsten Anbieter in dieser Sparte waren Generali, Allianz, Bayern-Versicherung und Debeka. Mit 664.180 verkauften Verträgen zeichneten die großen Vier mit 43,4 Prozent beinahe die Hälfte des gesamten Neugeschäfts.

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Kollektiv-Versicherungen hatten im Jahr 2022 mit 28,4 Prozent den zweithöchsten Neugeschäftsanteil an allen Sparten der Hauptversicherungen. Dabei wurden mit 1.252.913 Policen 66.032 (5,6 Prozent) Verträge mehr als im Vorjahr abgesetzt. Diese Versicherungsart war die einzige, in der mehr Policen als im Vorjahr verkauft wurden. Daran maßgeblich beteiligt waren allen voran die Allianz, Credit Life und SV Sparkassenversicherung, die im Vorjahresvergleich am deutlichsten zulegten.

Krisenresistentes Storno

Anders als vielfach befürchtet, hatte weder die Corona-Pandemie noch die Inflation und der Ukraine Krieg bisher signifikanten Auswirkungen auf die Stornoquoten. Nach steigenden Tendenzen im Jahr 2019 – also vor Covid, Krieg und Inflation – waren die Stornoentwicklungen in den einzelnen Sparten wie im Vorjahr wieder fast durchweg positiv.

In der KLV lag das Storno, berechnet auf die Anzahl der Verträge, mit 1,73 Prozent geringfügig über dem Vorjahresniveau von 1,63 Prozent. Die höchste Stornoquote mit 3,40 Prozent (Vorjahr: 3,56 Prozent) verzeichneten fondsgebundene Verträge, gefolgt von Risiko-Lebensversicherungen mit 2,86 Prozent (Vorjahr: 3,04 Prozent). Bei Rentenverträgen sank das Storno mit 2,22 Prozent auch noch einmal unter das niedrige Vorjahresniveau von 2,34 Prozent. Auch Kollektiv-Versicherungen folgten diesem Trend. Lag die Kennzahl im Vorjahr noch bei 2,63 Prozent, rutschte die Quote jetzt auf 2,47 Prozent. Die Stornoquoten sind trotz allgegenwärtiger Krisen noch immer sehr gering und über den gesamten Bestand von 2,59 auf 2,51 Prozent gefallen.

Reserven werden zu Lasten

Ende 2021 verfügten die deutschen Lebensversicherer branchenweit noch über Stille Reserven in Höhe von 155,9 Mrd. Euro. Doch infolge der Zinswende brachen die Kurse von kaum verzinsten Anleihen im Bestand massiv ein. Zum Jahresultimo 2022 sind aus den Stillen Reserven Stille Lasten mit einem Volumen von 106,8 Mrd. Euro geworden. Das entspricht 10,3 Prozent der gesamten Kapitalanlagen.

„Da die Zinsen im Jahr 2023 weiter gestiegen sind und ein weiterer Anstieg eher wahrscheinlich ist, könnte sich die Situation bei den Bewertungsreserven noch zuspitzen“ zeigt sich Franke wenig optimistisch.

Als Folge der Zinsentwicklung stürzte die Gesamtreserve-Quote, bei der neben den Bewertungsreserven auch die freie RfB und der Schlussüberschussanteilfonds einfließen, im Branchenschnitt von 19,06 Prozent auf -6,19 Prozent ab. Bei 17 Gesellschaften war diese Kennzahl noch positiv, bei den restlichen 60 untersuchten Anbieten bewegt sich das Spektrum zwischen -0,14 (Delta Direkt) und -28,29 Prozent (Concordia Oeco).

Hier schließt sich auch der Kreis zum Neugeschäft. Denn für die Versicherer geht ein geringes Neugeschäft nicht nur mit weniger Einnahmen einher, sondern kann auch ein Risiko hinsichtlich der Reserven darstellen. Durch ein nachhaltiges Wachstum im Neugeschäft können Lebensversicherer die nötige Liquidität erzielen, um in höherverzinsliche Anlagen zu investieren.

„Für Anbieter, die im Vergleich zu ihrem Bestand einen hohen Anteil an Neugeschäft haben, ergeben sich Vorteile gegenüber Versicherern mit einem großen Bestand und relativ wenig Neugeschäft. Nicht zuletzt deshalb wurde im Rating-Teil der Auswertung das Wachstum als Kriterium aufgenommen“ ergänzt Reinhard Klages, Leiter des Bereichs Ratings Unternehmenskennzahlen.

Ausblick

Die Welt kommt aus dem Krisenmodus einfach nicht heraus. Nach Covid und dem Krieg in Ukraine, lässt sich die weitere Entwicklung im Nahen Osten kaum vorhersehen. Die Konsequenzen dürften auch die Versicherer zu spüren bekommen. Wenn niemand weiß, wie sich die Energiekosten entwickeln, wie es mit der Inflationsrate weitergeht und die Zukunft generell zunehmend unsicher erscheint, könnte ein Konsumverzicht für viele Haushalte das Mittel der Wahl sein.

„Wer den Lebensstandard auch im Ruhestand nicht zurückfahren will, kommt in den meisten Fällen an zusätzlicher Vorsorge jedoch nicht vorbei“ sind sich Franke und Klages einig. Im Juli hat die Fokusgruppe private Altersvorsorge ihren Abschlussbericht vorgelegt und im nächsten Jahr will der Gesetzgeber darauf reagieren. Es gilt abzuwarten, welche Reformen auf die Branche zukommen.

Trotz des weiter deutlich gestiegenen Zinsniveaus ist eine Rückkehr zu Klassiktarifen mit konventionellem Deckungsstock nicht zu erwarten. Im aktuellen Umfeld sind Produkte mit Ertragspotential gefragt. So ist davon auszugehen, dass fondsgebundene Policen ihre ohnehin schon starke Position im Neugeschäft weiter ausbauen werden. Sie bieten darüber hinaus eine große Auswahl an nachhaltiger Kapitalanlage, wodurch gerade bei jüngeren Verbrauchern gepunktet wird.

Zudem wird es weitere Unternehmenszusammenschlüsse geben. Die Landeslebenshilfe überträgt ihren Bestand auf die Frankfurter Leben, Barmenia und Gothaer planen den Zusammenschluss für 2024 und die Fusion der Provinzial Rheinland und Provinzial NordWest steht auch noch bevor. Damit dürfte das Ende der Fahnenstange aber noch nicht erreicht sein.

Ab sofort lieferbar

Der map-report „Bilanzrating deutscher Lebensversicherer 2022“ ist ab sofort als map-report 931 im PDF-Format lieferbar. Interessenten wenden sich an [email protected] oder bestellen direkt über die Website. Eine kostenlose Basisinformation zum map-report liefert Franke und Bornberg hier.

Bilder (2–4): © Franke und Bornberg GmbH