Zu viel Regulierung schadet Kunden und Versicherern

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Die in Deutschland tätigen Versicherer beklagen ein Übermaß an Regulierung auf nationaler wie auf europäischer Ebene. Vorgaben für Nachhaltigkeitsberichterstattung und Datenschutz waren die zentralen Themen eines GDV-Mediengesprächs.

Als Beispiel für übermäßige Regulierung auf europäischer Ebene nannte der Vorsitzende des GDV-Präsidialausschusses Unternehmenssteuerung und Regulierung, Christoph Jurecka, die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. „Wir sind sehr für eine standardisierte, hochwertige Nachhaltigkeitsberichterstattung, denn entsprechende Daten von hoher Qualität sind ein Eckpfeiler für die nachhaltige Transformation“, sagte Jurecka.

Allerdings überfordern Dichte und Fülle der Berichtsanforderungen die Unternehmen, so der Finanzvorstand der Munich Re. „Bei der Berichterstattung sollten nur diejenigen Inhalte in den Fokus genommen werden, die nachweislich zu mehr Nachhaltigkeit führen, vor allem mit Blick auf den Klimawandel. Nachhaltigkeitsberichte sollten keine Datenfriedhöfe sein.“

Auch andere Regelwerke, die den Versicherungssektor betreffen, etwa Solvency II oder die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Versicherern, leiden aus Verbandssicht unter Doppel- oder Überregulierung. Fehlende Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen seien hier eher die Regel als die Ausnahme. „Es macht keinen Sinn, dass ein kleiner Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit mit einer Handvoll Beschäftigten die gleichen Anforderungen erfüllen muss wie ein DAX-Konzern“, kritisierte Jurecka.

Hürden bei der digitalen Transformation

GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen warnte auch vor Hürden bei der digitalen Transformation in Deutschland. „Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hält hartnäckig am Grundsatz der Datenminimierung fest, was in einer beginnenden Datenökonomie nicht mehr zeitgemäß ist. Insbesondere im Bereich selbstlernender Künstlicher Intelligenz ist es kontraproduktiv, die Datenverarbeitung stark zu beschränken“, so Asmussen.

Selbst beim Teilen geschäftlicher E-Mail-Adressen werden hohe regulatorische Anforderungen verlangt, kritisierte er und fordert vor diesem Hintergrund: „Wir müssen dringend eine Anpassung der DSGVO erwirken, die sich stärker an den wirklichen und aktuellen Risiken orientiert. Sonst bremst sie uns aus.“

Christoph Jurecka (l., Vorsitzender des GDV-Präsidialausschusses Unternehmenssteuerung und Regu-lierung, und GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen © GDV Gesamtverband der Versicherer e.V.

Kritisch sieht Asmussen auch, dass die DSGVO die Versicherer dabei einschränkt, Versicherungsanträge vollständig digital und ohne menschliches Eingreifen zu bearbeiten. Denn die DSGVO erlaubt zwar die automatische Verarbeitung von Daten mit Zustimmung der Kunden. Datenschutzbehörden fordern jedoch eine zusätzliche Option zur Überprüfung durch Sachbearbeiter.

„Das lässt die Kunden warten und kostet alle Beteiligten unnötig Zeit. Es sollte ausreichen, dass Versicherte eine menschliche Überprüfung verlangen können, wenn sie mit dem digitalen Ergebnis unzufrieden sind“, so Asmussen. Dazu müsse der europäische Gesetzgeber klarstellen, dass solche automatischen Entscheidungen laut DSGVO nicht verboten sind. „Alternativ sollten im Bundesdatenschutzgesetz digitale Vertragsschlüsse und Leistungsabwicklungen erlaubt werden“, sagte der GDV-Hauptgeschäftsführer.

Nachhaltigkeitskriterien als Bestandteil der Kapitalanlage

Ebenfalls Thema des GDV-Mediengesprächs war eine Bestandsaufnahme der Nachhaltigkeitsziele in der Kapitalanlage der Versicherer. „Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien ist ein fester und etablierter Bestandteil bei der Kapitalanlage“, so Asmussen. „90 Prozent der Kapitalanlagen sind inzwischen nach Nachhaltigkeitskriterien angelegt.“ Versicherer haben im vergangenen Jahr den Anteil nachhaltiger Anlagen deutlich erhöht und würden hier gerne noch mehr leisten. „Aber es mangelt an geeigneten Projekten und passenden Rahmenbedingungen.“

Asmussen räumte ein, dass der Weg zur CO2-Neutralität, zu der sich die in Deutschland tätigen Versicherer bis spätestens 2050 verpflichtet haben, nicht immer geradlinig verlaufe. Das zeige sich auch im sogenannten CO2-Fußabdruck, den der Sektor 2022 erstmalig veröffentlicht hat. „Nach 71 Tonnen CO2 bezogen auf eine Million Euro Investment im Jahr 2021 lag dieser Wert im vergangenen Jahr bei 79 Tonnen“, sagte Asmussen.

Als Gründe dafür nannte er durch Corona bedingte Nachholeffekte. Auch werde die Datenverfügbarkeit und -qualität erst schrittweise besser. „Wir werden den Weg zur CO2-Neutralität konsequent und transparent weitergehen“, so Asmussen. „In den kommenden Jahren werden wir konkrete Zwischenziele unseres Sektors für 2030 veröffentlichen. Dafür sind wir aber auf aussagekräftige Daten und glaubwürdige Dekarbonisierungspfade der Realwirtschaft angewiesen.“

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