Lehren aus der Pleite von The Social Chain

Businessman with suitcase standing on edge of bridge.
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Einst hoch gelobt, hat The Social Chain, das milliardenschwere Projekt der „Höhle der Löwen“-Investoren Ralf Dümmel und Georg Kofler, nun überraschend in der Insolvenz geendet. Doch wie genau konnte es zu diesem dramatischen Scheitern einer vielversprechenden Idee kommen?

Ein Beitrag von Robert Giebenrath ist Gründer der RG Finance GmbH

Robert Giebenrath, Geschäftsführer, RG Finance GmbH © RG Finance GmbH

Der Hauptfaktor war eine Verkettung von Fehleinschätzungen und strategischen Fehlern, die das Unternehmen letztlich seine finanzielle Stabilität gekostet hat. Was beim Wachstumsprozess von Social Chain falsch lief und welche Schlüsse andere Unternehmen für sich daraus ziehen sollten:

Gute Ideen allein reicht nicht

Der Top-Merger der bekannten Talentshow „Die Höhle der Löwen“, The Social Chain, steht vor der Insolvenz. Wenige Jahre zuvor hatten sich die Unternehmenschefs und TV-Juroren Ralf Dümmel und Georg Kofler zusammengetan, indem sie Dümmels Unternehmen DS Holding mit Koflers Social Chain fusionierten. Das gemeinsame Ziel: Markenhersteller in Schieflage aufkaufen und in D2C-Brands umwandeln, um die Produkte dann über das eigene Netzwerk direkt an die Endkunden zu vertreiben.

Da Social Chain jetzt einen Insolvenzantrag angekündigt hat, ist diese Idee nun auch offiziell gescheitert. Das Unternehmen ist zahlungsunfähig und hat mit einem Schlag einen großen Teil seines Wertes verloren: Von einst 54 Euro pro Aktie wurde das Wertpapier des Unternehmens an der Börse zeitweise mit nur noch 35 Cent gehandelt. War diese Pleite von Social Chain also nur ein tragischer Einzelfall, oder handelt es sich um ein vorhersehbares Negativbeispiel?

Hinterher ist man immer klüger, doch auch bei genauerer Betrachtung scheint das Konzept von The Social Chain an einem wenig tragfähigen Geschäftsmodell gescheitert zu sein, dem am Ende vor allem zuverlässige Geschäftspartner fehlten. Während die ursprüngliche Idee vielversprechend war, konnte sie letztlich nicht genügend Umsätze für ein nachhaltiges Wachstum generieren – das Unternehmen blieb daher zu lange abhängig von externen Investoren.

Besonders Unternehmen im Wachstum oder in Gründung sollten dies als warnendes Beispiel nehmen: Selbst, wenn die Idee eines Geschäftspartners noch so vielversprechend klingt, bedeutet dies noch lange nicht, dass das Geschäftsmodell auch tatsächlich tragfähig ist – dies kann nur durch die genaue Prüfung und Analyse aller Zahlenmodelle und Prognosen ermittelt werden. Viele Businesspläne fallen regelrecht in sich zusammen, wenn sich die zugrundeliegenden Annahmen in schwierigen Fahrwassern als viel zu positiv herausgestellt haben. 

Der Nachteil der Abhängigkeit von Finanzierungsrunden

Der Fall von The Social Chain zeigt zudem, dass der Erfolg eines Unternehmens keineswegs garantiert ist, nur weil es bereits frühzeitig an der Börse platziert wurde. Im Gegenteil dient ein IPO häufig nur dazu, zusätzliches Kapital aufzunehmen – was durchaus schiefgehen kann.

Bei The Social Chain war es denn auch eine geplatzte zusätzliche Finanzierungsrunde im Wege der Kapitalaufstockung, die zu der Insolvenz führte: Ein Investor hatte ursprünglich zugesagt, den Kauf von zusätzlich an die Börse gebrachten Aktien zu übernehmen, wenn andere Käufe ausblieben. Dazu kam es jedoch nicht: Ohne Angabe von Gründen trat der Investor von seiner Zusage zurück. Dieses zusätzliche Kapital war von The Social Chain jedoch bereits fest eingeplant, weshalb es jetzt seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann – das Unternehmen wurde mit einem Schlag insolvent. 

Der geschilderte Ablauf ist besonders bei Wachstumsunternehmen häufig zu beobachten. Viele begeben sich in zu große Abhängigkeit von externen Finanzierungen, mit denen allein die Wachstumsphase finanziert werden soll. Dies ist besonders bei eingeplanten zusätzlichen Finanzierungsrunden von Nachteil: So können sich die Verhandlungen mit den Investoren monatelang hinziehen, nur um dann am Tag des Notartermins doch noch zu platzen.

Wenn das Unternehmen das Wachstum in diesem Fall allein durch kurzfristige Finanzierungen statt durch ein tragfähiges Geschäftsmodell stemmen wollte, droht schnell die Insolvenz. Leider legen es viele Investoren auch genau darauf an: Nach der Anschubfinanzierung lassen sie ihre Geldnehmer absichtlich zahlungsunfähig werden, um das dann insolvent gewordene Unternehmen günstig aufkaufen zu können. Diese und ähnliche Fälle lassen sich jedoch mit einer tragfähigen finanziellen Planung und Unternehmenssteuerung vermeiden.

Drohende Zahlungsunfähigkeit frühzeitig erkennen

Wachstumsunternehmen sollten daher in Finanzierungen nur einen „Booster“ sehen, der das eigene Wachstum nicht ermöglichen, sondern befeuern soll. Wenn schon Fremdkapital aufgenommen werden muss, sollte das Risiko möglichst auf mehrere Geldgeber verteilt und Finanzierungsrunden bereits frühzeitig angestoßen werden, um sich nicht von einer einzelnen Zusage finanziell abhängig zu machen und bei deren Ausbleiben direkt den Weg in die Insolvenz gehen zu müssen.

Unternehmer sollten sich dabei bewusst machen, dass sie weitaus mehr zu verlieren haben als ihre Investoren – eine verschleppte Insolvenz kann schließlich zu hohen Schadenersatzforderungen bis hin zu verhängten Gefängnisstrafen führen.

Am Ende lässt sich festhalten, dass gerade Wachstumsunternehmen sich ihre Geschäftspartner genau anschauen und eine zu starke Abhängigkeit von externen Finanzierungsrunden vermeiden sollten. Gerade im E-Commerce-Bereich stehen die Unternehmen derzeit stark unter Druck, und bis die allgemeine Kaufzurückhaltung sich wieder bessert, dürfte es mittelfristig noch zu zahlreichen weiteren Insolvenzen kommen. Wer jedoch sein Unternehmen auf ein tragfähiges Geschäftsmodell stellt und durch ein regelmäßiges und konsequentes Controlling alle Zahlen im Blick behält, kann auch in der Wachstumsphase auf volatile Zeiten reagieren und die Gefahren einer plötzlichen Insolvenz vermeiden.

Über den Autor

Robert Giebenrath ist Gründer der RG Finance GmbH, externer CFO und Unternehmensberater. Er unterstützt gemeinsam mit seinem Experten-Team deutsche Wachstumsbetriebe dabei, eine optimale finanzielle Planung inklusive Absicherung umzusetzen. Hierfür greifen die Finanzprofis der RG Finance GmbH auf ein ausgeklügeltes Controlling- und Risikomanagement-System für eine sichere Skalierung zurück.

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